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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
decke nieder. Der Capitain schenkte ihm einen Nagel, den er sogleich über1773.
October.

den Kopf empor hielt und dabey das Wort Fagafetai hören ließ, welches, allem
Ansehen nach, eine Danksagung bedeuten sollte. Bis auf den Unterleib gieng
er unbekleidet, von da aber bis zu den Knien, hatte er ein Stück braungefärbtes
Zeug um sich geschlagen. Dieses schien mit dem Tahitischen von einerley Art
und Arbeit zu seyn; doch war es mit Leim oder Firniß steif und wasserdicht
gemacht. Der Mann war von mittler Statur, und hatte eine sanfte, ziem-
lich regelmäßige Gesichtsbildung. An Farbe glich er den gemeinen Tahi-
tiern,
*) das ist, er war hell Mahogany- oder Castanien-braun. Den Bart
trug er kurz geschoren; und sein schwarzes Haar hieng ihm in kurzen Locken
um den Kopf, so kraus als wenn es gebrannt wäre. Auf jedem Arm hatte
er drey runde Flecke, ohngefähr so groß als ein Wilder-Manns-Gulden, die, in
Form erhabener Punkte, nach Tahitischer Manier, in die Haut punetirt, jedoch
nicht mit schwarzer Farbe eingerieben waren. Der Figur nach, stellten sie lau-
ter in einander passende Zirkel vor, davon die äußersten am größten waren, die
innern hingegen immer kleiner wurden. Außerdem hatte er noch andre schwarze
Flecke auf dem Leibe. Im Ohrläpchen befanden sich zwey Löcher, darinn er ei-
nen kleinen runden Stab trug, und an der linken Hand fehlte ihm der kleine Fin-
ger. Er blieb eine ganze Weile ohne ein Wort zu sprechen; indeß verschiedne
andre, die nach ihm sich an Bord wagten, weit gesprächiger waren, und gleich
nach verrichtetem Nasengruß, uns in ihrer Sprache anredeten, von welcher wir
damals noch kein Wort verstanden. Mittlerweile hatten wir die nordwestliche
Spitze der Insel erreicht und kamen allda um 9 Uhr, in einer ofnen Rheede
auf einem guten sichern Grunde, glücklich vor Anker. Kaum war dies ge-
schehn, so drängten sich vom Lande her eine Menge Canots zu uns, in deren
jedem drey bis vier Leute saßen, die große Haufen ihres Zeuges zum Verkauf
ausbothen. Die Canots waren klein, ohngefähr 15 Fus lang, sehr spitz gebauet
und an beyden Enden bedeckt. Sie hatten, gleich den kleinen Fahrzeugen der
Tahitier, mehrentheils Ausleger von Stangen; dünkten uns aber ungleich

*) Da die Einwohner von Tahiti und den Societäts Inseln fast in allen Stücken mit
einander übereinkommen, so werde ich, im Verfolg dieser Geschichte, jeden Gebrauch Ta-
hitisch
nennen, der entweder zu Tahiti selbst oder doch auf den Societäts-Inseln üblich ist.

in den Jahren 1772 bis 1775.
decke nieder. Der Capitain ſchenkte ihm einen Nagel, den er ſogleich uͤber1773.
October.

den Kopf empor hielt und dabey das Wort Fagafetai hoͤren ließ, welches, allem
Anſehen nach, eine Dankſagung bedeuten ſollte. Bis auf den Unterleib gieng
er unbekleidet, von da aber bis zu den Knien, hatte er ein Stuͤck braungefaͤrbtes
Zeug um ſich geſchlagen. Dieſes ſchien mit dem Tahitiſchen von einerley Art
und Arbeit zu ſeyn; doch war es mit Leim oder Firniß ſteif und waſſerdicht
gemacht. Der Mann war von mittler Statur, und hatte eine ſanfte, ziem-
lich regelmaͤßige Geſichtsbildung. An Farbe glich er den gemeinen Tahi-
tiern,
*) das iſt, er war hell Mahogany- oder Caſtanien-braun. Den Bart
trug er kurz geſchoren; und ſein ſchwarzes Haar hieng ihm in kurzen Locken
um den Kopf, ſo kraus als wenn es gebrannt waͤre. Auf jedem Arm hatte
er drey runde Flecke, ohngefaͤhr ſo groß als ein Wilder-Manns-Gulden, die, in
Form erhabener Punkte, nach Tahitiſcher Manier, in die Haut punetirt, jedoch
nicht mit ſchwarzer Farbe eingerieben waren. Der Figur nach, ſtellten ſie lau-
ter in einander paſſende Zirkel vor, davon die aͤußerſten am groͤßten waren, die
innern hingegen immer kleiner wurden. Außerdem hatte er noch andre ſchwarze
Flecke auf dem Leibe. Im Ohrlaͤpchen befanden ſich zwey Loͤcher, darinn er ei-
nen kleinen runden Stab trug, und an der linken Hand fehlte ihm der kleine Fin-
ger. Er blieb eine ganze Weile ohne ein Wort zu ſprechen; indeß verſchiedne
andre, die nach ihm ſich an Bord wagten, weit geſpraͤchiger waren, und gleich
nach verrichtetem Naſengruß, uns in ihrer Sprache anredeten, von welcher wir
damals noch kein Wort verſtanden. Mittlerweile hatten wir die nordweſtliche
Spitze der Inſel erreicht und kamen allda um 9 Uhr, in einer ofnen Rheede
auf einem guten ſichern Grunde, gluͤcklich vor Anker. Kaum war dies ge-
ſchehn, ſo draͤngten ſich vom Lande her eine Menge Canots zu uns, in deren
jedem drey bis vier Leute ſaßen, die große Haufen ihres Zeuges zum Verkauf
ausbothen. Die Canots waren klein, ohngefaͤhr 15 Fus lang, ſehr ſpitz gebauet
und an beyden Enden bedeckt. Sie hatten, gleich den kleinen Fahrzeugen der
Tahitier, mehrentheils Ausleger von Stangen; duͤnkten uns aber ungleich

