Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
Sachen dagegen, weil unsre Leute so eifrig aufs Eintauschen waren, daß einer1773.
May.

den andern immer überboth. Es befanden sich auch einige Weiber unter ihnen;
diese hatten sich die Backen mit Rothstein und Oehl geschminkt, die Lippen hin-
gegen sahen, vom Puncktiren oder Tättowiren, welches hier zu Lande sehr Mode
ist, ganz schwärzlich blau aus. Wir fanden, daß sie, gleichden Leuten in
Dusky-Bay, fast durchgängig dünne krumme Beine, mit dicken Knieen hatten.
Dies muß ohne Zweifel davon herrühren, daß sie solche wenig gebrauchen, in-
dem sie eines theils am Lande die mehreste Zeit unthätig liegen mögen, andern
theils aber in den Canots stets mit untergeschlagnen Füßen, zu sitzen pflegen.
Uebrigens waren sie von ziemlich heller Farbe, die ohngefähr zwischen Oliven-
und Mahogany-braun das Mittel halten mochte; dabey hatten sie pechschwarzes
Haar, runde Gesichter, und vielmehr dicke, als platte Nasen und Lippen. Auch hat-
ten sie schwarze Augen, die oft lebhaft und nicht ohne Ausdruck waren, so wie der
ganze Obertheil des Corpers wohl gebildet und ihre Gestalt überhaupt gar nicht
wiedrig ins Auge fiel. Unsre Matrosen hatten seit der Abreise vom Cap mit kei-
nen Frauenspersonen Umgang gehabt; sie waren also sehr eifrig hinter diesen her,
und aus der Art wie ihre Anträge aufgenommen wurden, sahe man wohl, daß es
hier zu Lande mit der Keuschheit so genau nicht genommen würde, und daß die
Eroberungen eben nicht schwer seyn müßten. Doch hiengen die Gunstbezeigun-
gen dieser Schönen nicht blos von ihrer Neigung ab, sondern die Männer mußten,
als unumschränkte Herren, zuerst darum befragt werden. War deren Einwilli-
gung durch einen großen Nagel, ein Hemd oder etwas dergleichen erkaust; so hat-
ten die Frauenspersonen Freiheit mit ihren Liebhabern vorzunehmen was sie
wollten, und konnten alsdenn auch noch ein Geschenk für sich selbst erbitten.
Ich muß indessen gestehen, daß einige derselben sich nicht anders als mit dem
äußersten Wiederwillen zu einem so schändlichen Gewerbe mißbrauchen ließen, und
die Männer mußten oft ihre ganze Autorität ja sogar Drohungen anwenden, ehe
sie zu bewegen waren, sich den Begierden solcher Kerl preis zu geben, die ohne
Empfindung ihre Thränen sehen und ihr Wehklagen hören konnten. Ob unsre
Leute, die zu einem gesitteten Volk gehören wollten und doch so viehisch seyn konn-
ten, oder ob jene Barbaren, die ihre eignen Weibsleute zu solcher Schande
zwungen, den großten Abscheu verdienen? ist eine Frage, die ich nicht beantwor-

in den Jahren 1772 bis 1775.
Sachen dagegen, weil unſre Leute ſo eifrig aufs Eintauſchen waren, daß einer1773.
May.

den andern immer uͤberboth. Es befanden ſich auch einige Weiber unter ihnen;
dieſe hatten ſich die Backen mit Rothſtein und Oehl geſchminkt, die Lippen hin-
gegen ſahen, vom Puncktiren oder Taͤttowiren, welches hier zu Lande ſehr Mode
iſt, ganz ſchwaͤrzlich blau aus. Wir fanden, daß ſie, gleichden Leuten in
Dusky-Bay, faſt durchgaͤngig duͤnne krumme Beine, mit dicken Knieen hatten.
Dies muß ohne Zweifel davon herruͤhren, daß ſie ſolche wenig gebrauchen, in-
dem ſie eines theils am Lande die mehreſte Zeit unthaͤtig liegen moͤgen, andern
theils aber in den Canots ſtets mit untergeſchlagnen Fuͤßen, zu ſitzen pflegen.
Uebrigens waren ſie von ziemlich heller Farbe, die ohngefaͤhr zwiſchen Oliven-
und Mahogany-braun das Mittel halten mochte; dabey hatten ſie pechſchwarzes
Haar, runde Geſichter, und vielmehr dicke, als platte Naſen und Lippen. Auch hat-
ten ſie ſchwarze Augen, die oft lebhaft und nicht ohne Ausdruck waren, ſo wie der
ganze Obertheil des Corpers wohl gebildet und ihre Geſtalt uͤberhaupt gar nicht
wiedrig ins Auge fiel. Unſre Matroſen hatten ſeit der Abreiſe vom Cap mit kei-
nen Frauensperſonen Umgang gehabt; ſie waren alſo ſehr eifrig hinter dieſen her,
und aus der Art wie ihre Antraͤge aufgenommen wurden, ſahe man wohl, daß es
hier zu Lande mit der Keuſchheit ſo genau nicht genommen wuͤrde, und daß die
Eroberungen eben nicht ſchwer ſeyn muͤßten. Doch hiengen die Gunſtbezeigun-
gen dieſer Schoͤnen nicht blos von ihrer Neigung ab, ſondern die Maͤnner mußten,
als unumſchraͤnkte Herren, zuerſt darum befragt werden. War deren Einwilli-
gung durch einen großen Nagel, ein Hemd oder etwas dergleichen erkauſt; ſo hat-
ten die Frauensperſonen Freiheit mit ihren Liebhabern vorzunehmen was ſie
wollten, und konnten alsdenn auch noch ein Geſchenk fuͤr ſich ſelbſt erbitten.
