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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

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Gliedmassen, der gänzliche Mange von al¬
lem, was auf Anmuth oder Reize nur An¬
spruch machen darf -- ich kann nicht sa¬
gen, wie mich das unwillkührlich zwingt,
die Augen wegzuwenden, um einem widri¬
gen Eindrucke zu entgehen. Unter zehn
Bewunderern von Rubens, würden kaum
zwei oder drei den Anblick solcher Men¬
schen, wie er sie hier malte, in der Natur
ohne Widerwillen ertragen. Warum dulden
sie aber, oder bewundern wohl gar im Bilde,
was lebend sie anekeln würde? Weil der
Pinsel das allzuscheussliche verwischt; weil
den meisten Menschen nur an der Nachah¬
mung liegt, gleichviel was ihr Gegenstand
sei; endlich weil wir den Schönheitssinn
und den Geschmack zu den seltensten Göt¬
tergaben zählen müssen.

Wenn aber Rubens in den Umrissen und
in der Darstellung des Schönen fehlte, bleibt

Gliedmaſsen, der gänzliche Mange von al¬
lem, was auf Anmuth oder Reize nur An¬
spruch machen darf — ich kann nicht sa¬
gen, wie mich das unwillkührlich zwingt,
die Augen wegzuwenden, um einem widri¬
gen Eindrucke zu entgehen. Unter zehn
Bewunderern von Rubens, würden kaum
zwei oder drei den Anblick solcher Men¬
schen, wie er sie hier malte, in der Natur
ohne Widerwillen ertragen. Warum dulden
sie aber, oder bewundern wohl gar im Bilde,
was lebend sie anekeln würde? Weil der
Pinsel das allzuscheuſsliche verwischt; weil
den meisten Menschen nur an der Nachah¬
mung liegt, gleichviel was ihr Gegenstand
sei; endlich weil wir den Schönheitssinn
und den Geschmack zu den seltensten Göt¬
tergaben zählen müssen.

Wenn aber Rubens in den Umrissen und
in der Darstellung des Schönen fehlte, bleibt

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[155/0167] Gliedmaſsen, der gänzliche Mange von al¬ lem, was auf Anmuth oder Reize nur An¬ spruch machen darf — ich kann nicht sa¬ gen, wie mich das unwillkührlich zwingt, die Augen wegzuwenden, um einem widri¬ gen Eindrucke zu entgehen. Unter zehn Bewunderern von Rubens, würden kaum zwei oder drei den Anblick solcher Men¬ schen, wie er sie hier malte, in der Natur ohne Widerwillen ertragen. Warum dulden sie aber, oder bewundern wohl gar im Bilde, was lebend sie anekeln würde? Weil der Pinsel das allzuscheuſsliche verwischt; weil den meisten Menschen nur an der Nachah¬ mung liegt, gleichviel was ihr Gegenstand sei; endlich weil wir den Schönheitssinn und den Geschmack zu den seltensten Göt¬ tergaben zählen müssen. Wenn aber Rubens in den Umrissen und in der Darstellung des Schönen fehlte, bleibt

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/167>, abgerufen am 09.11.2024.