1772. Novem- ber.ein großer brauner Fisch, der mit dem Sonnen-Fisch (tetrodon mola) viel Aehnlichkeit hatte, neben dem Schiffe sehen.
Am 29sten ward der Wind, welcher seit den drey vorhergehenden Tagen sehr stürmisch gewesen war, so heftig, daß wir vier und zwanzig Stunden lang nur allein das Fock-Seegel führen konnten. Zugleich gieng die See fürchterlich hoch und brach oft über dem Schiffe. Wer kein Seemann war, wußte sich in diese neue Lage gar nicht zu schicken, und da wir auf der Ueberfahrt von England bis zum Cap ganz besonders gutes Wetter gehabt hatten, so waren auch jetzt noch in keiner Cajütte Anstalten gegen solche Stürme vorgekehrt worden. Das hef- tige Hin und Herschwanken des Schifs richtete daher täglich schreckliche Verwü- stungen unter unsern Tassen, Gläsern, Bouteillen, Tischen, Schüsseln und an- dern Geschirr an; allein, die lustigen Auftritte, welche bey dieser allgemeinen Berwirrung vorfielen, und bey denen man sich des Lachens ohnmöglich enthalten konnte, machten uns, gegen diesen in unsrer Lage unersetzlichen Verlust, gelaßner als wir ohne dies wohl nicht geblieben seyn möchten. Das übelste dabey war, daß die Decken und Fußböden in allen Cajütten gar nicht trocken wurden, und das Heulen des Sturms im Tauwerk, das Brausen der Wellen, nebst dem ge- waltigen Hin- und Herwerfen des Schifs, welches fast keine Beschäftigung ver- stattete, waren neue und fürchterliche Scenen, aber zugleich höchstbeschwerlich und höchst unangenehm. Hiezu kam noch, daß, ohnerachtet wir uns erst im 42 Grade südlicher Breite befanden, die Luft doch schon sehr kalt und scharf zu wer- den anfieng, gleichwie auch der häufige Regen dem Schiffsvolk den Dienst noch schwerer machte. Um nun die Leute einiger maßen gegen die rauhe Witterung zu schützen, ließ der Capitain die Kleider unter sie austheilen, welche zu dem Ende, auf Kosten der Admiralität, ausdrücklich waren angeschaft worden. Ein jeder, der, im Dieust des Schiffs, dem Ungestüm des südlichen Clima ausgesetzt seyn mußte, vom Lientenant an bis zum gemeinsten Matrosen, bekam ein Wamms und ein Paar lange Schifferhosen vom dicksten wollnen Zeuge oder starken Flannel, fearnought genannt, welche die Nässe lange abhielten, und eben so wie alle übrige Artikel, welche die Admiralität von Lieferanten schaffen läßt, nur den ein- zigen Fehler hatten, daß sie fast durchgehends zu kurz oder zu knapp waren. Das Elend, womit das arme Schiffsvolk des Herrn von Bougainville, aus Man-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1772. Novem- ber.ein großer brauner Fiſch, der mit dem Sonnen-Fiſch (tetrodon mola) viel Aehnlichkeit hatte, neben dem Schiffe ſehen.
Am 29ſten ward der Wind, welcher ſeit den drey vorhergehenden Tagen ſehr ſtuͤrmiſch geweſen war, ſo heftig, daß wir vier und zwanzig Stunden lang nur allein das Fock-Seegel fuͤhren konnten. Zugleich gieng die See fuͤrchterlich hoch und brach oft uͤber dem Schiffe. Wer kein Seemann war, wußte ſich in dieſe neue Lage gar nicht zu ſchicken, und da wir auf der Ueberfahrt von England bis zum Cap ganz beſonders gutes Wetter gehabt hatten, ſo waren auch jetzt noch in keiner Cajuͤtte Anſtalten gegen ſolche Stuͤrme vorgekehrt worden. Das hef- tige Hin und Herſchwanken des Schifs richtete daher taͤglich ſchreckliche Verwuͤ- ſtungen unter unſern Taſſen, Glaͤſern, Bouteillen, Tiſchen, Schuͤſſeln und an- dern Geſchirr an; allein, die luſtigen Auftritte, welche bey dieſer allgemeinen Berwirrung vorfielen, und bey denen man ſich des Lachens ohnmoͤglich enthalten konnte, machten uns, gegen dieſen in unſrer Lage unerſetzlichen Verluſt, gelaßner als wir ohne dies wohl nicht geblieben ſeyn moͤchten. Das uͤbelſte dabey war, daß die Decken und Fußboͤden in allen Cajuͤtten gar nicht trocken wurden, und das Heulen des Sturms im Tauwerk, das Brauſen der Wellen, nebſt dem ge- waltigen Hin- und Herwerfen