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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
uns kaum Früchte dafür geben, ohngeachtet diese das wohlfeilste und gering-1773.
Septem-
ber.

ste aller Producte zu seyn pflegten. In Tahiti schätzte man dergleichen Spielwerke
ungleich mehr. Sollte die dortige vorzügliche Neigung zu solchen Kleinigkei-
ten und Flitterstaat, nicht einen höhern Grad von allgemeinen Wohlstand an-
zeigen und durch denselben veranlaßt werden? Reichthum pflegt wenigstens
sonst insgemein zur Verschwendung zu leiten. --

Die Hitze hielt den ganzen Ueberrest des Tages dermaßen an, daß
wir erst bey Untergang der Sonne wieder ans Land gehen konnten. Wir stiegen
an dem Wasser-Platze aus, allwo ein kleines Tupapau, oder Obdach befindlich
war, unter welchem auf einem Gerüste ein todter Cörper ruhete. Dieser Begräb-
niß-Ort lag mitten in einem dichten Haine schattenreicher Bäume. Ich hatte bis-
her, weder hier noch auf den vorigen Inseln, dergleichen Begräbnißplätze gesehen
und wunderte mich daher nicht wenig, daß der todte Cörper auf eine so sorglose
Weise der Verwesung und andern Zufällen überlassen war, auch der ganze Bo-
den umher überall voller Todten-Köpfe und Todten-Knochen lag. Gern
hätte ich mich mit einem Indianer darüber besprechen mögen, konnte aber in
dieser Gegend keinen ansichtig werden. Ich strich eine ganze Zeitlang
umher, ohne jemand anzutreffen, denn wie ich nachher erfuhr, so hatten sich
die Einwohner dieses Districts sämmtlich bey der Wohnung ihres Befehlsha-
bers versammlet, allwo durch die Trommeln das Zeichen zu einem abermaligen
Hiva oder öffentlichen Tanze war gegeben worden. Sie halten viel auf diesen
Zeitvertreib und laufen demselben zu Gefallen aus weit entfernten Gegenden
zusammen. Der stille Abend und die Schönheit des Landes machten mir diesen
Spatziergang überaus angenehm; und die Entfernung der Einwohner brachte
eine so einsame Stille zuwege, daß ich beynahe in einer bezauberten Insel zu
seyn glaubte. Endlich begegneten uns, noch disseits des Strandes, etliche India-
ner, davon der eine ein sehr verständiger Mann zu seyn schien. Diesen fragten
wir unter andern, ob, und was für Inseln hier in der Nachbarschaft umher lä-
gen, worauf er uns ihrer neune mit Namen angab: Mopiha; Whennua-
Aurah
; Adiha; Tautihpa; Wauwan; Uborruh;
Tabuai; Auhäiau
und Rorotoa. Von den beyden ersten hatten wir, heute Morgen schon, durch
unsern indianischen Begleiter etwas erfahren, und von den sieben andern ver-

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in den Jahren 1772 bis 1775.
uns kaum Fruͤchte dafuͤr geben, ohngeachtet dieſe das wohlfeilſte und gering-1773.
Septem-
ber.

ſte aller Producte zu ſeyn pflegten. In Tahiti ſchaͤtzte man dergleichen Spielwerke
ungleich mehr. Sollte die dortige vorzuͤgliche Neigung zu ſolchen Kleinigkei-
ten und Flitterſtaat, nicht einen hoͤhern Grad von allgemeinen Wohlſtand an-
zeigen und durch denſelben veranlaßt werden? Reichthum pflegt wenigſtens
ſonſt insgemein zur Verſchwendung zu leiten. —

