sich. Dr. Sparrmann und mein Vater wollten die Gelegenheit, jene Insel zu1773. Septem- ber. untersuchen, nicht aus den Händen lassen, und giengen also auch mit.
Während ihrer Abwesenheit wurden wir vom Orea, der in dem District der Insel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, zu Gaste genöthigt. Es verfüg- ten sich daher die Capitains beyder Schiffe, nebst verschiednen Officiers und Pas- sagiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage aus Land, wohl versehen, mit Pfeffer, Salz, Messern, Gabeln und etlichen Flaschen Wein. Bey der Ankunft in unsers Wirthes Hause fanden wir den Boden größtentheils mit Blättern bestreuet, die statt Tischtuchs dienten. Rund um diesen Bezirk nahmen wir und die Vornehmsten des Landes unsre Plätze ein. Wir hatten nicht lange gesessen, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes Schwein, in Pisang-Blätter gewickelt, auf den Schultern hatte, und solches mitten vor uns, auf die Erde, hinwarf. Eben dies that ein zweyter mit ei- nem kleineren Schweine; und diesen folgten verschiedne andre mit Körben voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige Mahei genannt. Der Wirth bat, wir mögten uns selbst bedienen, worauf denn in kurzer Zeit beyde Schweine zerlegt waren. Nun drängten sich die Leute gewaltig her- bey; die Frauenspersonen und überhaupt alles gemeine Volk bat in betteln- dem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, seinen Nachbarn redlich davon mit, ja sie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans äußerste Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedränges wegen, nicht herbey kommen konnten. Die Männer verzehrten ihren Antheil mit großem Appetit; die Frauensleute hingegen wickelten ihre Portionen in Blätter und verwahrten sie bis sie allein seyn würden. Sowohl die Gierigkeit mit der sie uns plagten und womit sie ihre Bitten unablässig wiederholten, als auch die neidischen Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, überzeug- ten uns, daß der gemeine Mann in dieser Insel kein Recht und keine Ansprüche auf dergleichen Leckerbissen habe. Das Schweinefleisch schmeckte nach hiesiger Zu- bereitung, uns allen, ungleich besser als nach irgend einer europäischen Manier zu- gerichtet. Es war saftiger als unser gekochtes und auf alle Weise zärter als unser gebratnes. Vermittelst der gleichförmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehal- ten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beysammen. Das Fett hatte nicht den
Forsters Reise u. d. W. erster Th. Q q
in den Jahren 1772 bis 1775.
ſich. Dr. Sparrmann und mein Vater wollten die Gelegenheit, jene Inſel zu1773. Septem- ber. unterſuchen, nicht aus den Haͤnden laſſen, und giengen alſo auch mit.
Waͤhrend ihrer Abweſenheit wurden wir vom Orea, der in dem Diſtrict der Inſel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, zu Gaſte genoͤthigt. Es verfuͤg- ten ſich daher die Capitains beyder Schiffe, nebſt verſchiednen Officiers und Paſ- ſagiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage aus Land, wohl verſehen, mit Pfeffer, Salz, Meſſern, Gabeln und etlichen Flaſchen Wein. Bey der Ankunft in unſers Wirthes Hauſe fanden wir den Boden groͤßtentheils mit Blaͤttern beſtreuet, die ſtatt Tiſchtuchs dienten. Rund um dieſen Bezirk nahmen wir und die Vornehmſten des Landes unſre Plaͤtze ein. Wir hatten nicht lange geſeſſen, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes Schwein, in Piſang-Blaͤtter gewickelt, auf den Schultern hatte, und ſolches mitten vor uns, auf die Erde, hinwarf. Eben dies that ein zweyter mit ei- nem kleineren Schweine; und dieſen folgten verſchiedne andre mit Koͤrben voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige Mahei genannt. Der Wirth bat, wir moͤgten uns ſelbſt bedienen, worauf denn in kurzer Zeit beyde Schweine zerlegt waren. Nun draͤngten ſich die Leute gewaltig her- bey; die Frauensperſonen und uͤberhaupt alles gemeine Volk bat in betteln- dem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, ſeinen Nachbarn redlich davon mit, ja ſie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans aͤußerſte Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedraͤnges