damit gleichsam identificiren muss, um es mit einer gewissen Würde zu stempeln. Die Religion selbst ist eben darum so tief herab¬ gesunken, weil sie bei den meisten Menschen als ein bloss überkommenes Erbstück im Ge¬ dächtniss haftet und nicht bis ins Herz und aus dem Herzen wieder, als eine schöne Blume der individuellen Menschheit, an das Licht gedrungen ist. Die Wissenschaften wer¬ den verächtlich im Munde des Lehrers, der sie mechanisch erlernte, um sie mechanisch herzuleiern. Die Formeln des gesitteten Um¬ ganges ekeln uns an, wenn kein Gefühl des Schicklichen, keine wahre Achtung für die ei¬ gene und die fremde Moralität sie länger würzt, ob sie gleich ursprünglich daraus entstanden. Der nachgeahmte Luxus, der nicht mit ori¬ ginellem Kunstsinn bezeichnet ist, kann eben so wenig einen angenehmen Eindruck ma¬ chen, wie jene Papageien- und Pudelkünste;
damit gleichsam identificiren muſs, um es mit einer gewissen Würde zu stempeln. Die Religion selbst ist eben darum so tief herab¬ gesunken, weil sie bei den meisten Menschen als ein bloſs überkommenes Erbstück im Ge¬ dächtniſs haftet und nicht bis ins Herz und aus dem Herzen wieder, als eine schöne Blume der individuellen Menschheit, an das Licht gedrungen ist. Die Wissenschaften wer¬ den verächtlich im Munde des Lehrers, der sie mechanisch erlernte, um sie mechanisch herzuleiern. Die Formeln des gesitteten Um¬ ganges ekeln uns an, wenn kein Gefühl des Schicklichen, keine wahre Achtung für die ei¬ gene und die fremde Moralität sie länger würzt, ob sie gleich ursprünglich daraus entstanden. Der nachgeahmte Luxus, der nicht mit ori¬ ginellem Kunstsinn bezeichnet ist, kann eben so wenig einen angenehmen Eindruck ma¬ chen, wie jene Papageien- und Pudelkünste;
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damit gleichsam identificiren muſs, um es
mit einer gewissen Würde zu stempeln. Die
Religion selbst ist eben darum so tief herab¬
gesunken, weil sie bei den meisten Menschen
als ein bloſs überkommenes Erbstück im Ge¬
dächtniſs haftet und nicht bis ins Herz und
aus dem Herzen wieder, als eine schöne
Blume der individuellen Menschheit, an das
Licht gedrungen ist. Die Wissenschaften wer¬
den verächtlich im Munde des Lehrers, der
sie mechanisch erlernte, um sie mechanisch
herzuleiern. Die Formeln des gesitteten Um¬
ganges ekeln uns an, wenn kein Gefühl des
Schicklichen, keine wahre Achtung für die ei¬
gene und die fremde Moralität sie länger würzt,
ob sie gleich ursprünglich daraus entstanden.
Der nachgeahmte Luxus, der nicht mit ori¬
ginellem Kunstsinn bezeichnet ist, kann eben
so wenig einen angenehmen Eindruck ma¬
chen, wie jene Papageien- und Pudelkünste;
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein02_1791/460>, abgerufen am 22.11.2024.
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