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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

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Glaubens, der die unbedingte Gabe der Gott¬
heit ist. Soll man nun doch das Unbegreifliche
demonstriren, das heißt, begreiflich machen?
Einen platteren Widerspruch giebt es nicht.

Wie mag es aber wohl kommen, daß
man heutiges Tages zu solchen Widersprü¬
chen seine Zuflucht nimmt? So viel ich
sehe, liegt eben darin ein auffallender Be¬
weis der Schwäche, deren sich die Herren
bewußt seyn müssen. Wenn man versinken
will, hascht man begierig auch nach dem
Strohhalm, der doch niemanden retten kann.
Ehedem verfuhren sowohl die weltlichen als
die kirchlichen Despoten ganz anders. Sie
ließen es ihre geringste Sorge seyn, die
Vernunft mit ihren Aussprüchen in Har¬
monie zu bringen, brauchten Gewalt, wo
sie ihnen in die Hände fiel, und erstickten
dann die Keime des Denkens. Aber hier
und dort ist ihnen ein Samenkörnchen ent¬

Glaubens, der die unbedingte Gabe der Gott¬
heit ist. Soll man nun doch das Unbegreifliche
demonstriren, das heißt, begreiflich machen?
Einen platteren Widerspruch giebt es nicht.

Wie mag es aber wohl kommen, daß
man heutiges Tages zu solchen Widersprü¬
chen seine Zuflucht nimmt? So viel ich
sehe, liegt eben darin ein auffallender Be¬
weis der Schwäche, deren sich die Herren
bewußt seyn müssen. Wenn man versinken
will, hascht man begierig auch nach dem
Strohhalm, der doch niemanden retten kann.
Ehedem verfuhren sowohl die weltlichen als
die kirchlichen Despoten ganz anders. Sie
ließen es ihre geringste Sorge seyn, die
Vernunft mit ihren Aussprüchen in Har¬
monie zu bringen, brauchten Gewalt, wo
sie ihnen in die Hände fiel, und erstickten
dann die Keime des Denkens. Aber hier
und dort ist ihnen ein Samenkörnchen ent¬

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[98/0110] Glaubens, der die unbedingte Gabe der Gott¬ heit ist. Soll man nun doch das Unbegreifliche demonstriren, das heißt, begreiflich machen? Einen platteren Widerspruch giebt es nicht. Wie mag es aber wohl kommen, daß man heutiges Tages zu solchen Widersprü¬ chen seine Zuflucht nimmt? So viel ich sehe, liegt eben darin ein auffallender Be¬ weis der Schwäche, deren sich die Herren bewußt seyn müssen. Wenn man versinken will, hascht man begierig auch nach dem Strohhalm, der doch niemanden retten kann. Ehedem verfuhren sowohl die weltlichen als die kirchlichen Despoten ganz anders. Sie ließen es ihre geringste Sorge seyn, die Vernunft mit ihren Aussprüchen in Har¬ monie zu bringen, brauchten Gewalt, wo sie ihnen in die Hände fiel, und erstickten dann die Keime des Denkens. Aber hier und dort ist ihnen ein Samenkörnchen ent¬

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/110>, abgerufen am 24.11.2024.