1773. Septem- ber.von einem zehnjährigen Tahitischen Knaben machen. Gegen Untergang der Sonne giengen unsre vornehmen Gäste, mit der genoßnen Aufnahme ungemein zufrieden, allerseits wieder aus Land; von dem gemeinen Volk hingegen, blieb eine Menge Frauenspersonen im Schiffe und bezeigte sich gegen die Matrosen eben so gefällig als die Tahitischen Mädchen.
Es war sonderbar, daß selbst diese Gattung von Frauensleuten einen gewissen Grad von Eitelkeit besaß; denn sie nannten sich untereinander nicht an- ders als Tedua, (Madame) ein Titel, der hier zu Lande nur den adelichen Da- men zukommt, ja eigentlich vorzugsweise nur den Prinzeßinnen gebühret. Dies wußten wir von Tahiti aus; wenn z. E. dort des Königs Schwester irgendwo vorüber kam, so pflegte derjenige Indianer, der sie zuerst erblickte, überlaut auszurufen: Tedua harremai, Madame kommt! damit seine Landsleute ihre Schuldigkeit beobachten und die Schultern entblößen möchten; oft sagten sie in dergleichen Fällen auch blos Eri, welches dann jederzeit eine Person von königlichem Geblüte andeutete. -- Unsre Matrosen aber, welche die hiesige Sprache nicht verstanden, glaubten steif und fest, daß ihre Dulcineen hier alle einerley Namen hätten, welches denn oft lustige Auftritte veranlaßte.
Die beyden folgenden Tage brachten wir damit hin, längst der Küste botanisch- und physicalische Untersuchungen anzustellen. Gegen das Nord-Ende der Insel fanden wir viel tiefe Buchten, die sich in sumpfigte Gegenden endigten, allwo es wilde Endten und Schnepfen in Menge gab. Dieses Wildpret war aber scheuer als wir erwarteten; denn wie sich nach der Hand auswies, so halten es die Einwohner, so gut als wir, für Leckerbissen und jagen darnach. Am Sonn- tage gab man uns noch einen Hiwa oder dramatischen Tanz zum besten; er ward durch eben die Personen aufgeführt, und war eben so beschaffen, als der zu- vor erwähnte, nur dauerte er nicht so lange.
Am 14ten, bey Anbruch des Tages, sandten Capitain Cook und Four- neaux, jeder ein Boot nach der Insel O-Taha, die 2 bis 3 See-Meilen von hier und innerhalb desselben Felsen-Rieffs liegt als Raietea. Sie hofften dort einen Vorrath von Früchten zu bekommen, die auf letzterer Insel, wo wir vor Anker lagen, selten waren. Zu dem Ende nahm sowohl der Lieutenant Pi- ckersgill, als auch Herr Rowe, einen Vorrath von Corallen und Nägeln mit
sich.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Septem- ber.von einem zehnjaͤhrigen Tahitiſchen Knaben machen. Gegen Untergang der Sonne giengen unſre vornehmen Gaͤſte, mit der genoßnen Aufnahme ungemein zufrieden, allerſeits wieder aus Land; von dem gemeinen Volk hingegen, blieb eine Menge Frauensperſonen im Schiffe und bezeigte ſich gegen die Matroſen eben ſo gefaͤllig als die Tahitiſchen Maͤdchen.
Es war ſonderbar, daß ſelbſt dieſe Gattung von Frauensleuten einen gewiſſen Grad von Eitelkeit beſaß; denn ſie nannten ſich untereinander nicht an- ders als Tedua, (Madame) ein Titel, der hier zu Lande nur den adelichen Da- men zukommt, ja eigentlich vorzugsweiſe nur den Prinzeßinnen gebuͤhret. Dies wußten wir von Tahiti aus; wenn z. E. dort des Koͤnigs Schweſter irgendwo voruͤber kam, ſo pflegte derjenige Indianer, der ſie zuerſt erblickte, uͤberlaut auszurufen: Tedua harremai, Madame kommt! damit ſeine Landsleute ihre Schuldigkeit beobachten und die Schultern entbloͤßen moͤchten; oft ſagten ſie in dergleichen Faͤllen auch blos Eri, welches dann jederzeit eine Perſon von koͤniglichem Gebluͤte andeutete. — Unſre Matroſen aber, welche die hieſige Sprache nicht verſtanden, glaubten ſteif und feſt, daß ihre Dulcineen hier alle einerley Namen haͤtten, welches denn oft luſtige Auftritte veranlaßte.
