Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1773.
April.
Schiffe wiederum zuzueilen. Kaum waren wir vom Lande, als die beyden
Wilden die von jener Seite her durch den Wald gegangen seyn mußten, hier auf
einem freyen Platze hervorkamen, und uns zuriefen. Der Capitain ließ sogleich
beyde Boote zu ihnen hinrudern, und da das seinige an einer seichten Stelle auf
den Grund sitzen blieb, so stieg er unbewaffnet, einen Bogen weiß Papier in
der Hand haltend, aus, und wadete in Begleitung zweyer Leute bis ans Land.
Die Wilden standen ohngefähr hundert Schritt weit vom Ufer, und waren
beyde mit Speeren bewaffnet. Als der Capitain mit seinen beyden Leuten
auf sie zu kam, wichen sie zurück. Da dies vermuthlich der größern Anzahl
wegen geschahe, so ließ er seine Begleitung Halte machen, und gieng allein
vorwärts, konnte es aber dennoch nicht dahin bringen, daß die Wilden ihre
Speere von sich legten. Endlich faßte der eine Herz, steckte seine Lanze in die
Erde, und kam dem Capitain mit etwas Gras in der Hand entgegen; ein
Ende davon ließ er den Capitain anfassen, das andre behielt er in den Händen,
und hielt in dieser Stellung mit lauter Stimme eine feyerliche Anrede, die ohn-
gefähr zwey Minuten dauren mochte, und in welcher er einige mahl inne hielt,
wahrscheinlicherweise um eine Antwort zu erwarten. Nach Endigung dieser
Ceremonie begrüßten sie sich, und der Neu-Seeländer nahm einen neuen
Mantel von seinen Schultern, womit er dem Capitain ein Geschenk machte, und
ein Beil dagegen bekam. Als solchergestalt Friede und Freundschaft aufgerichtet
waren, wagte sich auch der zweyte Wilde heran und begrüßte den Capitain, von
welchem er, gleich seinem Cameraden mit einem Beil beschenket ward. Nun-
mehro
stiegen aus unsern Booten mehrere ans Land, doch waren die Eingebohr-
nen über den Anwachs unserer Anzahl nicht im mindesten beunruhigt, sondern
begrüßten Jeden, der herbey kam, mit vieler Treuherzigkeit. Zwar ließen
sich itzt auch von ihrer Seite im Hintergrunde des Waldes noch mehrere sehen,
dem Anschein nach waren es jedoch nur Weiber. Die beyden Männer baten uns
hierauf durch wiederholte Zeichen, daß wir mit zu ihren Wohnungen gehen mögten,
und gaben uns zu verstehen, daß wir daselbst zu Essen haben sollten; allein die
Ebbe und andre Umstände erlaubten uns nicht von ihrer Einladung Gebrauch
zu machen. Wir schieden daher von einander, und sie begleiteten uns bis an
die Boote; als sie aber, queer über dieselben, unsre Flinten liegen sahen, getraue-

ten

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
April.
Schiffe wiederum zuzueilen. Kaum waren wir vom Lande, als die beyden
Wilden die von jener Seite her durch den Wald gegangen ſeyn mußten, hier auf
einem freyen Platze hervorkamen, und uns zuriefen. Der Capitain ließ ſogleich
beyde Boote zu ihnen hinrudern, und da das ſeinige an einer ſeichten Stelle auf
den Grund ſitzen blieb, ſo ſtieg er unbewaffnet, einen Bogen weiß Papier in
der Hand haltend, aus, und wadete in Begleitung zweyer Leute bis ans Land.
