Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1772.
Decem-
ber.
zu danken, die wir in großer Menge an Bord führten, und davon ein jeder seine
gemessene Portion bekam. Nur zwey bis drey von unsern Leuten, die eine un-
gesunde Anlage hatten, konnten dem Scorbut nicht entgehen; insbesondere ward
ein Zimmermann, Nahmens Georg Jackson, schon am zehenten Tage nach un-
srer Abreise von Cap damit befallen. Das Zahnfleisch gieng bey ihm in Fäul-
niß über und die Zähne waren so los, daß sie ganz seitwärts lagen. Man machte
mit einer Marmelade von gelben Rüben oder Carotten, die uns gegen den Scor-
but vorzüglich war empfohlen worden, und davon wir ebenfalls Vorrath hatten,
einen Versuch bey ihm; allein sie half zu weiter nichts als daß sie den Leib offen
hielt. Unser Wundarzt, Herr Patton, fieng hierauf die Cur mit frischem Maisch
oder der gekochten Malz-Infusion an; und diese brachte den Kranken nach und
nach, in wenig Wochen vollkommen wieder zurechte; seine Zähne wurden wieder
fest, und er bekam gleichsam ganz neues Zahnfleisch. Da indessen die Ursach
seines Uebels, nemlich eine kränkliche Anlage, nach wie vor blieb, so mußte er
mit dem Gebrauch der Bierwürze noch nach geendigter Cur fortfahren, und
ward auf die Weise vor allen ferneren scorbutischen Zufällen bewahrt. Wir kön-
nen die Würksamkeit des Malzes nicht genug rühmen; und von rechtswegen sollte
ein so nützliches Mittel auf langen See-Reisen überall in Vorrath mitgenommen wer-
den, allein man kann auch nicht sorgfältig genug seyn, es für dem Naßwerden
und dem Schimmel zu bewahren, weil dieses die Heilkräfte desselben schwächt,
wie wir am Ende unsrer Reise haben erfahren müssen.

Das neue Jahr (1773) fieng sich mit Schnee und frischen kalten Stür-
men an, die uns gegen Westen zurück und bis nach dem Meridian hintrieben,
unter welchen das von Bouvet angeblich entdeckte Cap Circoncision liegen sollte.
Da sich in dieser Gegend abermahls Seehunde und Pinguins zeigten, so faßten
verschiedene von unsrer Gesellschaft neue Hofnung, hier Land zu erblicken, und
ließen es an fleißigen Umsehen danach nicht fehlen. Nachdem wir aber eine
gute Strecke weit auf diesem Striche fortgeseegelt waren, fanden sie sich in ihren
Erwartungen schmerzlich betrogen, und jene vermeinte Anzeigen verlohren bey
dieser Gelegenheit aufs neue etwas von ihrem bisherigen Credit.


Da
Die Kunst der Köche hat gewiß nie eine bessere Erfindung hervorgebracht. Wir hatten
für unser Schiff allein 3000 Pfund in blechernen Büchsen, jede von 25 Pfund, mit-
genommen.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1772.
Decem-
ber.
zu danken, die wir in großer Menge an Bord fuͤhrten, und davon ein jeder ſeine
gemeſſene Portion bekam. Nur zwey bis drey von unſern Leuten, die eine un-
geſunde Anlage hatten, konnten dem Scorbut nicht entgehen; insbeſondere ward
ein Zimmermann, Nahmens Georg Jackſon, ſchon am zehenten Tage nach un-
ſrer Abreiſe von Cap damit befallen. Das Zahnfleiſch gieng bey ihm in Faͤul-
niß uͤber und die Zaͤhne waren ſo los, daß ſie ganz ſeitwaͤrts lagen. Man machte
mit einer Marmelade von gelben Ruͤben oder Carotten, die uns gegen den Scor-
but vorzuͤglich war empfohlen worden, und davon wir ebenfalls Vorrath hatten,
einen Verſuch bey ihm; allein ſie half zu weiter nichts als daß ſie den Leib offen
hielt. Unſer Wundarzt, Herr Patton, fieng hierauf die Cur mit friſchem Maiſch
oder der gekochten Malz-Infuſion an; und dieſe brachte den Kranken nach und
nach, in wenig Wochen vollkommen wieder zurechte; ſeine Zaͤhne wurden wieder
feſt, und er bekam gleichſam ganz neues Zahnfleiſch. Da indeſſen die Urſach
ſeines Uebels, nemlich eine kraͤnkliche Anlage, nach wie vor blieb, ſo mußte er
mit dem Gebrauch der Bierwuͤrze noch nach geendigter Cur fortfahren, und
ward auf die Weiſe vor allen ferneren ſcorbutiſchen Zufaͤllen bewahrt. Wir koͤn-
nen die Wuͤrkſamkeit des Malzes nicht genug ruͤhmen; und von rechtswegen ſollte
ein ſo nuͤtzliches Mittel auf langen See-Reiſen uͤberall in Vorrath mitgenommen wer-
den, allein man kann auch nicht ſorgfaͤltig genug ſeyn, es fuͤr dem Naßwerden
und dem Schimmel zu bewahren, weil dieſes die Heilkraͤfte deſſelben ſchwaͤcht,
wie wir am Ende unſrer Reiſe haben erfahren muͤſſen.

