Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
in den Jahren 1772 bis 1775.

Da wir uns nunmehro schon jenseit des Meridians der Bouvetschen1773.
Januar.

Entdeckung gen Westen hin befanden, und der Wind sich während der Nacht
in Nordwesten umsetzte, so richteten auch wir unsern Lauf wieder nach Osten.
Bey dieser Gelegenheit kamen wir von neuem an eben die Stelle, wo wir am
31sten December viel Eis gefunden hatten; es war aber jetzt weggetrieben, und
wir setzten nun unsern Lauf nach Süd-Osten fort.

Am 9ten des Morgens war eine große Insel von Eis, mit vielen
Bruchstücken umgeben, zu sehen, und da wir eben gelindes Wetter hatten, so
ward beygelegt und ein Boot ausgesetzt, um von dem losen Eise so viel als mög-
lich aufzufischen. Diese Eisschollen wurden hernach auf das Hinterdeck des
Schiffs geworfen, daselbst in Stücken zerschlagen und alsdenn in Fässer gepackt.
Nach Tische ließen wir etwas davon in Kesseln schmelzen, und auf das übrige
in Fässer gepackte Eis ganz warm ausgießen, damit dieses desto eher zergehen
möchte. Auf solche Art bekamen wir heute in ofner See, und unter einem un-
bewohnten Himmelsstrich, im 61 Grad 36 Minuten südlicher Breite, einen für
dreyßig Tage hinreichenden Vorrath an frischen Wasser. In Capitains Cooks
gedruckter Beschreibung dieser Reise findet man eine malerische Abbildung von
solchen Eis-Inseln, in deren Nachbarschaft das Schiff und die Boote, mit
Einsammlung des Eises beschäftiget, zu sehen sind. Zwey Tage nachher ließen
sich einige große Wallfische sehen, die dem Augenmaaße nach sechzig Fus
lang seyn mochten, und viele Pinguins trieben auf kleinen Eisstücken neben uns
vorbey, auch hatten wir wiederum Gelegenheit uns mit Eis zu versehen; und
unser Volk that diese saure Arbeit mit frohem Muth, ob ihnen gleich, wegen
Kälte und Schärfe des Seewassers, die Hände wund dabey wurden. Das
Wasser, welches wir aus dem geschmolznen Eise erhielten, war völlig süß und
schmeckte reiner als das vom Cap aus annoch vorräthige. Der einzige Fehler
den man ihm schuld geben konnte war dieser, daß es die fixirte Luft im Frieren ver-
lohren hatte, daher auch ein jeder von uns, der es zum Getränk brauchte, mit
geschwollnen Drüsen am Halse heimgesucht ward. Schnee oder Eiswasser hat indes-
sen immer diese Eigenschaft, und eben dies ist die Ursach, warum man unter denen
auf Gebürgen wohnenden Völkerschaften, die gemeiniglich kein anderes Trink-
wasser haben, als was aus Schnee oder Eis aufthauet, so viel Leute mit großen

Forster's Reise u. d. W. erster Th. L
in den Jahren 1772 bis 1775.

Da wir uns nunmehro ſchon jenſeit des Meridians der Bouvetſchen1773.
Januar.

Entdeckung gen Weſten hin befanden, und der Wind ſich waͤhrend der Nacht
in Nordweſten umſetzte, ſo richteten auch wir unſern Lauf wieder nach Oſten.
Bey dieſer Gelegenheit kamen wir von neuem an eben die Stelle, wo wir am
31ſten December viel Eis gefunden hatten; es war aber jetzt weggetrieben, und
wir ſetzten nun unſern Lauf nach Suͤd-Oſten fort.