des Schifs, welches faſt keine Beſchaͤftigung ver- ſtattete, waren neue und fuͤrchterliche Scenen, aber zugleich hoͤchſtbeſchwerlich und hoͤchſt unangenehm. Hiezu kam noch, daß, ohnerachtet wir uns erſt im 42 Grade ſuͤdlicher Breite befanden, die Luft doch ſchon ſehr kalt und ſcharf zu wer- den anfieng, gleichwie auch der haͤufige Regen dem Schiffsvolk den Dienſt noch ſchwerer machte. Um nun die Leute einiger maßen gegen die rauhe Witterung zu ſchuͤtzen, ließ der Capitain die Kleider unter ſie austheilen, welche zu dem Ende, auf Koſten der Admiralitaͤt, ausdruͤcklich waren angeſchaft worden. Ein jeder, der, im Dieuſt des Schiffs, dem Ungeſtuͤm des ſuͤdlichen Clima ausgeſetzt ſeyn mußte, vom Lientenant an bis zum gemeinſten Matroſen, bekam ein Wamms und ein Paar lange Schifferhoſen vom dickſten wollnen Zeuge oder ſtarken Flannel, fearnought genannt, welche die Naͤſſe lange abhielten, und eben ſo wie alle uͤbrige Artikel, welche die Admiralitaͤt von Lieferanten ſchaffen laͤßt, nur den ein- zigen Fehler hatten, daß ſie faſt durchgehends zu kurz oder zu knapp waren. Das Elend, womit das arme Schiffsvolk des Herrn von Bougainville, aus Man-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
ein großer brauner Fiſch, der mit dem Sonnen-Fiſch (tetrodon mola) viel
Aehnlichkeit hatte, neben dem Schiffe ſehen.
1772.
Novem-
ber.
Am 29ſten ward der Wind, welcher ſeit den drey vorhergehenden Tagen
ſehr ſtuͤrmiſch geweſen war, ſo heftig, daß wir vier und zwanzig Stunden lang
nur allein das Fock-Seegel fuͤhren konnten. Zugleich gieng die See fuͤrchterlich
hoch und brach oft uͤber dem Schiffe. Wer kein Seemann war, wußte ſich in
dieſe neue Lage gar nicht zu ſchicken, und da wir auf der Ueberfahrt von England
bis zum Cap ganz beſonders gutes Wetter gehabt hatten, ſo waren auch jetzt noch
in keiner Cajuͤtte Anſtalten gegen ſolche Stuͤrme vorgekehrt worden. Das hef-
tige Hin und Herſchwanken des Schifs richtete daher taͤglich ſchreckliche Verwuͤ-
ſtungen unter unſern Taſſen, Glaͤſern, Bouteillen, Tiſchen, Schuͤſſeln und an-
dern Geſchirr an; allein, die luſtigen Auftritte, welche bey dieſer allgemeinen
Berwirrung vorfielen, und bey denen man ſich des Lachens ohnmoͤglich enthalten
konnte, machten uns, gegen dieſen in unſrer Lage unerſetzlichen Verluſt, gelaßner
als wir ohne dies wohl nicht geblieben ſeyn moͤchten. Das uͤbelſte dabey war,
daß die Decken und Fußboͤden in allen Cajuͤtten gar nicht trocken wurden, und
das Heulen des Sturms im Tauwerk, das Brauſen der Wellen, nebſt dem ge-
waltigen Hin- und Herwerfen des Schifs, welches faſt keine Beſchaͤftigung ver-
ſtattete, waren neue und fuͤrchterliche Scenen, aber zugleich hoͤchſtbeſchwerlich und
hoͤchſt unangenehm. Hiezu kam noch, daß, ohnerachtet wir uns erſt im 42
Grade ſuͤdlicher Breite befanden, die Luft doch ſchon ſehr kalt und ſcharf zu wer-
den anfieng, gleichwie auch der haͤufige Regen dem Schiffsvolk den Dienſt noch
ſchwerer machte. Um nun die Leute einiger maßen gegen die rauhe Witterung zu
ſchuͤtzen, ließ der Capitain die Kleider unter ſie austheilen, welche zu dem Ende,
auf Koſten der Admiralitaͤt, ausdruͤcklich waren angeſchaft worden. Ein jeder,
der, im Dieuſt des Schiffs, dem Ungeſtuͤm des ſuͤdlichen Clima ausgeſetzt ſeyn
mußte, vom Lientenant an bis zum gemeinſten Matroſen, bekam ein Wamms und
ein Paar lange Schifferhoſen vom dickſten wollnen Zeuge oder ſtarken Flannel,
fearnought genannt, welche die Naͤſſe lange abhielten, und eben ſo wie alle
uͤbrige Artikel, welche die Admiralitaͤt von Lieferanten ſchaffen laͤßt, nur den ein-
zigen Fehler hatten, daß ſie faſt durchgehends zu kurz oder zu knapp waren. Das
Elend, womit das arme Schiffsvolk des Herrn von Bougainville, aus Man-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/111>, abgerufen am 26.11.2024.
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