ten südlicher Breite erreicht hatten, steuerten wir, so weit der Wind es gestat-1773. Junius. ten wollte, nach Nord-Ost.
Am 23sten waren Wind und Wetter gelinde. Capitain Furneaux machte sich dieses und die Nachbarschaft beyder Schiffe zu Nutz, um zu uns an Bord zu kommen und mit uns zu speisen. Er berichtete dem Capitain, daß seine Leute sich noch wohl befänden, einen oder zwey Mann ausgenommen, wel- che von ihrem Umgange mit ungesunden Frauenspersonen ekelhafte Nachwehen ausstehen müßten. Diese Nachricht war uns in so fern sehr unangenehm, weil man daraus abnehmen konnte, daß jene häßliche Krankheit auch schon Neu-Seeland erreicht hatte, denn sonst nirgends konnten die Leute angesteckt wor- den seyn. In Betracht der schrecklichen Folgen, welche dies verderbliche Ue- bel auf die Neu-Seeländer bringen mußte, hielten wir es der ernsthaftesten Un- tersuchung werth, ob, und bey welcher Gelegenheit sie es wohl von Europäern hätten bekommen können? Der erste Entdecker des Landes, Abel Janßen Tasman, kam im Jahr 1642. dahin. Er hatte aber mit den Einwohnern nicht den mindesten freundschaftlichen Umgang, ja es ist wahrscheinlich, daß nicht ein einziger von seinen Leuten am Lande gewesen ist. Capitain Cook war der nächste Seefahrer, der nach dieser Zeit Neu-Seeland besuchte, ob er gleich länger als hundert Jahre hernach, nemlich erst in den Jahren 1769. und 1770. an den Küsten desselben anlangte. Er kam damals, in seinem Schiff Endeavour, von O-Tahiti und den Societäts-Inseln, wo verschiedne seiner Leute waren angesteckt worden. Da er aber auf der Ueberfahrt von diesen Inseln nach Neu- Seeland fast zwey Monathe unterwegens zubrachte, so hatte der Chirurgus Zeit ge- habt, die Leute gänzlich zu heilen und bey der Ankunft auf dieser Küste versicherte er den Capitain ausdrücklich, daß bey keinem dieser Kranken die geringste Spur des Uebels mehr zu merken sey. Dem ohnerachtet gebrauchte Capitain Cook die Vorsicht, niemanden ans Land gehen zu lassen, der unter der Cur gewesen war, aus Besorgniß, er mögte vielleicht noch verborgne Ueberreste dieses ansteckenden Uebels im Corper haben; ja um alle Möglichkeit abzuschneiden, daß diese Seuche einem schuldlosen Volke mitgetheilt würde, durften auch schlechterdings keine Frauenspersonen an Bord kommen. Der dritte Europäer, welcher Neu- Seeland besuchte, war ein französischer Seefahrer, Herr von Surville. Dieser
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in den Jahren 1772 bis 1775.
ten ſuͤdlicher Breite erreicht hatten, ſteuerten wir, ſo weit der Wind es geſtat-1773. Junius. ten wollte, nach Nord-Oſt.
Am 23ſten waren Wind und Wetter gelinde. Capitain Furneaux machte ſich dieſes und die Nachbarſchaft beyder Schiffe zu Nutz, um zu uns an Bord zu kommen und mit uns zu ſpeiſen. Er berichtete dem Capitain, daß ſeine Leute ſich noch wohl befaͤnden, einen oder zwey Mann ausgenommen, wel- che von ihrem Umgange mit ungeſunden Frauensperſonen ekelhafte Nachwehen ausſtehen muͤßten. Dieſe Nachricht war uns in ſo fern ſehr unangenehm, weil man daraus abnehmen konnte, daß jene haͤßliche Krankheit auch ſchon Neu-Seeland erreicht hatte, denn ſonſt nirgends konnten die Leute angeſteckt wor- den ſeyn. In Betracht der ſchrecklichen Folgen, welche dies verderbliche Ue- bel auf die Neu-Seelaͤnder bringen mußte, hielten wir es der ernſthafteſten Un- terſuchung werth, ob, und bey welcher Gelegenheit ſie es wohl von Europaͤern haͤtten bekommen koͤnnen? Der erſte Entdecker des Landes, Abel Janßen Tasman, kam im Jahr 1642. dahin. Er hatte aber mit den Einwohnern nicht den mindeſten freundſchaftlichen Umgang, ja es iſt wahrſcheinlich, daß nicht ein einziger von ſeinen Leuten am Lande geweſen iſt. Capitain Cook war der naͤchſte Seefahrer, der nach dieſer Zeit Neu-Seeland beſuchte, ob er gleich laͤnger als hundert Jahre hernach, nemlich erſt in den Jahren 1769. und 1770. an den Kuͤſten deſſelben anlangte. Er kam damals, in ſeinem Schiff Endeavour, von O-Tahiti und den Societaͤts-Inſeln, wo verſchiedne ſeiner Leute waren angeſteckt worden. Da er aber auf der Ueberfahrt von dieſen Inſeln nach Neu- Seeland faſt zwey Monathe unterwegens zubrachte, ſo hatte der Chirurgus Zeit ge- habt, die Leute gaͤnzlich zu heilen und bey der Ankunft auf dieſer Kuͤſte verſicherte er den Capitain ausdruͤcklich, daß bey keinem dieſer Kranken die geringſte Spur des Uebels mehr zu merken ſey. Dem ohnerachtet gebrauchte Capitain Cook die Vorſicht, niemanden ans Land gehen zu laſſen, der unter der Cur geweſen war, aus Beſorgniß, er moͤgte vielleicht noch verborgne Ueberreſte dieſes anſteckenden Uebels im Corper haben; ja um alle Moͤglichkeit abzuſchneiden, daß dieſe Seuche einem ſchuldloſen Volke mitgetheilt wuͤrde, durften auch ſchlechterdings keine Frauensperſonen an Bord kommen. Der dritte Europaͤer, welcher Neu- Seeland beſuchte, war ein franzoͤſiſcher Seefahrer, Herr von Surville. Dieſer
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in den Jahren 1772 bis 1775.