Das neue Jahr (1773) fieng ſich mit Schnee und friſchen kalten Stuͤr-
men an, die uns gegen Weſten zuruͤck und bis nach dem Meridian hintrieben,
unter welchen das von Bouvet angeblich entdeckte Cap Circonciſion liegen ſollte.
Da ſich in dieſer Gegend abermahls Seehunde und Pinguins zeigten, ſo faßten
verſchiedene von unſrer Geſellſchaft neue Hofnung, hier Land zu erblicken, und
ließen es an fleißigen Umſehen danach nicht fehlen. Nachdem wir aber eine
gute Strecke weit auf dieſem Striche fortgeſeegelt waren, fanden ſie ſich in ihren
Erwartungen ſchmerzlich betrogen, und jene vermeinte Anzeigen verlohren bey
dieſer Gelegenheit aufs neue etwas von ihrem bisherigen Credit.


Da
Die Kunſt der Koͤche hat gewiß nie eine beſſere Erfindung hervorgebracht. Wir hatten
fuͤr unſer Schiff allein 3000 Pfund in blechernen Buͤchſen, jede von 25 Pfund, mit-
genommen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="80"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1772.<lb/>
Decem-<lb/>
ber.</note>zu danken, die wir in großer Menge an Bord fu&#x0364;hrten, und davon ein jeder &#x017F;eine<lb/>
geme&#x017F;&#x017F;ene Portion bekam. Nur zwey bis drey von un&#x017F;ern Leuten, die eine un-<lb/>
ge&#x017F;unde Anlage hatten, konnten dem Scorbut nicht entgehen; insbe&#x017F;ondere ward<lb/>
ein Zimmermann, Nahmens <hi rendition="#fr"><persName>Georg Jack&#x017F;on</persName></hi>, &#x017F;chon am zehenten Tage nach un-<lb/>
&#x017F;rer Abrei&#x017F;e von <placeName>Cap</placeName> damit befallen. Das Zahnflei&#x017F;ch gieng bey ihm in Fa&#x0364;ul-<lb/>
niß u&#x0364;ber und die Za&#x0364;hne waren &#x017F;o los, daß &#x017F;ie ganz &#x017F;eitwa&#x0364;rts lagen. Man machte<lb/>
mit einer Marmelade von gelben Ru&#x0364;ben oder Carotten, die uns gegen den Scor-<lb/>
but vorzu&#x0364;glich war empfohlen worden, und davon wir ebenfalls Vorrath hatten,<lb/>
einen Ver&#x017F;uch bey ihm; allein &#x017F;ie half zu weiter nichts als daß &#x017F;ie den Leib offen<lb/>
hielt. Un&#x017F;er Wundarzt, Herr <hi rendition="#fr"><persName>Patton</persName></hi>, fieng hierauf die Cur mit fri&#x017F;chem Mai&#x017F;ch<lb/>
oder der gekochten Malz-Infu&#x017F;ion an; und die&#x017F;e brachte den Kranken nach und<lb/>
nach, in wenig Wochen vollkommen wieder zurechte; &#x017F;eine Za&#x0364;hne wurden wieder<lb/>
fe&#x017F;t, und er bekam gleich&#x017F;am ganz neues Zahnflei&#x017F;ch. Da inde&#x017F;&#x017F;en die Ur&#x017F;ach<lb/>
&#x017F;eines Uebels, nemlich eine kra&#x0364;nkliche Anlage, nach wie vor blieb, &#x017F;o mußte er<lb/>
mit dem Gebrauch der Bierwu&#x0364;rze noch nach geendigter Cur fortfahren, und<lb/>
ward auf die Wei&#x017F;e vor allen ferneren &#x017F;corbuti&#x017F;chen Zufa&#x0364;llen bewahrt. Wir ko&#x0364;n-<lb/>
nen die Wu&#x0364;rk&#x017F;amkeit des Malzes nicht genug ru&#x0364;hmen; und von rechtswegen &#x017F;ollte<lb/>
ein &#x017F;o nu&#x0364;tzliches Mittel auf langen See-Rei&#x017F;en u&#x0364;berall in Vorrath mitgenommen wer-<lb/>
den, allein man kann auch nicht &#x017F;orgfa&#x0364;ltig genug &#x017F;eyn, es fu&#x0364;r dem Naßwerden<lb/>
und dem Schimmel zu bewahren, weil die&#x017F;es die Heilkra&#x0364;fte de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;chwa&#x0364;cht,<lb/>
wie wir am Ende un&#x017F;rer Rei&#x017F;e haben erfahren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Das neue Jahr (1773) fieng &#x017F;ich mit Schnee und fri&#x017F;chen kalten Stu&#x0364;r-<lb/>
men an, die uns gegen We&#x017F;ten zuru&#x0364;ck und bis nach dem Meridian hintrieben,<lb/>
unter welchen das von <hi rendition="#fr"><persName>Bouvet</persName></hi> angeblich entdeckte <placeName>Cap <hi rendition="#fr">Circonci&#x017F;ion</hi></placeName> liegen &#x017F;ollte.<lb/>
