Da wir uns nunmehro schon jenseit des Meridians der Bouvetschen1773. Januar. Entdeckung gen Westen hin befanden, und der Wind sich während der Nacht in Nordwesten umsetzte, so richteten auch wir unsern Lauf wieder nach Osten. Bey dieser Gelegenheit kamen wir von neuem an eben die Stelle, wo wir am 31sten December viel Eis gefunden hatten; es war aber jetzt weggetrieben, und wir setzten nun unsern Lauf nach Süd-Osten fort.
Am 9ten des Morgens war eine große Insel von Eis, mit vielen Bruchstücken umgeben, zu sehen, und da wir eben gelindes Wetter hatten, so ward beygelegt und ein Boot ausgesetzt, um von dem losen Eise so viel als mög- lich aufzufischen. Diese Eisschollen wurden hernach auf das Hinterdeck des Schiffs geworfen, daselbst in Stücken zerschlagen und alsdenn in Fässer gepackt. Nach Tische ließen wir etwas davon in Kesseln schmelzen, und auf das übrige in Fässer gepackte Eis ganz warm ausgießen, damit dieses desto eher zergehen möchte. Auf solche Art bekamen wir heute in ofner See, und unter einem un- bewohnten Himmelsstrich, im 61 Grad 36 Minuten südlicher Breite, einen für dreyßig Tage hinreichenden Vorrath an frischen Wasser. In Capitains Cooks gedruckter Beschreibung dieser Reise findet man eine malerische Abbildung von solchen Eis-Inseln, in deren Nachbarschaft das Schiff und die Boote, mit Einsammlung des Eises beschäftiget, zu sehen sind. Zwey Tage nachher ließen sich einige große Wallfische sehen, die dem Augenmaaße nach sechzig Fus lang seyn mochten, und viele Pinguins trieben auf kleinen Eisstücken neben uns vorbey, auch hatten wir wiederum Gelegenheit uns mit Eis zu versehen; und unser Volk that diese saure Arbeit mit frohem Muth, ob ihnen gleich, wegen Kälte und Schärfe des Seewassers, die Hände wund dabey wurden. Das Wasser, welches wir aus dem geschmolznen Eise erhielten, war völlig süß und schmeckte reiner als das vom Cap aus annoch vorräthige. Der einzige Fehler den man ihm schuld geben konnte war dieser, daß es die fixirte Luft im Frieren ver- lohren hatte, daher auch ein jeder von uns, der es zum Getränk brauchte, mit geschwollnen Drüsen am Halse heimgesucht ward. Schnee oder Eiswasser hat indes- sen immer diese Eigenschaft, und eben dies ist die Ursach, warum man unter denen auf Gebürgen wohnenden Völkerschaften, die gemeiniglich kein anderes Trink- wasser haben, als was aus Schnee oder Eis aufthauet, so viel Leute mit großen
Forster's Reise u. d. W. erster Th. L
in den Jahren 1772 bis 1775.
Da wir uns nunmehro ſchon jenſeit des Meridians der Bouvetſchen1773. Januar. Entdeckung gen Weſten hin befanden, und der Wind ſich waͤhrend der Nacht in Nordweſten umſetzte, ſo richteten auch wir unſern Lauf wieder nach Oſten. Bey dieſer Gelegenheit kamen wir von neuem an eben die Stelle, wo wir am 31ſten December viel Eis gefunden hatten; es war aber jetzt weggetrieben, und wir ſetzten nun unſern Lauf nach Suͤd-Oſten fort.