Ich muß indeſſen geſtehen, daß einige derſelben ſich nicht anders als mit dem
aͤußerſten Wiederwillen zu einem ſo ſchaͤndlichen Gewerbe mißbrauchen ließen, und
die Maͤnner mußten oft ihre ganze Autoritaͤt ja ſogar Drohungen anwenden, ehe
ſie zu bewegen waren, ſich den Begierden ſolcher Kerl preis zu geben, die ohne
Empfindung ihre Thraͤnen ſehen und ihr Wehklagen hoͤren konnten. Ob unſre
Leute, die zu einem geſitteten Volk gehoͤren wollten und doch ſo viehiſch ſeyn konn-
ten, oder ob jene Barbaren, die ihre eignen Weibsleute zu ſolcher Schande
zwungen, den großten Abſcheu verdienen? iſt eine Frage, die ich nicht beantwor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0210" n="159"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
Sachen dagegen, weil un&#x017F;re Leute &#x017F;o eifrig aufs Eintau&#x017F;chen waren, daß einer<note place="right">1773.<lb/>
May.</note><lb/>
den andern immer u&#x0364;berboth. Es befanden &#x017F;ich auch einige Weiber unter ihnen;<lb/>
die&#x017F;e hatten &#x017F;ich die Backen mit Roth&#x017F;tein und Oehl <choice><sic>gefchminkt</sic><corr>ge&#x017F;chminkt</corr></choice>, die Lippen hin-<lb/>
gegen &#x017F;ahen, vom Puncktiren oder Ta&#x0364;ttowiren, welches hier zu Lande &#x017F;ehr Mode<lb/>
i&#x017F;t, ganz &#x017F;chwa&#x0364;rzlich blau aus. Wir fanden, daß &#x017F;ie, gleichden Leuten in<lb/><hi rendition="#fr"><placeName>Dusky-Bay</placeName></hi>, fa&#x017F;t durchga&#x0364;ngig du&#x0364;nne krumme Beine, mit dicken Knieen hatten.<lb/>
Dies muß ohne Zweifel davon herru&#x0364;hren, daß &#x017F;ie &#x017F;olche wenig gebrauchen, in-<lb/>
dem &#x017F;ie eines theils am Lande die mehre&#x017F;te Zeit untha&#x0364;tig liegen mo&#x0364;gen, andern<lb/>
theils aber in den Canots &#x017F;tets mit unterge&#x017F;chlagnen Fu&#x0364;ßen, zu &#x017F;itzen pflegen.<lb/>
Uebrigens waren &#x017F;ie von ziemlich heller Farbe, die ohngefa&#x0364;hr zwi&#x017F;chen Oliven-<lb/>
und Mahogany-braun das Mittel halten mochte; dabey hatten &#x017F;ie pech&#x017F;chwarzes<lb/>
Haar, runde Ge&#x017F;ichter, und vielmehr dicke, als platte Na&#x017F;en und Lippen. Auch hat-<lb/>
ten &#x017F;ie &#x017F;chwarze Augen, die oft lebhaft und nicht ohne Ausdruck waren, &#x017F;o wie der<lb/>
ganze Obertheil des Corpers wohl gebildet und ihre Ge&#x017F;talt u&#x0364;berhaupt gar nicht<lb/>
wiedrig ins Auge fiel. Un&#x017F;re Matro&#x017F;en hatten &#x017F;eit der Abrei&#x017F;e vom <placeName>Cap</placeName> mit kei-<lb/>
nen Frauensper&#x017F;onen Umgang gehabt; &#x017F;ie waren al&#x017F;o &#x017F;ehr eifrig hinter die&#x017F;en her,<lb/>
und aus der Art wie ihre Antra&#x0364;ge aufgenommen wurden, &#x017F;ahe man wohl, daß es<lb/>
hier zu Lande mit der Keu&#x017F;chheit &#x017F;o genau nicht genommen wu&#x0364;rde, und daß die<lb/>
Eroberungen eben nicht &#x017F;chwer &#x017F;eyn mu&#x0364;ßten. Doch hiengen die Gun&#x017F;tbezeigun-<lb/>
gen die&#x017F;er Scho&#x0364;nen nicht blos von ihrer Neigung ab, &#x017F;ondern die Ma&#x0364;nner mußten,<lb/>
als unum&#x017F;chra&#x0364;nkte Herren, zuer&#x017F;t darum befragt werden. War deren Einwilli-<lb/>
gung durch einen großen Nagel, ein Hemd oder etwas dergleichen erkau&#x017F;t; &#x017F;o hat-<lb/>
ten die Frauensper&#x017F;onen Freiheit mit ihren Liebhabern vorzunehmen was &#x017F;ie<lb/>
wollten, und konnten alsdenn auch noch ein Ge&#x017F;chenk fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t erbitten.<lb/>
Ich muß inde&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;tehen, daß einige der&#x017F;elben &#x017F;ich nicht anders als mit dem<lb/>