Die beyden folgenden Tage brachten wir damit hin, laͤngſt der Kuͤſte botaniſch- und phyſicaliſche Unterſuchungen anzuſtellen. Gegen das Nord-Ende der Inſel fanden wir viel tiefe Buchten, die ſich in ſumpfigte Gegenden endigten, allwo es wilde Endten und Schnepfen in Menge gab. Dieſes Wildpret war aber ſcheuer als wir erwarteten; denn wie ſich nach der Hand auswies, ſo halten es die Einwohner, ſo gut als wir, fuͤr Leckerbiſſen und jagen darnach. Am Sonn- tage gab man uns noch einen Hiwa oder dramatiſchen Tanz zum beſten; er ward durch eben die Perſonen aufgefuͤhrt, und war eben ſo beſchaffen, als der zu- vor erwaͤhnte, nur dauerte er nicht ſo lange.
Am 14ten, bey Anbruch des Tages, ſandten Capitain Cook und Four- neaux, jeder ein Boot nach der Inſel O-Taha, die 2 bis 3 See-Meilen von hier und innerhalb deſſelben Felſen-Rieffs liegt als Raietea. Sie hofften dort einen Vorrath von Fruͤchten zu bekommen, die auf letzterer Inſel, wo wir vor Anker lagen, ſelten waren. Zu dem Ende nahm ſowohl der Lieutenant Pi- ckersgill, als auch Herr Rowe, einen Vorrath von Corallen und Naͤgeln mit
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zufrieden, allerſeits wieder aus Land; von dem gemeinen Volk hingegen, blieb
eine Menge Frauensperſonen im Schiffe und bezeigte ſich gegen die Matroſen
eben ſo gefaͤllig als die Tahitiſchen Maͤdchen.
1773.
Septem-
ber.
Es war ſonderbar, daß ſelbſt dieſe Gattung von Frauensleuten einen
gewiſſen Grad von Eitelkeit beſaß; denn ſie nannten ſich untereinander nicht an-
ders als Tedua, (Madame) ein Titel, der hier zu Lande nur den adelichen Da-
men zukommt, ja eigentlich vorzugsweiſe nur den Prinzeßinnen gebuͤhret. Dies
wußten wir von Tahiti aus; wenn z. E. dort des Koͤnigs Schweſter irgendwo
voruͤber kam, ſo pflegte derjenige Indianer, der ſie zuerſt erblickte, uͤberlaut
auszurufen: Tedua harremai, Madame kommt! damit ſeine Landsleute
ihre Schuldigkeit beobachten und die Schultern entbloͤßen moͤchten; oft ſagten
ſie in dergleichen Faͤllen auch blos Eri, welches dann jederzeit eine Perſon von
koͤniglichem Gebluͤte andeutete. — Unſre Matroſen aber, welche die hieſige
Sprache nicht verſtanden, glaubten ſteif und feſt, daß ihre Dulcineen hier alle
einerley Namen haͤtten, welches denn oft luſtige Auftritte veranlaßte.
Die beyden folgenden Tage brachten wir damit hin, laͤngſt der Kuͤſte
botaniſch- und phyſicaliſche Unterſuchungen anzuſtellen. Gegen das Nord-Ende
der Inſel fanden wir viel tiefe Buchten, die ſich in ſumpfigte Gegenden endigten,
allwo es wilde Endten und Schnepfen in Menge gab. Dieſes Wildpret war
aber ſcheuer als wir erwarteten; denn wie ſich nach der Hand auswies, ſo halten
es die Einwohner, ſo gut als wir, fuͤr Leckerbiſſen und jagen darnach. Am Sonn-
tage gab man uns noch einen Hiwa oder dramatiſchen Tanz zum beſten; er ward
durch eben die Perſonen aufgefuͤhrt, und war eben ſo beſchaffen, als der zu-
vor erwaͤhnte, nur dauerte er nicht ſo lange.
Am 14ten, bey Anbruch des Tages, ſandten Capitain Cook und Four-
neaux, jeder ein Boot nach der Inſel O-Taha, die 2 bis 3 See-Meilen
von hier und innerhalb deſſelben Felſen-Rieffs liegt als Raietea. Sie hofften
dort einen Vorrath von Fruͤchten zu bekommen, die auf letzterer Inſel, wo wir
vor Anker lagen, ſelten waren. Zu dem Ende nahm ſowohl der Lieutenant Pi-
ckersgill, als auch Herr Rowe, einen Vorrath von Corallen und Naͤgeln mit
ſich.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/359>, abgerufen am 16.07.2024.
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