Am 9ten des Morgens war eine große Inſel von Eis, mit vielen Bruchſtuͤcken umgeben, zu ſehen, und da wir eben gelindes Wetter hatten, ſo ward beygelegt und ein Boot ausgeſetzt, um von dem loſen Eiſe ſo viel als moͤg- lich aufzufiſchen. Dieſe Eisſchollen wurden hernach auf das Hinterdeck des Schiffs geworfen, daſelbſt in Stuͤcken zerſchlagen und alsdenn in Faͤſſer gepackt. Nach Tiſche ließen wir etwas davon in Keſſeln ſchmelzen, und auf das uͤbrige in Faͤſſer gepackte Eis ganz warm ausgießen, damit dieſes deſto eher zergehen moͤchte. Auf ſolche Art bekamen wir heute in ofner See, und unter einem un- bewohnten Himmelsſtrich, im 61 Grad 36 Minuten ſuͤdlicher Breite, einen fuͤr dreyßig Tage hinreichenden Vorrath an friſchen Waſſer. In Capitains Cooks gedruckter Beſchreibung dieſer Reiſe findet man eine maleriſche Abbildung von ſolchen Eis-Inſeln, in deren Nachbarſchaft das Schiff und die Boote, mit Einſammlung des Eiſes beſchaͤftiget, zu ſehen ſind. Zwey Tage nachher ließen ſich einige große Wallfiſche ſehen, die dem Augenmaaße nach ſechzig Fus lang ſeyn mochten, und viele Pinguins trieben auf kleinen Eisſtuͤcken neben uns vorbey, auch hatten wir wiederum Gelegenheit uns mit Eis zu verſehen; und unſer Volk that dieſe ſaure Arbeit mit frohem Muth, ob ihnen gleich, wegen Kaͤlte und Schaͤrfe des Seewaſſers, die Haͤnde wund dabey wurden. Das Waſſer, welches wir aus dem geſchmolznen Eiſe erhielten, war voͤllig ſuͤß und ſchmeckte reiner als das vom Cap aus annoch vorraͤthige. Der einzige Fehler den man ihm ſchuld geben konnte war dieſer, daß es die fixirte Luft im Frieren ver- lohren hatte, daher auch ein jeder von uns, der es zum Getraͤnk brauchte, mit geſchwollnen Druͤſen am Halſe heimgeſucht ward. Schnee oder Eiswaſſer hat indeſ- ſen immer dieſe Eigenſchaft, und eben dies iſt die Urſach, warum man unter denen auf Gebuͤrgen wohnenden Voͤlkerſchaften, die gemeiniglich kein anderes Trink- waſſer haben, als was aus Schnee oder Eis aufthauet, ſo viel Leute mit großen
Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. L
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Da wir uns nunmehro ſchon jenſeit des Meridians der Bouvetſchen
Entdeckung gen Weſten hin befanden, und der Wind ſich waͤhrend der Nacht
in Nordweſten umſetzte, ſo richteten auch wir unſern Lauf wieder nach Oſten.
Bey dieſer Gelegenheit kamen wir von neuem an eben die Stelle, wo wir am
31ſten December viel Eis gefunden hatten; es war aber jetzt weggetrieben, und
wir ſetzten nun unſern Lauf nach Suͤd-Oſten fort.
1773.
Januar.
Am 9ten des Morgens war eine große Inſel von Eis, mit vielen
Bruchſtuͤcken umgeben, zu ſehen, und da wir eben gelindes Wetter hatten, ſo
ward beygelegt und ein Boot ausgeſetzt, um von dem loſen Eiſe ſo viel als moͤg-
lich aufzufiſchen. Dieſe Eisſchollen wurden hernach auf das Hinterdeck des
Schiffs geworfen, daſelbſt in Stuͤcken zerſchlagen und alsdenn in Faͤſſer gepackt.
Nach Tiſche ließen wir etwas davon in Keſſeln ſchmelzen, und auf das uͤbrige
in Faͤſſer gepackte Eis ganz warm ausgießen, damit dieſes deſto eher zergehen
moͤchte. Auf ſolche Art bekamen wir heute in ofner See, und unter einem un-
bewohnten Himmelsſtrich, im 61 Grad 36 Minuten ſuͤdlicher Breite, einen fuͤr
dreyßig Tage hinreichenden Vorrath an friſchen Waſſer. In Capitains Cooks
gedruckter Beſchreibung dieſer Reiſe findet man eine maleriſche Abbildung von
ſolchen Eis-Inſeln, in deren Nachbarſchaft das Schiff und die Boote, mit
Einſammlung des Eiſes beſchaͤftiget, zu ſehen ſind. Zwey Tage nachher ließen
ſich einige große Wallfiſche ſehen, die dem Augenmaaße nach ſechzig Fus
lang ſeyn mochten, und viele Pinguins trieben auf kleinen Eisſtuͤcken neben uns
vorbey, auch hatten wir wiederum Gelegenheit uns mit Eis zu verſehen; und
unſer Volk that dieſe ſaure Arbeit mit frohem Muth, ob ihnen gleich, wegen
Kaͤlte und Schaͤrfe des Seewaſſers, die Haͤnde wund dabey wurden. Das
Waſſer, welches wir aus dem geſchmolznen Eiſe erhielten, war voͤllig ſuͤß und
ſchmeckte reiner als das vom Cap aus annoch vorraͤthige. Der einzige Fehler
den man ihm ſchuld geben konnte war dieſer, daß es die fixirte Luft im Frieren ver-
lohren hatte, daher auch ein jeder von uns, der es zum Getraͤnk brauchte, mit
geſchwollnen Druͤſen am Halſe heimgeſucht ward. Schnee oder Eiswaſſer hat indeſ-
ſen immer dieſe Eigenſchaft, und eben dies iſt die Urſach, warum man unter denen
auf Gebuͤrgen wohnenden Voͤlkerſchaften, die gemeiniglich kein anderes Trink-
waſſer haben, als was aus Schnee oder Eis aufthauet, ſo viel Leute mit großen
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/126>, abgerufen am 25.11.2024.
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