Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Forster's Reise um die Welt

1773.
April.

Unsre ganze Reisegesellschaft vom Capitain bis zum geringsten Matrosen
empfand die guten Würkungen dieser veränderten und verbesserten Diät; so
gar jedes Thier am Boord schien sich dabey zu erholen, nur unsre Schaafe nicht;
doch konnten diese auch, vermöge der Natur des Landes, bey weitem nicht so gut
dran seyn als wir, weil das ganze südliche Ende von Tamai-poe-namu, (wie
die südliche Insel von Neu-Seeland, in der Landessprache heißt,) und besonders
das Land um Dusky-Bay herum, überall aus steilen, felsichten Bergen besteht,
die durch tiefe Klüfte von einander abgesondert und unterhalb mit dicken Wäldern
bewachsen, an den Gipfeln aber entweder unfruchtbar oder mit Schnee bedeckt
sind, dergestalt, daß es nirgends, weder Wiesen, noch flache Gründe giebt. Die
einzigen Stellen, wo ein Fleck flaches Land anzutreffen war, fanden sich im Hinter-
grunde der Buchten, da, wo irgend ein Bach ins Meer floß. Dergleichen Bäche hat-
ten allem Anscheine nach Erde und Steine aus den Höhen herabgeführt und solche an
ihren Ufern abgesetzt, wodurch nach und nach ein niedriger, flacher Grund entstan-
den war; allein auch dort wuchsen mehrentheils Stauden und Dornengebüsch, oder
wenn es ja nahe am Wasser etwas Riedgras gab, so war es doch zu wenig, auch
so hart und grob, daß es nicht zur Weide dienen konnte. Was das ärgste war,
so mußten wir sehen, daß selbst unsre Mühe, die jüngsten Grassprossen zum
Futter aufzusuchen, zu nichts diente, denn auch dieses wollten die Schaafe, zu je-
dermanns Verwundrung, nicht anrühren. Bey genauerer Untersuchung fand
sich, daß ihre Zähne los waren, und daß sie alle Anzeigen eines recht bösar-
tigen Scorbuts an sich hatten. Von vier Mutter-Schaafen und zweyen Bö-
cken, die Capitain Cook vom Vorgebürge der guten Hofnung mitgenommen,
um sie an der Küste von Neu-Seeland auszusetzen, hatten wir nur zwey Stücke,
nemlich ein Schaaf und einen Widder erhalten können, und auch diese waren in
so elenden Umständen, daß es noch sehr dahin stand, ob sie am Leben bleiben oder
gleich den andern ebenfalls drauf gehen würden. Wenn daher in der Folge
irgend ein Seefahrer, so schätzbare Geschenke als Vieh, unter die Einwohner
der Süd-See auszutheilen willens ist, so wird er diese wohlthätige Absicht nicht
anders erreichen und das Vieh gesund dahin bringen können, als wenn er die
Ueberfahrt auf das geschwindeste zurückzulegen und der Kälte auszuweichen sucht,
zu welchem Ende er in der besten Jahreszeit den kürzesten Weg vom Cap nach

Forſter’s Reiſe um die Welt

1773.
April.

