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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

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lange es kein Mittel giebt, den Menschen
Ehrfurcht gegen das Edelste, was ihrer Na¬
tur zum Grunde liegt, gegen ihre eigene
Vernunft
, einzuflössen. Wo diese Ehrfurcht
fehlt, da wird man sich immerfort Unge¬
reimtheiten erlauben, da wird man, sobald
politische Verhältnisse es gestatten, intole¬
rant seyn, und die Gewissen mit Zwang
beherrschen wollen. Wenn nicht diese ver¬
kehrte Herrschbegierde die Triebfeder der
widersprechendsten Aeusserungen wäre, so
müsste man sich ja wundern, wie es nur
möglich ist, dass irgend einer Geistlichkeit
nicht alle philosophische Lehrbücher höchst
gleichgültig seyn sollten. Die Philosophie
muss sich schlechterdings nur auf das Begreif¬
liche, auf das Erweisliche einschränken; da
hingegen die Theologie unbegreifliche Myste¬
rien lehrt, welche nicht demonstrirt, sondern
geglaubt werden müssen, vermittelst eines

I. Theil. G

lange es kein Mittel giebt, den Menschen
Ehrfurcht gegen das Edelste, was ihrer Na¬
tur zum Grunde liegt, gegen ihre eigene
Vernunft
, einzuflöſsen. Wo diese Ehrfurcht
fehlt, da wird man sich immerfort Unge¬
reimtheiten erlauben, da wird man, sobald
politische Verhältnisse es gestatten, intole¬
rant seyn, und die Gewissen mit Zwang
beherrschen wollen. Wenn nicht diese ver¬
kehrte Herrschbegierde die Triebfeder der
widersprechendsten Aeuſserungen wäre, so
müſste man sich ja wundern, wie es nur
möglich ist, daſs irgend einer Geistlichkeit
nicht alle philosophische Lehrbücher höchst
gleichgültig seyn sollten. Die Philosophie
muſs sich schlechterdings nur auf das Begreif¬
liche, auf das Erweisliche einschränken; da
hingegen die Theologie unbegreifliche Myste¬
rien lehrt, welche nicht demonstrirt, sondern
geglaubt werden müssen, vermittelst eines

I. Theil. G
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[97/0109] lange es kein Mittel giebt, den Menschen Ehrfurcht gegen das Edelste, was ihrer Na¬ tur zum Grunde liegt, gegen ihre eigene Vernunft, einzuflöſsen. Wo diese Ehrfurcht fehlt, da wird man sich immerfort Unge¬ reimtheiten erlauben, da wird man, sobald politische Verhältnisse es gestatten, intole¬ rant seyn, und die Gewissen mit Zwang beherrschen wollen. Wenn nicht diese ver¬ kehrte Herrschbegierde die Triebfeder der widersprechendsten Aeuſserungen wäre, so müſste man sich ja wundern, wie es nur möglich ist, daſs irgend einer Geistlichkeit nicht alle philosophische Lehrbücher höchst gleichgültig seyn sollten. Die Philosophie muſs sich schlechterdings nur auf das Begreif¬ liche, auf das Erweisliche einschränken; da hingegen die Theologie unbegreifliche Myste¬ rien lehrt, welche nicht demonstrirt, sondern geglaubt werden müssen, vermittelst eines I. Theil. G

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/109>, abgerufen am 24.11.2024.