ten ſuͤdlicher Breite erreicht hatten, ſteuerten wir, ſo weit der Wind es geſtat-
ten wollte, nach Nord-Oſt.
1773.
Junius.
Am 23ſten waren Wind und Wetter gelinde. Capitain Furneaux
machte ſich dieſes und die Nachbarſchaft beyder Schiffe zu Nutz, um zu uns
an Bord zu kommen und mit uns zu ſpeiſen. Er berichtete dem Capitain, daß
ſeine Leute ſich noch wohl befaͤnden, einen oder zwey Mann ausgenommen, wel-
che von ihrem Umgange mit ungeſunden Frauensperſonen ekelhafte Nachwehen
ausſtehen muͤßten. Dieſe Nachricht war uns in ſo fern ſehr unangenehm,
weil man daraus abnehmen konnte, daß jene haͤßliche Krankheit auch ſchon
Neu-Seeland erreicht hatte, denn ſonſt nirgends konnten die Leute angeſteckt wor-
den ſeyn. In Betracht der ſchrecklichen Folgen, welche dies verderbliche Ue-
bel auf die Neu-Seelaͤnder bringen mußte, hielten wir es der ernſthafteſten Un-
terſuchung werth, ob, und bey welcher Gelegenheit ſie es wohl von Europaͤern
haͤtten bekommen koͤnnen? Der erſte Entdecker des Landes, Abel Janßen
Tasman, kam im Jahr 1642. dahin. Er hatte aber mit den Einwohnern
nicht den mindeſten freundſchaftlichen Umgang, ja es iſt wahrſcheinlich, daß
nicht ein einziger von ſeinen Leuten am Lande geweſen iſt. Capitain Cook war
der naͤchſte Seefahrer, der nach dieſer Zeit Neu-Seeland beſuchte, ob er gleich
laͤnger als hundert Jahre hernach, nemlich erſt in den Jahren 1769. und 1770.
an den Kuͤſten deſſelben anlangte. Er kam damals, in ſeinem Schiff Endeavour,
von O-Tahiti und den Societaͤts-Inſeln, wo verſchiedne ſeiner Leute waren
angeſteckt worden. Da er aber auf der Ueberfahrt von dieſen Inſeln nach Neu-
Seeland faſt zwey Monathe unterwegens zubrachte, ſo hatte der Chirurgus Zeit ge-
habt, die Leute gaͤnzlich zu heilen und bey der Ankunft auf dieſer Kuͤſte verſicherte
er den Capitain ausdruͤcklich, daß bey keinem dieſer Kranken die geringſte Spur
des Uebels mehr zu merken ſey. Dem ohnerachtet gebrauchte Capitain Cook
die Vorſicht, niemanden ans Land gehen zu laſſen, der unter der Cur geweſen war,
aus Beſorgniß, er moͤgte vielleicht noch verborgne Ueberreſte dieſes anſteckenden
Uebels im Corper haben; ja um alle Moͤglichkeit abzuſchneiden, daß dieſe
Seuche einem ſchuldloſen Volke mitgetheilt wuͤrde, durften auch ſchlechterdings
keine Frauensperſonen an Bord kommen. Der dritte Europaͤer, welcher Neu-
Seeland beſuchte, war ein franzoͤſiſcher Seefahrer, Herr von Surville. Dieſer
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/232>, abgerufen am 21.11.2024.
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