Unſre ganze Reiſegeſellſchaft vom Capitain bis zum geringſten Matroſen
empfand die guten Wuͤrkungen dieſer veraͤnderten und verbeſſerten Diaͤt; ſo
gar jedes Thier am Boord ſchien ſich dabey zu erholen, nur unſre Schaafe nicht;
doch konnten dieſe auch, vermoͤge der Natur des Landes, bey weitem nicht ſo gut
dran ſeyn als wir, weil das ganze ſuͤdliche Ende von Tamai-poe-namu, (wie
die ſuͤdliche Inſel von Neu-Seeland, in der Landesſprache heißt,) und beſonders
das Land um Dusky-Bay herum, uͤberall aus ſteilen, felſichten Bergen beſteht,
die durch tiefe Kluͤfte von einander abgeſondert und unterhalb mit dicken Waͤldern
bewachſen, an den Gipfeln aber entweder unfruchtbar oder mit Schnee bedeckt
ſind, dergeſtalt, daß es nirgends, weder Wieſen, noch flache Gruͤnde giebt. Die
einzigen Stellen, wo ein Fleck flaches Land anzutreffen war, fanden ſich im Hinter-
grunde der Buchten, da, wo irgend ein Bach ins Meer floß. Dergleichen Baͤche hat-
ten allem Anſcheine nach Erde und Steine aus den Hoͤhen herabgefuͤhrt und ſolche an
ihren Ufern abgeſetzt, wodurch nach und nach ein niedriger, flacher Grund entſtan-
den war; allein auch dort wuchſen mehrentheils Stauden und Dornengebuͤſch, oder
wenn es ja nahe am Waſſer etwas Riedgras gab, ſo war es doch zu wenig, auch
ſo hart und grob, daß es nicht zur Weide dienen konnte. Was das aͤrgſte war,
ſo mußten wir ſehen, daß ſelbſt unſre Muͤhe, die juͤngſten Grasſproſſen zum
Futter aufzuſuchen, zu nichts diente, denn auch dieſes wollten die Schaafe, zu je-
dermanns Verwundrung, nicht anruͤhren. Bey genauerer Unterſuchung fand
ſich, daß ihre Zaͤhne los waren, und daß ſie alle Anzeigen eines recht boͤsar-
tigen Scorbuts an ſich hatten. Von vier Mutter-Schaafen und zweyen Boͤ-
cken, die Capitain Cook vom Vorgebuͤrge der guten Hofnung mitgenommen,
um ſie an der Kuͤſte von Neu-Seeland auszuſetzen, hatten wir nur zwey Stuͤcke,
nemlich ein Schaaf und einen Widder erhalten koͤnnen, und auch dieſe waren in
ſo elenden Umſtaͤnden, daß es noch ſehr dahin ſtand, ob ſie am Leben bleiben oder
gleich den andern ebenfalls drauf gehen wuͤrden. Wenn daher in der Folge
irgend ein Seefahrer, ſo ſchaͤtzbare Geſchenke als Vieh, unter die Einwohner
der Suͤd-See auszutheilen willens iſt, ſo wird er dieſe wohlthaͤtige Abſicht nicht
anders erreichen und das Vieh geſund dahin bringen koͤnnen, als wenn er die
Ueberfahrt auf das geſchwindeſte zuruͤckzulegen und der Kaͤlte auszuweichen ſucht,
zu welchem Ende er in der beſten Jahreszeit den kuͤrzeſten Weg vom Cap nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0161" n="110"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi> </fw><lb/>
        <note place="left">1773.<lb/>
April.</note>
        <p>Un&#x017F;re ganze Rei&#x017F;ege&#x017F;ell&#x017F;chaft vom Capitain bis zum gering&#x017F;ten Matro&#x017F;en<lb/>
empfand die guten Wu&#x0364;rkungen die&#x017F;er vera&#x0364;nderten und verbe&#x017F;&#x017F;erten Dia&#x0364;t; &#x017F;o<lb/>
gar jedes Thier am Boord &#x017F;chien &#x017F;ich dabey zu erholen, nur un&#x017F;re Schaafe nicht;<lb/>