*) Da die Einwohner von Tahiti und den Societaͤts Inſeln faſt in allen Stuͤcken mit
einander uͤbereinkommen, ſo werde ich, im Verfolg dieſer Geſchichte, jeden Gebrauch Ta-
hitiſch
nennen, der entweder zu Tahiti ſelbſt oder doch auf den Societaͤts-Inſeln uͤblich iſt.
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[319/0374] in den Jahren 1772 bis 1775. decke nieder. Der Capitain ſchenkte ihm einen Nagel, den er ſogleich uͤber den Kopf empor hielt und dabey das Wort Fagafetai hoͤren ließ, welches, allem Anſehen nach, eine Dankſagung bedeuten ſollte. Bis auf den Unterleib gieng er unbekleidet, von da aber bis zu den Knien, hatte er ein Stuͤck braungefaͤrbtes Zeug um ſich geſchlagen. Dieſes ſchien mit dem Tahitiſchen von einerley Art und Arbeit zu ſeyn; doch war es mit Leim oder Firniß ſteif und waſſerdicht gemacht. Der Mann war von mittler Statur, und hatte eine ſanfte, ziem- lich regelmaͤßige Geſichtsbildung. An Farbe glich er den gemeinen Tahi- tiern, *) das iſt, er war hell Mahogany- oder Caſtanien-braun. Den Bart trug er kurz geſchoren; und ſein ſchwarzes Haar hieng ihm in kurzen Locken um den Kopf, ſo kraus als wenn es gebrannt waͤre. Auf jedem Arm hatte er drey runde Flecke, ohngefaͤhr ſo groß als ein Wilder-Manns-Gulden, die, in Form erhabener Punkte, nach Tahitiſcher Manier, in die Haut punetirt, jedoch nicht mit ſchwarzer Farbe eingerieben waren. Der Figur nach, ſtellten ſie lau- ter in einander paſſende Zirkel vor, davon die aͤußerſten am groͤßten waren, die innern hingegen immer kleiner wurden. Außerdem hatte er noch andre ſchwarze Flecke auf dem Leibe. Im Ohrlaͤpchen befanden ſich zwey Loͤcher, darinn er ei- nen kleinen runden Stab trug, und an der linken Hand fehlte ihm der kleine Fin- ger. Er blieb eine ganze Weile ohne ein Wort zu ſprechen; indeß verſchiedne andre, die nach ihm ſich an Bord wagten, weit geſpraͤchiger waren, und gleich nach verrichtetem Naſengruß, uns in ihrer Sprache anredeten, von welcher wir damals noch kein Wort verſtanden. Mittlerweile hatten wir die nordweſtliche Spitze der Inſel erreicht und kamen allda um 9 Uhr, in einer ofnen Rheede auf einem guten ſichern Grunde, gluͤcklich vor Anker. Kaum war dies ge- ſchehn, ſo draͤngten ſich vom Lande her eine Menge Canots zu uns, in deren jedem drey bis vier Leute ſaßen, die große Haufen ihres Zeuges zum Verkauf ausbothen. Die Canots waren klein, ohngefaͤhr 15 Fus lang, ſehr ſpitz gebauet und an beyden Enden bedeckt. Sie hatten, gleich den kleinen Fahrzeugen der Tahitier, mehrentheils Ausleger von Stangen; duͤnkten uns aber ungleich 1773. October. *) Da die Einwohner von Tahiti und den Societaͤts Inſeln faſt in allen Stuͤcken mit einander uͤbereinkommen, ſo werde ich, im Verfolg dieſer Geſchichte, jeden Gebrauch Ta- hitiſch nennen, der entweder zu Tahiti ſelbſt oder doch auf den Societaͤts-Inſeln uͤblich iſt.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/374>, abgerufen am 22.11.2024.