Die Wilden ſtanden ohngefaͤhr hundert Schritt weit vom Ufer, und waren
beyde mit Speeren bewaffnet. Als der Capitain mit ſeinen beyden Leuten
auf ſie zu kam, wichen ſie zuruͤck. Da dies vermuthlich der groͤßern Anzahl
wegen geſchahe, ſo ließ er ſeine Begleitung Halte machen, und gieng allein
vorwaͤrts, konnte es aber dennoch nicht dahin bringen, daß die Wilden ihre
Speere von ſich legten. Endlich faßte der eine Herz, ſteckte ſeine Lanze in die
Erde, und kam dem Capitain mit etwas Gras in der Hand entgegen; ein
Ende davon ließ er den Capitain anfaſſen, das andre behielt er in den Haͤnden,
und hielt in dieſer Stellung mit lauter Stimme eine feyerliche Anrede, die ohn-
gefaͤhr zwey Minuten dauren mochte, und in welcher er einige mahl inne hielt,
wahrſcheinlicherweiſe um eine Antwort zu erwarten. Nach Endigung dieſer
Ceremonie begruͤßten ſie ſich, und der Neu-Seelaͤnder nahm einen neuen
Mantel von ſeinen Schultern, womit er dem Capitain ein Geſchenk machte, und
ein Beil dagegen bekam. Als ſolchergeſtalt Friede und Freundſchaft aufgerichtet
waren, wagte ſich auch der zweyte Wilde heran und begruͤßte den Capitain, von
welchem er, gleich ſeinem Cameraden mit einem Beil beſchenket ward. Nun-
mehro
ſtiegen aus unſern Booten mehrere ans Land, doch waren die Eingebohr-
nen uͤber den Anwachs unſerer Anzahl nicht im mindeſten beunruhigt, ſondern
begruͤßten Jeden, der herbey kam, mit vieler Treuherzigkeit. Zwar ließen
ſich itzt auch von ihrer Seite im Hintergrunde des Waldes noch mehrere ſehen,
dem Anſchein nach waren es jedoch nur Weiber. Die beyden Maͤnner baten uns
hierauf durch wiederholte Zeichen, daß wir mit zu ihren Wohnungen gehen moͤgten,
und gaben uns zu verſtehen, daß wir daſelbſt zu Eſſen haben ſollten; allein die
Ebbe und andre Umſtaͤnde erlaubten uns nicht von ihrer Einladung Gebrauch
zu machen. Wir ſchieden daher von einander, und ſie begleiteten uns bis an
die Boote; als ſie aber, queer uͤber dieſelben, unſre Flinten liegen ſahen, getraue-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0179" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/>
April.</note>Schiffe wiederum zuzueilen. Kaum waren wir vom Lande, als die beyden<lb/>
Wilden die von jener Seite her durch den Wald gegangen &#x017F;eyn mußten, hier auf<lb/>
einem freyen Platze hervorkamen, und uns zuriefen. Der Capitain ließ &#x017F;ogleich<lb/>
beyde Boote zu ihnen hinrudern, und da das &#x017F;einige an einer &#x017F;eichten Stelle auf<lb/>
den Grund &#x017F;itzen blieb, &#x017F;o &#x017F;tieg er unbewaffnet, einen Bogen weiß Papier in<lb/>
der Hand haltend, aus, und wadete in Begleitung zweyer Leute bis ans Land.<lb/>
Die Wilden &#x017F;tanden ohngefa&#x0364;hr hundert Schritt weit vom Ufer, und waren<lb/>
beyde mit Speeren bewaffnet. Als der Capitain mit &#x017F;einen beyden Leuten<lb/>
auf &#x017F;ie zu kam, wichen &#x017F;ie zuru&#x0364;ck. Da dies vermuthlich der gro&#x0364;ßern Anzahl<lb/>
wegen ge&#x017F;chahe, &#x017F;o ließ er &#x017F;eine Begleitung Halte machen, und gieng allein<lb/>
vorwa&#x0364;rts, konnte es aber dennoch nicht dahin bringen, daß die Wilden ihre<lb/>
Speere von &#x017F;ich legten. Endlich faßte der eine Herz, &#x017F;teckte &#x017F;eine Lanze in die<lb/>
Erde, und kam dem Capitain mit etwas Gras in der Hand entgegen; ein<lb/>
Ende davon ließ er den Capitain anfa&#x017F;&#x017F;en, das andre behielt er in den Ha&#x0364;nden,<lb/>
und hielt in die&#x017F;er Stellung mit lauter Stimme eine feyerliche Anrede, die ohn-<lb/>
gefa&#x0364;hr zwey Minuten dauren mochte, und in welcher er einige mahl inne hielt,<lb/>
wahr&#x017F;cheinlicherwei&#x017F;e um eine Antwort zu erwarten. Nach Endigung die&#x017F;er<lb/>
Ceremonie begru&#x0364;ßten &#x017F;ie &#x017F;ich, und der Neu-Seela&#x0364;nder nahm einen neuen<lb/>
Mantel von &#x017F;einen Schultern, womit er dem Capitain ein Ge&#x017F;chenk machte, und<lb/>
ein Beil dagegen bekam. Als &#x017F;olcherge&#x017F;talt Friede und Freund&#x017F;chaft aufgerichtet<lb/>
