Viertes Hauptstück. Reise vom Cap nach dem antarctischen Zirkel; erste Fahrt in höhere südliche Breiten; Ankunft auf der Küste von Neu-Seeland.
Am 22sten November Nachmittags um 4 Uhr, seegelten wir aus Tafelbay1772. Novem- ber. und begrüßten beym Abschiede das Fort. Das unruhige Element, dem wir uns nunmehro von neuem anvertrauten, bewillkommte uns auf keine ange- nehme Art, denn wir hatten die ganze Nacht über mit heftigen Stoßwinden zu kämpfen. Die See leuchtete jetzt auf eben die Art, als wir bey unsrer Ankunft gesehen hatten, aber nicht so stark als damals. Am folgenden Tage um 8 Uhr des Morgens verlohren wir das Cap aus dem Gesicht und liefen gegen Süden. Da wir jetzt auf einer Reise begriffen waren, die noch Niemand vor uns unter- nommen hatte, auch nicht wußten, wenn, oder wo wir einen Erfrischungs-Ort finden würden, so gab der Capitain die gemessensten Befehle, daß mit dem Trink- wasser gut hausgehalten werden sollte. Zu dem Ende ward eine Schildwache an das Wasserfaß gestellt und von dem Schiffsvolk bekam der Mann täglich ein gewisses Maas zugetheilt. Außerdem durfte ein jeder auch noch beym Faß trinken, aber nichts mit sich nehmen. Der Capitain selbst wusch sich mit See- wasser und unsre ganze Reisegesellschaft mußte sich ein gleiches gefallen lassen. Auch ward die von Herrn Irving verbesserte Destillir-Maschine beständig im Gange erhalten, um die tägliche Abnahme des süßen Wassers wenigstens in et- was wieder zu ersetzen.
Den 24sten Nachmittags fiengen wir bey schönem gemäßigtem Wetter, nach vorhergegangenen harten Sturm, neun Albatrosse an Schnur und Angeln, welche man mit einem Stückchen Schaafs-Fell besteckt hatte. Einige dieser Vö- gel maaßen, von einer Spitze des ausgebreiteten Flügels zum andern, über zehen Fuß. Das Gefieder der jüngern war mit vielen braunen Federn vermischt; die ausgewachsenen aber waren ganz weiß, bis auf die Flügel, die schwärzlich und an dem obern Gelenke mit schwarzen Strichen gestreift auch mit einzelnen Federn schwarz gesprenkelt waren. An eben diesem Tage ließ sich, eine kleine Weile über,
Forsters Reise u. d. W., erster Th. J
in den Jahren 1772 bis 1775.
Viertes Hauptſtuͤck. Reiſe vom Cap nach dem antarctiſchen Zirkel; erſte Fahrt in hoͤhere ſuͤdliche Breiten; Ankunft auf der Kuͤſte von Neu-Seeland.
Am 22ſten November Nachmittags um 4 Uhr, ſeegelten wir aus Tafelbay1772. Novem- ber. und begruͤßten beym Abſchiede das Fort. Das unruhige Element, dem wir uns nunmehro von neuem anvertrauten, bewillkommte uns auf keine ange- nehme Art, denn wir hatten die ganze Nacht uͤber mit heftigen Stoßwinden zu kaͤmpfen. Die See leuchtete jetzt auf eben die Art, als wir bey unſrer Ankunft geſehen hatten, aber nicht ſo ſtark als damals. Am folgenden Tage um 8 Uhr des Morgens verlohren wir das Cap aus dem Geſicht und liefen gegen Suͤden. Da wir jetzt auf einer Reiſe begriffen waren, die noch Niemand vor uns unter- nommen hatte, auch nicht wußten, wenn, oder wo wir einen Erfriſchungs-Ort finden wuͤrden, ſo gab der Capitain die gemeſſenſten Befehle, daß mit dem Trink- waſſer gut hausgehalten werden ſollte. Zu dem Ende ward eine Schildwache an das Waſſerfaß geſtellt und von dem Schiffsvolk bekam der Mann taͤglich ein gewiſſes Maas zugetheilt. Außerdem durfte ein jeder auch noch beym Faß trinken, aber nichts mit ſich nehmen. Der Capitain ſelbſt wuſch ſich mit See- waſſer und unſre ganze Reiſegeſellſchaft mußte ſich ein gleiches gefallen laſſen. Auch ward die von Herrn Irving verbeſſerte Deſtillir-Maſchine beſtaͤndig im Gange erhalten, um die taͤgliche Abnahme des ſuͤßen Waſſers wenigſtens in et- was wieder zu erſetzen.