Am 9ten des Morgens war eine große Inſel von Eis, mit vielen
Bruchſtuͤcken umgeben, zu ſehen, und da wir eben gelindes Wetter hatten, ſo
ward beygelegt und ein Boot ausgeſetzt, um von dem loſen Eiſe ſo viel als moͤg-
lich aufzufiſchen. Dieſe Eisſchollen wurden hernach auf das Hinterdeck des
Schiffs geworfen, daſelbſt in Stuͤcken zerſchlagen und alsdenn in Faͤſſer gepackt.
Nach Tiſche ließen wir etwas davon in Keſſeln ſchmelzen, und auf das uͤbrige
in Faͤſſer gepackte Eis ganz warm ausgießen, damit dieſes deſto eher zergehen
moͤchte. Auf ſolche Art bekamen wir heute in ofner See, und unter einem un-
bewohnten Himmelsſtrich, im 61 Grad 36 Minuten ſuͤdlicher Breite, einen fuͤr
dreyßig Tage hinreichenden Vorrath an friſchen Waſſer. In Capitains Cooks
gedruckter Beſchreibung dieſer Reiſe findet man eine maleriſche Abbildung von
ſolchen Eis-Inſeln, in deren Nachbarſchaft das Schiff und die Boote, mit
Einſammlung des Eiſes beſchaͤftiget, zu ſehen ſind. Zwey Tage nachher ließen
ſich einige große Wallfiſche ſehen, die dem Augenmaaße nach ſechzig Fus
lang ſeyn mochten, und viele Pinguins trieben auf kleinen Eisſtuͤcken neben uns
vorbey, auch hatten wir wiederum Gelegenheit uns mit Eis zu verſehen; und
unſer Volk that dieſe ſaure Arbeit mit frohem Muth, ob ihnen gleich, wegen
Kaͤlte und Schaͤrfe des Seewaſſers, die Haͤnde wund dabey wurden. Das
Waſſer, welches wir aus dem geſchmolznen Eiſe erhielten, war voͤllig ſuͤß und
ſchmeckte reiner als das vom Cap aus annoch vorraͤthige. Der einzige Fehler
den man ihm ſchuld geben konnte war dieſer, daß es die fixirte Luft im Frieren ver-
lohren hatte, daher auch ein jeder von uns, der es zum Getraͤnk brauchte, mit
geſchwollnen Druͤſen am Halſe heimgeſucht ward. Schnee oder Eiswaſſer hat indeſ-
ſen immer dieſe Eigenſchaft, und eben dies iſt die Urſach, warum man unter denen
auf Gebuͤrgen wohnenden Voͤlkerſchaften, die gemeiniglich kein anderes Trink-
waſſer haben, als was aus Schnee oder Eis aufthauet, ſo viel Leute mit großen

Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0126" n="81"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi> </fw><lb/>
        <p>Da wir uns nunmehro &#x017F;chon jen&#x017F;eit des Meridians der Bouvet&#x017F;chen<note place="right">1773.<lb/>
Januar.</note><lb/>
Entdeckung gen We&#x017F;ten hin befanden, und der Wind &#x017F;ich wa&#x0364;hrend der Nacht<lb/>
in Nordwe&#x017F;ten um&#x017F;etzte, &#x017F;o richteten auch wir un&#x017F;ern Lauf wieder nach O&#x017F;ten.<lb/>
Bey die&#x017F;er Gelegenheit kamen wir von neuem an eben die Stelle, wo wir am<lb/>
31&#x017F;ten December viel Eis gefunden hatten; es war aber jetzt weggetrieben, und<lb/>
wir &#x017F;etzten nun un&#x017F;ern Lauf nach Su&#x0364;d-O&#x017F;ten fort.</p><lb/>
        <p>Am 9ten des Morgens war eine große In&#x017F;el von Eis, mit vielen<lb/>
Bruch&#x017F;tu&#x0364;cken umgeben, zu &#x017F;ehen, und da wir eben gelindes Wetter hatten, &#x017F;o<lb/>
ward beygelegt und ein Boot ausge&#x017F;etzt, um von dem lo&#x017F;en Ei&#x017F;e &#x017F;o viel als mo&#x0364;g-<lb/>
lich aufzufi&#x017F;chen. Die&#x017F;e Eis&#x017F;chollen wurden hernach auf das Hinterdeck des<lb/>
Schiffs geworfen, da&#x017F;elb&#x017F;t in Stu&#x0364;cken zer&#x017F;chlagen und alsdenn in Fa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er gepackt.<lb/>
Nach Ti&#x017F;che ließen wir etwas davon in Ke&#x017F;&#x017F;eln &#x017F;chmelzen, und auf das u&#x0364;brige<lb/>
in Fa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er gepackte Eis ganz warm ausgießen, damit die&#x017F;es de&#x017F;to eher zergehen<lb/>
mo&#x0364;chte. Auf &#x017F;olche Art bekamen wir heute in ofner See, und unter einem un-<lb/>
bewohnten Himmels&#x017F;trich, im 61 Grad 36 Minuten &#x017F;u&#x0364;dlicher Breite, einen fu&#x0364;r<lb/>
dreyßig Tage hinreichenden Vorrath an fri&#x017F;chen Wa&#x017F;&#x017F;er. In Capitains <hi rendition="#fr"><persName>Cooks</persName></hi><lb/>
gedruckter Be&#x017F;chreibung die&#x017F;er Rei&#x017F;e findet man eine maleri&#x017F;che Abbildung von<lb/>
&#x017F;olchen Eis-In&#x017F;eln, in deren Nachbar&#x017F;chaft das Schiff und die Boote, mit<lb/>
Ein&#x017F;ammlung des Ei&#x017F;es be&#x017F;cha&#x0364;ftiget, zu &#x017F;ehen &#x017F;ind. Zwey Tage nachher ließen<lb/>
&#x017F;ich einige große Wallfi&#x017F;che &#x017F;ehen, die dem Augenmaaße nach &#x017F;echzig Fus<lb/>
lang &#x017F;eyn mochten, und viele Pinguins trieben auf kleinen Eis&#x017F;tu&#x0364;cken neben uns<lb/>
vorbey, auch hatten wir wiederum Gelegenheit uns mit Eis zu ver&#x017F;ehen; und<lb/>
un&#x017F;er Volk that die&#x017F;e &#x017F;aure Arbeit mit frohem Muth, ob ihnen gleich, wegen<lb/>
Ka&#x0364;lte und Scha&#x0364;rfe des Seewa&#x017F;&#x017F;ers, die Ha&#x0364;nde wund dabey wurden. Das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, welches wir aus dem ge&#x017F;chmolznen Ei&#x017F;e erhielten, war vo&#x0364;llig &#x017F;u&#x0364;ß und<lb/>
&#x017F;chmeckte reiner als das vom <placeName>Cap</placeName> aus annoch vorra&#x0364;thige. Der einzige Fehler<lb/>
den man ihm &#x017F;chuld geben konnte war die&#x017F;er, daß es die fixirte Luft im Frieren ver-<lb/>
lohren hatte, daher auch ein jeder von uns, der es zum Getra&#x0364;nk brauchte, mit<lb/>
ge&#x017F;chwollnen Dru&#x0364;&#x017F;en am Hal&#x017F;e heimge&#x017F;ucht ward. Schnee oder Eiswa&#x017F;&#x017F;er hat inde&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en immer die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaft, und eben dies i&#x017F;t die Ur&#x017F;ach, warum man unter denen<lb/>
auf Gebu&#x0364;rgen wohnenden Vo&#x0364;lker&#x017F;chaften, die gemeiniglich kein anderes Trink-<lb/>
wa&#x017F;&#x017F;er haben, als was aus Schnee oder Eis aufthauet, &#x017F;o viel Leute mit großen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e u. d. W. er&#x017F;ter Th.</hi> L</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0126] in den Jahren 1772 bis 1775. Da wir uns nunmehro ſchon jenſeit des Meridians der Bouvetſchen Entdeckung gen Weſten hin befanden, und der Wind ſich waͤhrend der Nacht in Nordweſten umſetzte, ſo richteten auch wir unſern Lauf wieder nach Oſten. Bey dieſer Gelegenheit kamen wir von neuem an eben die Stelle, wo wir am 31ſten December viel Eis gefunden hatten; es war aber jetzt weggetrieben, und wir ſetzten nun unſern Lauf nach Suͤd-Oſten fort. 1773. Januar. Am 9ten des Morgens war eine große Inſel von Eis, mit vielen Bruchſtuͤcken umgeben, zu ſehen, und da wir eben gelindes Wetter hatten, ſo ward beygelegt und ein Boot ausgeſetzt, um von dem loſen Eiſe ſo viel als moͤg- lich aufzufiſchen. Dieſe Eisſchollen wurden hernach auf das Hinterdeck des Schiffs geworfen, daſelbſt in Stuͤcken zerſchlagen und alsdenn in Faͤſſer gepackt. Nach Tiſche ließen wir etwas davon in Keſſeln ſchmelzen, und auf das uͤbrige in Faͤſſer gepackte Eis ganz warm ausgießen, damit dieſes deſto eher zergehen moͤchte. Auf ſolche Art bekamen wir heute in ofner See, und unter einem un- bewohnten Himmelsſtrich, im 61 Grad 36 Minuten ſuͤdlicher Breite, einen fuͤr dreyßig Tage hinreichenden Vorrath an friſchen Waſſer. In Capitains Cooks gedruckter Beſchreibung dieſer Reiſe findet man eine maleriſche Abbildung von ſolchen Eis-Inſeln, in deren Nachbarſchaft das Schiff und die Boote, mit Einſammlung des Eiſes beſchaͤftiget, zu ſehen ſind. Zwey Tage nachher ließen ſich einige große Wallfiſche ſehen, die dem Augenmaaße nach ſechzig Fus lang ſeyn mochten, und viele Pinguins trieben auf kleinen Eisſtuͤcken neben uns vorbey, auch hatten wir wiederum Gelegenheit uns mit Eis zu verſehen; und unſer Volk that dieſe ſaure Arbeit mit frohem Muth, ob ihnen gleich, wegen Kaͤlte und Schaͤrfe des Seewaſſers, die Haͤnde wund dabey wurden. Das Waſſer, welches wir aus dem geſchmolznen Eiſe erhielten, war voͤllig ſuͤß und ſchmeckte reiner als das vom Cap aus annoch vorraͤthige. Der einzige Fehler den man ihm ſchuld geben konnte war dieſer, daß es die fixirte Luft im Frieren ver- lohren hatte, daher auch ein jeder von uns, der es zum Getraͤnk brauchte, mit geſchwollnen Druͤſen am Halſe heimgeſucht ward. Schnee oder Eiswaſſer hat indeſ- ſen immer dieſe Eigenſchaft, und eben dies iſt die Urſach, warum man unter denen auf Gebuͤrgen wohnenden Voͤlkerſchaften, die gemeiniglich kein anderes Trink- waſſer haben, als was aus Schnee oder Eis aufthauet, ſo viel Leute mit großen Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/126
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/126>, abgerufen am 14.05.2024.