wegen, nicht herbey kommen konnten. Die Maͤnner verzehrten ihren Antheil mit großem Appetit; die Frauensleute hingegen wickelten ihre Portionen in Blaͤtter und verwahrten ſie bis ſie allein ſeyn wuͤrden. Sowohl die Gierigkeit mit der ſie uns plagten und womit ſie ihre Bitten unablaͤſſig wiederholten, als auch die neidiſchen Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, uͤberzeug- ten uns, daß der gemeine Mann in dieſer Inſel kein Recht und keine Anſpruͤche auf dergleichen Leckerbiſſen habe. Das Schweinefleiſch ſchmeckte nach hieſiger Zu- bereitung, uns allen, ungleich beſſer als nach irgend einer europaͤiſchen Manier zu- gerichtet. Es war ſaftiger als unſer gekochtes und auf alle Weiſe zaͤrter als unſer gebratnes. Vermittelſt der gleichfoͤrmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehal- ten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beyſammen. Das Fett hatte nicht den
Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. Q q
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0360"n="305"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>ſich. Dr. <hirendition="#fr"><persName>Sparrmann</persName></hi> und mein Vater wollten die Gelegenheit, jene Inſel zu<noteplace="right">1773.<lb/>
Septem-<lb/>
ber.</note><lb/>
unterſuchen, nicht aus den Haͤnden laſſen, und giengen alſo auch mit.</p><lb/><p>Waͤhrend ihrer Abweſenheit wurden wir vom <hirendition="#fr"><persName>Orea</persName>,</hi> der in dem Diſtrict der<lb/>
Inſel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, zu Gaſte genoͤthigt. Es verfuͤg-<lb/>
ten ſich daher die Capitains beyder Schiffe, nebſt verſchiednen Officiers und Paſ-<lb/>ſagiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage aus Land, wohl verſehen,<lb/>
mit Pfeffer, Salz, Meſſern, Gabeln und etlichen Flaſchen Wein. Bey der<lb/>
Ankunft in unſers Wirthes Hauſe fanden wir den Boden groͤßtentheils mit<lb/>
Blaͤttern beſtreuet, die ſtatt Tiſchtuchs dienten. Rund um dieſen Bezirk<lb/>
nahmen wir und die Vornehmſten des Landes unſre Plaͤtze ein. Wir hatten<lb/>
nicht lange geſeſſen, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes<lb/>
Schwein, in Piſang-Blaͤtter gewickelt, auf den Schultern hatte, und ſolches<lb/>
mitten vor uns, auf die Erde, hinwarf. Eben dies that ein zweyter mit ei-<lb/>
nem kleineren Schweine; und dieſen folgten verſchiedne andre mit Koͤrben<lb/>
voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige <hirendition="#fr">Mahei</hi> genannt.<lb/>
Der Wirth bat, wir moͤgten uns ſelbſt bedienen, worauf denn in kurzer Zeit<lb/>
beyde Schweine zerlegt waren. Nun draͤngten ſich die Leute gewaltig her-<lb/>
bey; die Frauensperſonen und uͤberhaupt alles gemeine Volk bat in betteln-<lb/>
dem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, ſeinen<lb/>
Nachbarn redlich davon mit, ja ſie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans<lb/>
aͤußerſte Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedraͤnges wegen, nicht<lb/>
herbey kommen konnten. Die Maͤnner verzehrten ihren Antheil mit großem<lb/>
Appetit; die Frauensleute hingegen wickelten ihre Portionen in Blaͤtter und<lb/>
verwahrten ſie bis ſie allein ſeyn wuͤrden. Sowohl die Gierigkeit mit der ſie uns<lb/>
plagten und womit ſie ihre Bitten unablaͤſſig wiederholten, als auch die neidiſchen<lb/>
Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, uͤberzeug-<lb/>
ten uns, daß der gemeine Mann in dieſer Inſel kein Recht und keine Anſpruͤche<lb/>
auf dergleichen Leckerbiſſen habe. Das Schweinefleiſch ſchmeckte nach hieſiger Zu-<lb/>
bereitung, uns allen, ungleich beſſer als nach irgend einer europaͤiſchen Manier zu-<lb/>
gerichtet. Es war ſaftiger als unſer gekochtes und auf alle Weiſe zaͤrter als unſer<lb/>
gebratnes. Vermittelſt der gleichfoͤrmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehal-<lb/>
ten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beyſammen. Das Fett hatte nicht den<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr"><persName>Forſters</persName> Reiſe u. d. W. erſter Th.</hi> Q q</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[305/0360]
in den Jahren 1772 bis 1775.