Da &#x017F;ich in die&#x017F;er Gegend abermahls Seehunde und Pinguins zeigten, &#x017F;o faßten<lb/>
ver&#x017F;chiedene von un&#x017F;rer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft neue Hofnung, hier Land zu erblicken, und<lb/>
ließen es an fleißigen Um&#x017F;ehen danach nicht fehlen. Nachdem wir aber eine<lb/>
gute Strecke weit auf die&#x017F;em Striche fortge&#x017F;eegelt waren, fanden &#x017F;ie &#x017F;ich in ihren<lb/>
Erwartungen &#x017F;chmerzlich betrogen, und jene vermeinte Anzeigen verlohren bey<lb/>
die&#x017F;er Gelegenheit aufs neue etwas von ihrem bisherigen Credit.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
        <note xml:id="note-0125" prev="#note-0124" place="foot" n="*)">Die Kun&#x017F;t der Ko&#x0364;che hat gewiß nie eine be&#x017F;&#x017F;ere Erfindung hervorgebracht. Wir hatten<lb/>
fu&#x0364;r un&#x017F;er Schiff allein 3000 Pfund in blechernen Bu&#x0364;ch&#x017F;en, jede von 25 Pfund, mit-<lb/>
genommen.</note><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0125] Forſter’s Reiſe um die Welt zu danken, die wir in großer Menge an Bord fuͤhrten, und davon ein jeder ſeine gemeſſene Portion bekam. Nur zwey bis drey von unſern Leuten, die eine un- geſunde Anlage hatten, konnten dem Scorbut nicht entgehen; insbeſondere ward ein Zimmermann, Nahmens Georg Jackſon, ſchon am zehenten Tage nach un- ſrer Abreiſe von Cap damit befallen. Das Zahnfleiſch gieng bey ihm in Faͤul- niß uͤber und die Zaͤhne waren ſo los, daß ſie ganz ſeitwaͤrts lagen. Man machte mit einer Marmelade von gelben Ruͤben oder Carotten, die uns gegen den Scor- but vorzuͤglich war empfohlen worden, und davon wir ebenfalls Vorrath hatten, einen Verſuch bey ihm; allein ſie half zu weiter nichts als daß ſie den Leib offen hielt. Unſer Wundarzt, Herr Patton, fieng hierauf die Cur mit friſchem Maiſch oder der gekochten Malz-Infuſion an; und dieſe brachte den Kranken nach und nach, in wenig Wochen vollkommen wieder zurechte; ſeine Zaͤhne wurden wieder feſt, und er bekam gleichſam ganz neues Zahnfleiſch. Da indeſſen die Urſach ſeines Uebels, nemlich eine kraͤnkliche Anlage, nach wie vor blieb, ſo mußte er mit dem Gebrauch der Bierwuͤrze noch nach geendigter Cur fortfahren, und ward auf die Weiſe vor allen ferneren ſcorbutiſchen Zufaͤllen bewahrt. Wir koͤn- nen die Wuͤrkſamkeit des Malzes nicht genug ruͤhmen; und von rechtswegen ſollte ein ſo nuͤtzliches Mittel auf langen See-Reiſen uͤberall in Vorrath mitgenommen wer- den, allein man kann auch nicht ſorgfaͤltig genug ſeyn, es fuͤr dem Naßwerden und dem Schimmel zu bewahren, weil dieſes die Heilkraͤfte deſſelben ſchwaͤcht, wie wir am Ende unſrer Reiſe haben erfahren muͤſſen. 1772. Decem- ber. Das neue Jahr (1773) fieng ſich mit Schnee und friſchen kalten Stuͤr- men an, die uns gegen Weſten zuruͤck und bis nach dem Meridian hintrieben, unter welchen das von Bouvet angeblich entdeckte Cap Circonciſion liegen ſollte. Da ſich in dieſer Gegend abermahls Seehunde und Pinguins zeigten, ſo faßten verſchiedene von unſrer Geſellſchaft neue Hofnung, hier Land zu erblicken, und ließen es an fleißigen Umſehen danach nicht fehlen. Nachdem wir aber eine gute Strecke weit auf dieſem Striche fortgeſeegelt waren, fanden ſie ſich in ihren Erwartungen ſchmerzlich betrogen, und jene vermeinte Anzeigen verlohren bey dieſer Gelegenheit aufs neue etwas von ihrem bisherigen Credit. Da *) *) Die Kunſt der Koͤche hat gewiß nie eine beſſere Erfindung hervorgebracht. Wir hatten fuͤr unſer Schiff allein 3000 Pfund in blechernen Buͤchſen, jede von 25 Pfund, mit- genommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/125
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/125>, abgerufen am 14.05.2024.