Die Hitze hielt den ganzen Ueberreſt des Tages dermaßen an, daß
wir erſt bey Untergang der Sonne wieder ans Land gehen konnten. Wir ſtiegen
an dem Waſſer-Platze aus, allwo ein kleines Tupapau, oder Obdach befindlich
war, unter welchem auf einem Geruͤſte ein todter Coͤrper ruhete. Dieſer Begraͤb-
niß-Ort lag mitten in einem dichten Haine ſchattenreicher Baͤume. Ich hatte bis-
her, weder hier noch auf den vorigen Inſeln, dergleichen Begraͤbnißplaͤtze geſehen
und wunderte mich daher nicht wenig, daß der todte Coͤrper auf eine ſo ſorgloſe
Weiſe der Verweſung und andern Zufaͤllen uͤberlaſſen war, auch der ganze Bo-
den umher uͤberall voller Todten-Koͤpfe und Todten-Knochen lag. Gern
haͤtte ich mich mit einem Indianer daruͤber beſprechen moͤgen, konnte aber in
dieſer Gegend keinen anſichtig werden. Ich ſtrich eine ganze Zeitlang
umher, ohne jemand anzutreffen, denn wie ich nachher erfuhr, ſo hatten ſich
die Einwohner dieſes Diſtricts ſaͤmmtlich bey der Wohnung ihres Befehlsha-
bers verſammlet, allwo durch die Trommeln das Zeichen zu einem abermaligen
Hiva oder oͤffentlichen Tanze war gegeben worden. Sie halten viel auf dieſen
Zeitvertreib und laufen demſelben zu Gefallen aus weit entfernten Gegenden
zuſammen. Der ſtille Abend und die Schoͤnheit des Landes machten mir dieſen
Spatziergang uͤberaus angenehm; und die Entfernung der Einwohner brachte
eine ſo einſame Stille zuwege, daß ich beynahe in einer bezauberten Inſel zu
ſeyn glaubte. Endlich begegneten uns, noch diſſeits des Strandes, etliche India-
ner, davon der eine ein ſehr verſtaͤndiger Mann zu ſeyn ſchien. Dieſen fragten
wir unter andern, ob, und was fuͤr Inſeln hier in der Nachbarſchaft umher laͤ-
gen, worauf er uns ihrer neune mit Namen angab: Mopiha; Whennua-
Aurah
; Adiha; Tautihpa; Wauwan; Uborruh;
Tabuaï; Auhaͤiau
und Rorotoa. Von den beyden erſten hatten wir, heute Morgen ſchon, durch
unſern indianiſchen Begleiter etwas erfahren, und von den ſieben andern ver-

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[299/0354] in den Jahren 1772 bis 1775. uns kaum Fruͤchte dafuͤr geben, ohngeachtet dieſe das wohlfeilſte und gering- ſte aller Producte zu ſeyn pflegten. In Tahiti ſchaͤtzte man dergleichen Spielwerke ungleich mehr. Sollte die dortige vorzuͤgliche Neigung zu ſolchen Kleinigkei- ten und Flitterſtaat, nicht einen hoͤhern Grad von allgemeinen Wohlſtand an- zeigen und durch denſelben veranlaßt werden? Reichthum pflegt wenigſtens ſonſt insgemein zur Verſchwendung zu leiten. — 1773. Septem- ber. Die Hitze hielt den ganzen Ueberreſt des Tages dermaßen an, daß wir erſt bey Untergang der Sonne wieder ans Land gehen konnten. Wir ſtiegen an dem Waſſer-Platze aus, allwo ein kleines Tupapau, oder Obdach befindlich war, unter welchem auf einem Geruͤſte ein todter Coͤrper ruhete. Dieſer Begraͤb- niß-Ort lag mitten in einem dichten Haine ſchattenreicher Baͤume. Ich hatte bis- her, weder hier noch auf den vorigen Inſeln, dergleichen Begraͤbnißplaͤtze geſehen und wunderte mich daher nicht wenig, daß der todte Coͤrper auf eine ſo ſorgloſe Weiſe der Verweſung und andern Zufaͤllen uͤberlaſſen war, auch der ganze Bo- den umher uͤberall voller Todten-Koͤpfe und Todten-Knochen lag. Gern haͤtte ich mich mit einem Indianer daruͤber beſprechen moͤgen, konnte aber in dieſer Gegend keinen anſichtig werden. Ich ſtrich eine ganze Zeitlang umher, ohne jemand anzutreffen, denn wie ich nachher erfuhr, ſo hatten ſich die Einwohner dieſes Diſtricts ſaͤmmtlich bey der Wohnung ihres Befehlsha- bers verſammlet, allwo durch die Trommeln das Zeichen zu einem abermaligen Hiva oder oͤffentlichen Tanze war gegeben worden. Sie halten viel auf dieſen Zeitvertreib und laufen demſelben zu Gefallen aus weit entfernten Gegenden zuſammen. Der ſtille Abend und die Schoͤnheit des Landes machten mir dieſen Spatziergang uͤberaus angenehm; und die Entfernung der Einwohner brachte eine ſo einſame Stille zuwege, daß ich beynahe in einer bezauberten Inſel zu ſeyn glaubte. Endlich begegneten uns, noch diſſeits des Strandes, etliche India- ner, davon der eine ein ſehr verſtaͤndiger Mann zu ſeyn ſchien. Dieſen fragten wir unter andern, ob, und was fuͤr Inſeln hier in der Nachbarſchaft umher laͤ- gen, worauf er uns ihrer neune mit Namen angab: Mopiha; Whennua- Aurah; Adiha; Tautihpa; Wauwan; Uborruh; Tabuaï; Auhaͤiau und Rorotoa. Von den beyden erſten hatten wir, heute Morgen ſchon, durch unſern indianiſchen Begleiter etwas erfahren, und von den ſieben andern ver- P p 2

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/354>, abgerufen am 21.11.2024.