a&#x0364;ußer&#x017F;ten Wiederwillen zu einem &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Gewerbe mißbrauchen ließen, und<lb/>
die Ma&#x0364;nner mußten oft ihre ganze Autorita&#x0364;t ja &#x017F;ogar Drohungen anwenden, ehe<lb/>
&#x017F;ie zu bewegen waren, &#x017F;ich den Begierden &#x017F;olcher Kerl preis zu geben, die ohne<lb/>
Empfindung ihre Thra&#x0364;nen &#x017F;ehen und ihr Wehklagen ho&#x0364;ren konnten. Ob un&#x017F;re<lb/>
Leute, die zu einem ge&#x017F;itteten Volk geho&#x0364;ren wollten und doch &#x017F;o viehi&#x017F;ch &#x017F;eyn konn-<lb/>
ten, oder ob jene Barbaren, die ihre eignen Weibsleute zu &#x017F;olcher Schande<lb/>
zwungen, den großten Ab&#x017F;cheu verdienen? i&#x017F;t eine Frage, die ich nicht beantwor-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0210] in den Jahren 1772 bis 1775. Sachen dagegen, weil unſre Leute ſo eifrig aufs Eintauſchen waren, daß einer den andern immer uͤberboth. Es befanden ſich auch einige Weiber unter ihnen; dieſe hatten ſich die Backen mit Rothſtein und Oehl geſchminkt, die Lippen hin- gegen ſahen, vom Puncktiren oder Taͤttowiren, welches hier zu Lande ſehr Mode iſt, ganz ſchwaͤrzlich blau aus. Wir fanden, daß ſie, gleichden Leuten in Dusky-Bay, faſt durchgaͤngig duͤnne krumme Beine, mit dicken Knieen hatten. Dies muß ohne Zweifel davon herruͤhren, daß ſie ſolche wenig gebrauchen, in- dem ſie eines theils am Lande die mehreſte Zeit unthaͤtig liegen moͤgen, andern theils aber in den Canots ſtets mit untergeſchlagnen Fuͤßen, zu ſitzen pflegen. Uebrigens waren ſie von ziemlich heller Farbe, die ohngefaͤhr zwiſchen Oliven- und Mahogany-braun das Mittel halten mochte; dabey hatten ſie pechſchwarzes Haar, runde Geſichter, und vielmehr dicke, als platte Naſen und Lippen. Auch hat- ten ſie ſchwarze Augen, die oft lebhaft und nicht ohne Ausdruck waren, ſo wie der ganze Obertheil des Corpers wohl gebildet und ihre Geſtalt uͤberhaupt gar nicht wiedrig ins Auge fiel. Unſre Matroſen hatten ſeit der Abreiſe vom Cap mit kei- nen Frauensperſonen Umgang gehabt; ſie waren alſo ſehr eifrig hinter dieſen her, und aus der Art wie ihre Antraͤge aufgenommen wurden, ſahe man wohl, daß es hier zu Lande mit der Keuſchheit ſo genau nicht genommen wuͤrde, und daß die Eroberungen eben nicht ſchwer ſeyn muͤßten. Doch hiengen die Gunſtbezeigun- gen dieſer Schoͤnen nicht blos von ihrer Neigung ab, ſondern die Maͤnner mußten, als unumſchraͤnkte Herren, zuerſt darum befragt werden. War deren Einwilli- gung durch einen großen Nagel, ein Hemd oder etwas dergleichen erkauſt; ſo hat- ten die Frauensperſonen Freiheit mit ihren Liebhabern vorzunehmen was ſie wollten, und konnten alsdenn auch noch ein Geſchenk fuͤr ſich ſelbſt erbitten. Ich muß indeſſen geſtehen, daß einige derſelben ſich nicht anders als mit dem aͤußerſten Wiederwillen zu einem ſo ſchaͤndlichen Gewerbe mißbrauchen ließen, und die Maͤnner mußten oft ihre ganze Autoritaͤt ja ſogar Drohungen anwenden, ehe ſie zu bewegen waren, ſich den Begierden ſolcher Kerl preis zu geben, die ohne Empfindung ihre Thraͤnen ſehen und ihr Wehklagen hoͤren konnten. Ob unſre Leute, die zu einem geſitteten Volk gehoͤren wollten und doch ſo viehiſch ſeyn konn- ten, oder ob jene Barbaren, die ihre eignen Weibsleute zu ſolcher Schande zwungen, den großten Abſcheu verdienen? iſt eine Frage, die ich nicht beantwor- 1773. May.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/210
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/210>, abgerufen am 18.12.2024.