doch konnten die&#x017F;e auch, vermo&#x0364;ge der Natur des Landes, bey weitem nicht &#x017F;o gut<lb/>
dran &#x017F;eyn als wir, weil das ganze &#x017F;u&#x0364;dliche Ende von <hi rendition="#fr"><placeName>Tamai-poe-namu</placeName>,</hi> (wie<lb/>
die &#x017F;u&#x0364;dliche In&#x017F;el von <placeName>Neu-Seeland</placeName>, in der Landes&#x017F;prache heißt,) und be&#x017F;onders<lb/>
das Land um <hi rendition="#fr"><placeName>Dusky-Bay</placeName></hi> herum, u&#x0364;berall aus &#x017F;teilen, fel&#x017F;ichten Bergen be&#x017F;teht,<lb/>
die durch tiefe Klu&#x0364;fte von einander abge&#x017F;ondert und unterhalb mit dicken Wa&#x0364;ldern<lb/>
bewach&#x017F;en, an den Gipfeln aber entweder unfruchtbar oder mit Schnee bedeckt<lb/>
&#x017F;ind, derge&#x017F;talt, daß es nirgends, weder Wie&#x017F;en, noch flache Gru&#x0364;nde giebt. Die<lb/>
einzigen Stellen, wo ein Fleck flaches Land anzutreffen war, fanden &#x017F;ich im Hinter-<lb/>
grunde der Buchten, da, wo irgend ein Bach ins Meer floß. Dergleichen Ba&#x0364;che hat-<lb/>
ten allem An&#x017F;cheine nach Erde und Steine aus den Ho&#x0364;hen herabgefu&#x0364;hrt und &#x017F;olche an<lb/>
ihren Ufern abge&#x017F;etzt, wodurch nach und nach ein niedriger, flacher Grund ent&#x017F;tan-<lb/>
den war; allein auch dort wuch&#x017F;en mehrentheils Stauden und Dornengebu&#x0364;&#x017F;ch, oder<lb/>
wenn es ja nahe am Wa&#x017F;&#x017F;er etwas Riedgras gab, &#x017F;o war es doch zu wenig, auch<lb/>
&#x017F;o hart und grob, daß es nicht zur Weide dienen konnte. Was das a&#x0364;rg&#x017F;te war,<lb/>
&#x017F;o mußten wir &#x017F;ehen, daß &#x017F;elb&#x017F;t un&#x017F;re Mu&#x0364;he, die ju&#x0364;ng&#x017F;ten Gras&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en zum<lb/>
Futter aufzu&#x017F;uchen, zu nichts diente, denn auch die&#x017F;es wollten die Schaafe, zu je-<lb/>
dermanns Verwundrung, nicht anru&#x0364;hren. Bey <choice><sic>genanerer</sic><corr>genauerer</corr></choice> Unter&#x017F;uchung fand<lb/>
&#x017F;ich, daß ihre Za&#x0364;hne los waren, und daß &#x017F;ie alle Anzeigen eines recht bo&#x0364;sar-<lb/>
tigen Scorbuts an &#x017F;ich hatten. Von vier Mutter-Schaafen und zweyen Bo&#x0364;-<lb/>
cken, die Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> vom <placeName>Vorgebu&#x0364;rge der guten Hofnung</placeName> mitgenommen,<lb/>
um &#x017F;ie an der Ku&#x0364;&#x017F;te von <placeName><hi rendition="#fr">Neu</hi>-Seeland</placeName> auszu&#x017F;etzen, hatten wir nur zwey Stu&#x0364;cke,<lb/>
nemlich ein Schaaf und einen Widder erhalten ko&#x0364;nnen, und auch die&#x017F;e waren in<lb/>
&#x017F;o elenden Um&#x017F;ta&#x0364;nden, daß es noch &#x017F;ehr dahin &#x017F;tand, ob &#x017F;ie am Leben bleiben oder<lb/>
gleich den andern ebenfalls drauf gehen wu&#x0364;rden. Wenn daher in der Folge<lb/>
irgend ein Seefahrer, &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;tzbare Ge&#x017F;chenke als Vieh, unter die Einwohner<lb/>
der <placeName>Su&#x0364;d-See</placeName> auszutheilen willens i&#x017F;t, &#x017F;o wird er die&#x017F;e wohltha&#x0364;tige Ab&#x017F;icht nicht<lb/>