Den 24ſten Nachmittags fiengen wir bey ſchoͤnem gemaͤßigtem Wetter, nach vorhergegangenen harten Sturm, neun Albatroſſe an Schnur und Angeln, welche man mit einem Stuͤckchen Schaafs-Fell beſteckt hatte. Einige dieſer Voͤ- gel maaßen, von einer Spitze des ausgebreiteten Fluͤgels zum andern, uͤber zehen Fuß. Das Gefieder der juͤngern war mit vielen braunen Federn vermiſcht; die ausgewachſenen aber waren ganz weiß, bis auf die Fluͤgel, die ſchwaͤrzlich und an dem obern Gelenke mit ſchwarzen Strichen geſtreift auch mit einzelnen Federn ſchwarz geſprenkelt waren. An eben dieſem Tage ließ ſich, eine kleine Weile uͤber,
Forſters Reiſe u. d. W., erſter Th. J
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Viertes Hauptſtuͤck.
Reiſe vom Cap nach dem antarctiſchen Zirkel; erſte Fahrt
in hoͤhere ſuͤdliche Breiten; Ankunft auf der Kuͤſte
von Neu-Seeland.
Am 22ſten November Nachmittags um 4 Uhr, ſeegelten wir aus Tafelbay
und begruͤßten beym Abſchiede das Fort. Das unruhige Element, dem
wir uns nunmehro von neuem anvertrauten, bewillkommte uns auf keine ange-
nehme Art, denn wir hatten die ganze Nacht uͤber mit heftigen Stoßwinden zu
kaͤmpfen. Die See leuchtete jetzt auf eben die Art, als wir bey unſrer Ankunft
geſehen hatten, aber nicht ſo ſtark als damals. Am folgenden Tage um 8 Uhr
des Morgens verlohren wir das Cap aus dem Geſicht und liefen gegen Suͤden.
Da wir jetzt auf einer Reiſe begriffen waren, die noch Niemand vor uns unter-
nommen hatte, auch nicht wußten, wenn, oder wo wir einen Erfriſchungs-Ort
finden wuͤrden, ſo gab der Capitain die gemeſſenſten Befehle, daß mit dem Trink-
waſſer gut hausgehalten werden ſollte. Zu dem Ende ward eine Schildwache
an das Waſſerfaß geſtellt und von dem Schiffsvolk bekam der Mann taͤglich
ein gewiſſes Maas zugetheilt. Außerdem durfte ein jeder auch noch beym Faß
trinken, aber nichts mit ſich nehmen. Der Capitain ſelbſt wuſch ſich mit See-
waſſer und unſre ganze Reiſegeſellſchaft mußte ſich ein gleiches gefallen laſſen.
Auch ward die von Herrn Irving verbeſſerte Deſtillir-Maſchine beſtaͤndig im
Gange erhalten, um die taͤgliche Abnahme des ſuͤßen Waſſers wenigſtens in et-
was wieder zu erſetzen.
1772.
Novem-
ber.
Den 24ſten Nachmittags fiengen wir bey ſchoͤnem gemaͤßigtem Wetter,
nach vorhergegangenen harten Sturm, neun Albatroſſe an Schnur und Angeln,
welche man mit einem Stuͤckchen Schaafs-Fell beſteckt hatte. Einige dieſer Voͤ-
gel maaßen, von einer Spitze des ausgebreiteten Fluͤgels zum andern, uͤber zehen
Fuß. Das Gefieder der juͤngern war mit vielen braunen Federn vermiſcht; die
ausgewachſenen aber waren ganz weiß, bis auf die Fluͤgel, die ſchwaͤrzlich und
an dem obern Gelenke mit ſchwarzen Strichen geſtreift auch mit einzelnen Federn
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/110>, abgerufen am 26.11.2024.
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