ſich. Dr. Sparrmann und mein Vater wollten die Gelegenheit, jene Inſel zu
unterſuchen, nicht aus den Haͤnden laſſen, und giengen alſo auch mit.
1773.
Septem-
ber.
Waͤhrend ihrer Abweſenheit wurden wir vom Orea, der in dem Diſtrict der
Inſel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, zu Gaſte genoͤthigt. Es verfuͤg-
ten ſich daher die Capitains beyder Schiffe, nebſt verſchiednen Officiers und Paſ-
ſagiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage aus Land, wohl verſehen,
mit Pfeffer, Salz, Meſſern, Gabeln und etlichen Flaſchen Wein. Bey der
Ankunft in unſers Wirthes Hauſe fanden wir den Boden groͤßtentheils mit
Blaͤttern beſtreuet, die ſtatt Tiſchtuchs dienten. Rund um dieſen Bezirk
nahmen wir und die Vornehmſten des Landes unſre Plaͤtze ein. Wir hatten
nicht lange geſeſſen, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes
Schwein, in Piſang-Blaͤtter gewickelt, auf den Schultern hatte, und ſolches
mitten vor uns, auf die Erde, hinwarf. Eben dies that ein zweyter mit ei-
nem kleineren Schweine; und dieſen folgten verſchiedne andre mit Koͤrben
voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige Mahei genannt.
Der Wirth bat, wir moͤgten uns ſelbſt bedienen, worauf denn in kurzer Zeit
beyde Schweine zerlegt waren. Nun draͤngten ſich die Leute gewaltig her-
bey; die Frauensperſonen und uͤberhaupt alles gemeine Volk bat in betteln-
dem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, ſeinen
Nachbarn redlich davon mit, ja ſie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans
aͤußerſte Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedraͤnges wegen, nicht
herbey kommen konnten. Die Maͤnner verzehrten ihren Antheil mit großem
Appetit; die Frauensleute hingegen wickelten ihre Portionen in Blaͤtter und
verwahrten ſie bis ſie allein ſeyn wuͤrden. Sowohl die Gierigkeit mit der ſie uns
plagten und womit ſie ihre Bitten unablaͤſſig wiederholten, als auch die neidiſchen
Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, uͤberzeug-
ten uns, daß der gemeine Mann in dieſer Inſel kein Recht und keine Anſpruͤche
auf dergleichen Leckerbiſſen habe. Das Schweinefleiſch ſchmeckte nach hieſiger Zu-
bereitung, uns allen, ungleich beſſer als nach irgend einer europaͤiſchen Manier zu-
gerichtet. Es war ſaftiger als unſer gekochtes und auf alle Weiſe zaͤrter als unſer
gebratnes. Vermittelſt der gleichfoͤrmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehal-
ten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beyſammen. Das Fett hatte nicht den
Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. Q q
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/360>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.