waren, wagte &#x017F;ich auch der zweyte Wilde heran und begru&#x0364;ßte den Capitain, von<lb/>
welchem er, gleich &#x017F;einem Cameraden mit einem Beil be&#x017F;chenket ward. <choice><sic>Run-<lb/>
mehro</sic><corr>Nun-<lb/>
mehro</corr></choice> &#x017F;tiegen aus un&#x017F;ern Booten mehrere ans Land, doch waren die Eingebohr-<lb/>
nen u&#x0364;ber den Anwachs un&#x017F;erer Anzahl nicht im minde&#x017F;ten beunruhigt, &#x017F;ondern<lb/>
begru&#x0364;ßten Jeden, der herbey kam, mit vieler Treuherzigkeit. Zwar ließen<lb/>
&#x017F;ich itzt auch von ihrer Seite im Hintergrunde des Waldes noch mehrere &#x017F;ehen,<lb/>
dem An&#x017F;chein nach waren es jedoch nur Weiber. Die beyden Ma&#x0364;nner baten uns<lb/>
hierauf durch wiederholte Zeichen, daß wir mit zu ihren Wohnungen gehen mo&#x0364;gten,<lb/>
und gaben uns zu ver&#x017F;tehen, daß wir da&#x017F;elb&#x017F;t zu E&#x017F;&#x017F;en haben &#x017F;ollten; allein die<lb/>
Ebbe und andre Um&#x017F;ta&#x0364;nde erlaubten uns nicht von ihrer Einladung Gebrauch<lb/>
zu machen. Wir &#x017F;chieden daher von einander, und &#x017F;ie begleiteten uns bis an<lb/>
die Boote; als &#x017F;ie aber, queer u&#x0364;ber die&#x017F;elben, un&#x017F;re Flinten liegen &#x017F;ahen, getraue-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0179] Forſter’s Reiſe um die Welt Schiffe wiederum zuzueilen. Kaum waren wir vom Lande, als die beyden Wilden die von jener Seite her durch den Wald gegangen ſeyn mußten, hier auf einem freyen Platze hervorkamen, und uns zuriefen. Der Capitain ließ ſogleich beyde Boote zu ihnen hinrudern, und da das ſeinige an einer ſeichten Stelle auf den Grund ſitzen blieb, ſo ſtieg er unbewaffnet, einen Bogen weiß Papier in der Hand haltend, aus, und wadete in Begleitung zweyer Leute bis ans Land. Die Wilden ſtanden ohngefaͤhr hundert Schritt weit vom Ufer, und waren beyde mit Speeren bewaffnet. Als der Capitain mit ſeinen beyden Leuten auf ſie zu kam, wichen ſie zuruͤck. Da dies vermuthlich der groͤßern Anzahl wegen geſchahe, ſo ließ er ſeine Begleitung Halte machen, und gieng allein vorwaͤrts, konnte es aber dennoch nicht dahin bringen, daß die Wilden ihre Speere von ſich legten. Endlich faßte der eine Herz, ſteckte ſeine Lanze in die Erde, und kam dem Capitain mit etwas Gras in der Hand entgegen; ein Ende davon ließ er den Capitain anfaſſen, das andre behielt er in den Haͤnden, und hielt in dieſer Stellung mit lauter Stimme eine feyerliche Anrede, die ohn- gefaͤhr zwey Minuten dauren mochte, und in welcher er einige mahl inne hielt, wahrſcheinlicherweiſe um eine Antwort zu erwarten. Nach Endigung dieſer Ceremonie begruͤßten ſie ſich, und der Neu-Seelaͤnder nahm einen neuen Mantel von ſeinen Schultern, womit er dem Capitain ein Geſchenk machte, und ein Beil dagegen bekam. Als ſolchergeſtalt Friede und Freundſchaft aufgerichtet waren, wagte ſich auch der zweyte Wilde heran und begruͤßte den Capitain, von welchem er, gleich ſeinem Cameraden mit einem Beil beſchenket ward. Nun- mehro ſtiegen aus unſern Booten mehrere ans Land, doch waren die Eingebohr- nen uͤber den Anwachs unſerer Anzahl nicht im mindeſten beunruhigt, ſondern begruͤßten Jeden, der herbey kam, mit vieler Treuherzigkeit. Zwar ließen ſich itzt auch von ihrer Seite im Hintergrunde des Waldes noch mehrere ſehen, dem Anſchein nach waren es jedoch nur Weiber. Die beyden Maͤnner baten uns hierauf durch wiederholte Zeichen, daß wir mit zu ihren Wohnungen gehen moͤgten, und gaben uns zu verſtehen, daß wir daſelbſt zu Eſſen haben ſollten; allein die Ebbe und andre Umſtaͤnde erlaubten uns nicht von ihrer Einladung Gebrauch zu machen. Wir ſchieden daher von einander, und ſie begleiteten uns bis an die Boote; als ſie aber, queer uͤber dieſelben, unſre Flinten liegen ſahen, getraue- ten 1773. April.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/179
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/179>, abgerufen am 11.05.2024.