darin liegt der ganze Jammer. Es ist leich¬ ter, gemeine Natur zu kopiren, als Seelen¬ kräfte in der Materie sichtbar zu machen; leichter, durch groteske Züge dem Pöbel zu gefallen, als nach dem musterhaften Dory¬ phorus den Kenner zu befriedigen; leichter endlich, zu erschüttern und sogar zu rüh¬ ren, als den Forderungen des gebildeten Geistes, dem die grobgezeichneten dramati¬ schen Larven anekeln, und der nach den zarten Schattirungen und Verschmelzungen der Charaktere des gesellschaftlichen Lebens verlangt, völlig Genüge zu leisten. Unsere Theaterdichter wissen dies so gut wie die Künstler, und eben darum spielt man die Stücke der höchsten dramatischen Kunst vor leeren Häusern, indess die kläglichsten Erzeugnisse des Plattsinnes, ein Waltron, eine Lanassa und andere ihres Gelichters, wenn sie nur das Alltägliche anschaulich
I. Theil. M
darin liegt der ganze Jammer. Es ist leich¬ ter, gemeine Natur zu kopiren, als Seelen¬ kräfte in der Materie sichtbar zu machen; leichter, durch groteske Züge dem Pöbel zu gefallen, als nach dem musterhaften Dory¬ phorus den Kenner zu befriedigen; leichter endlich, zu erschüttern und sogar zu rüh¬ ren, als den Forderungen des gebildeten Geistes, dem die grobgezeichneten dramati¬ schen Larven anekeln, und der nach den zarten Schattirungen und Verschmelzungen der Charaktere des gesellschaftlichen Lebens verlangt, völlig Genüge zu leisten. Unsere Theaterdichter wissen dies so gut wie die Künstler, und eben darum spielt man die Stücke der höchsten dramatischen Kunst vor leeren Häusern, indeſs die kläglichsten Erzeugnisse des Plattsinnes, ein Waltron, eine Lanassa und andere ihres Gelichters, wenn sie nur das Alltägliche anschaulich
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darin liegt der ganze Jammer. Es ist leich¬
ter, gemeine Natur zu kopiren, als Seelen¬
kräfte in der Materie sichtbar zu machen;
leichter, durch groteske Züge dem Pöbel zu
gefallen, als nach dem musterhaften Dory¬
phorus den Kenner zu befriedigen; leichter
endlich, zu erschüttern und sogar zu rüh¬
ren, als den Forderungen des gebildeten
Geistes, dem die grobgezeichneten dramati¬
schen Larven anekeln, und der nach den
zarten Schattirungen und Verschmelzungen
der Charaktere des gesellschaftlichen Lebens
verlangt, völlig Genüge zu leisten. Unsere
Theaterdichter wissen dies so gut wie die
Künstler, und eben darum spielt man die
Stücke der höchsten dramatischen Kunst
vor leeren Häusern, indeſs die kläglichsten
Erzeugnisse des Plattsinnes, ein Waltron,
eine Lanassa und andere ihres Gelichters,
wenn sie nur das Alltägliche anschaulich
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/189>, abgerufen am 24.11.2024.
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