anders erreichen und das Vieh ge&#x017F;und dahin bringen ko&#x0364;nnen, als wenn er die<lb/>
Ueberfahrt auf das ge&#x017F;chwinde&#x017F;te zuru&#x0364;ckzulegen und der Ka&#x0364;lte auszuweichen &#x017F;ucht,<lb/>
zu welchem Ende er in der be&#x017F;ten Jahreszeit den ku&#x0364;rze&#x017F;ten Weg vom <placeName>Cap</placeName> nach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0161] Forſter’s Reiſe um die Welt Unſre ganze Reiſegeſellſchaft vom Capitain bis zum geringſten Matroſen empfand die guten Wuͤrkungen dieſer veraͤnderten und verbeſſerten Diaͤt; ſo gar jedes Thier am Boord ſchien ſich dabey zu erholen, nur unſre Schaafe nicht; doch konnten dieſe auch, vermoͤge der Natur des Landes, bey weitem nicht ſo gut dran ſeyn als wir, weil das ganze ſuͤdliche Ende von Tamai-poe-namu, (wie die ſuͤdliche Inſel von Neu-Seeland, in der Landesſprache heißt,) und beſonders das Land um Dusky-Bay herum, uͤberall aus ſteilen, felſichten Bergen beſteht, die durch tiefe Kluͤfte von einander abgeſondert und unterhalb mit dicken Waͤldern bewachſen, an den Gipfeln aber entweder unfruchtbar oder mit Schnee bedeckt ſind, dergeſtalt, daß es nirgends, weder Wieſen, noch flache Gruͤnde giebt. Die einzigen Stellen, wo ein Fleck flaches Land anzutreffen war, fanden ſich im Hinter- grunde der Buchten, da, wo irgend ein Bach ins Meer floß. Dergleichen Baͤche hat- ten allem Anſcheine nach Erde und Steine aus den Hoͤhen herabgefuͤhrt und ſolche an ihren Ufern abgeſetzt, wodurch nach und nach ein niedriger, flacher Grund entſtan- den war; allein auch dort wuchſen mehrentheils Stauden und Dornengebuͤſch, oder wenn es ja nahe am Waſſer etwas Riedgras gab, ſo war es doch zu wenig, auch ſo hart und grob, daß es nicht zur Weide dienen konnte. Was das aͤrgſte war, ſo mußten wir ſehen, daß ſelbſt unſre Muͤhe, die juͤngſten Grasſproſſen zum Futter aufzuſuchen, zu nichts diente, denn auch dieſes wollten die Schaafe, zu je- dermanns Verwundrung, nicht anruͤhren. Bey genauerer Unterſuchung fand ſich, daß ihre Zaͤhne los waren, und daß ſie alle Anzeigen eines recht boͤsar- tigen Scorbuts an ſich hatten. Von vier Mutter-Schaafen und zweyen Boͤ- cken, die Capitain Cook vom Vorgebuͤrge der guten Hofnung mitgenommen, um ſie an der Kuͤſte von Neu-Seeland auszuſetzen, hatten wir nur zwey Stuͤcke, nemlich ein Schaaf und einen Widder erhalten koͤnnen, und auch dieſe waren in ſo elenden Umſtaͤnden, daß es noch ſehr dahin ſtand, ob ſie am Leben bleiben oder gleich den andern ebenfalls drauf gehen wuͤrden. Wenn daher in der Folge irgend ein Seefahrer, ſo ſchaͤtzbare Geſchenke als Vieh, unter die Einwohner der Suͤd-See auszutheilen willens iſt, ſo wird er dieſe wohlthaͤtige Abſicht nicht anders erreichen und das Vieh geſund dahin bringen koͤnnen, als wenn er die Ueberfahrt auf das geſchwindeſte zuruͤckzulegen und der Kaͤlte auszuweichen ſucht, zu welchem Ende er in der beſten Jahreszeit den kuͤrzeſten Weg vom Cap nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/161
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/161>, abgerufen am 21.11.2024.