Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1773.
October.
Begriffen herzurühren, als welche sich nach und nach, theils zufälligerweise theils
auf Veranlassung besondrer Grillen, mögen verändert haben. -- "Wir fanden hier
wie auf Tahiti einen König (Ariki) mit vielen ihm untergebenen Prinzen oder
Chefs, denen vermuthlich gewisse Bezirke gehören, und denen das gemeine Volk,
noch mehr als die Tahitier ihrem Adel, ergeben war. Auch glaubten wir
einen dritten Stand bemerkt zu haben, der mit den Manahaunä's auf den
Societäts-Inseln übereinstimmet, und vielleicht war Attaha ein Mann von
dieser Art. Ohnstreitig ist alles Land hier ein Privat-Eigenthum, denn wo
der Boden so äußerst sorgfältig bearbeitet wird, daß nicht ein Fleckchen unge-
nutzt bleibt, da kann unmöglich alles gemeinschaftlich seyn, sonst wäre ja der
Müßiggänger glücklicher als der Arbeitsame. Oft habe ich sechs, acht bis zehn
Leute mit Früchten und andern Lebensmitteln beladen ans Ufer kommen sehn;
ein Mann, oder auch eine Frau, die neben her gieng, verkaufte dies alles, und
ohne ihren Willen durften die andern nicht ein Stückchen gegen unsere Waaren
vertauschen. Dergleichen Leute als die Träger, machen also hier, so wie die
Tautaus in Tahiti, die geringste Classe von Menschen aus, und müssen den
andern dienen, und für sie arbeiten." -- Der entscheidendste Beweis von der
Verwandtschaft beyder Völker liegt in der Aehnlichkeit ihrer Sprachen. Die
mehresten Arten von Lebensmitteln, welche beyde Inseln mit einander gemein ha-
ben, die Glieder des Cörpers, kurz die ersten und gewöhnlichsten Begriffe, wur-
den auf den Societäts- und auf den freundschaftlichen Inseln durch ein und
eben dieselben Worte ausgedrückt. Der Dialect der auf Tongatabu geredet
wird, war so sanfttönend und wohlklingend nicht, als zu Tahiti; denn jene
Insulaner haben das F. K. und S. in ihre Mundart aufgenommen, und folglich
mehr mitlautende Buchstaben als diese. Dagegen wird die hieraus entste-
hende Härte dadurch wieder gemildert, daß man hier nicht nur die sanft fließenden
Buchstaben L. M. N.; imgleichen die melodischen Selbstlauter E. und J. häufig
gebraucht, sondern auch in einem gewissen singenden Ton zu sprechen pflegt.
Doch es ist Zeit wieder einzulenken.

Wir verließen unsre Freunde nicht eher als bey Untergang der
Sonnen, und versprachen ihnen, sie am folgenden Morgen nochmals zu be-
suchen. Beyde Schiffe waren nun wieder mit einem guten Vorrath von

Pisangs,

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
October.
Begriffen herzuruͤhren, als welche ſich nach und nach, theils zufaͤlligerweiſe theils
auf Veranlaſſung beſondrer Grillen, moͤgen veraͤndert haben. — “Wir fanden hier
wie auf Tahiti einen Koͤnig (Ariki) mit vielen ihm untergebenen Prinzen oder
Chefs, denen vermuthlich gewiſſe Bezirke gehoͤren, und denen das gemeine Volk,
noch mehr als die Tahitier ihrem Adel, ergeben war. Auch glaubten wir
einen dritten Stand bemerkt zu haben, der mit den Manahaunaͤ’s auf den
Societaͤts-Inſeln uͤbereinſtimmet, und vielleicht war Attaha ein Mann von
dieſer Art. Ohnſtreitig iſt alles Land hier ein Privat-Eigenthum, denn wo
der Boden ſo aͤußerſt ſorgfaͤltig bearbeitet wird, daß nicht ein Fleckchen unge-
nutzt bleibt, da kann unmoͤglich alles gemeinſchaftlich ſeyn, ſonſt waͤre ja der
Muͤßiggaͤnger gluͤcklicher als der Arbeitſame. Oft habe ich ſechs, acht bis zehn
Leute mit Fruͤchten und andern Lebensmitteln beladen ans Ufer kommen ſehn;
ein Mann, oder auch eine Frau, die neben her gieng, verkaufte dies alles, und
ohne ihren Willen durften die andern nicht ein Stuͤckchen gegen unſere Waaren
vertauſchen. Dergleichen Leute als die Traͤger, machen alſo hier, ſo wie die
Tautaus in Tahiti, die geringſte Claſſe von Menſchen aus, und muͤſſen den
andern dienen, und fuͤr ſie arbeiten.” — Der entſcheidendſte Beweis von der
Verwandtſchaft beyder Voͤlker liegt in der Aehnlichkeit ihrer Sprachen. Die
mehreſten Arten von Lebensmitteln, welche beyde Inſeln mit einander gemein ha-
ben, die Glieder des Coͤrpers, kurz die erſten und gewoͤhnlichſten Begriffe, wur-
den auf den Societaͤts- und auf den freundſchaftlichen Inſeln durch ein und
eben dieſelben Worte ausgedruͤckt. Der Dialect der auf Tongatabu geredet
wird, war ſo ſanfttoͤnend und wohlklingend nicht, als zu Tahiti; denn jene
Inſulaner haben das F. K. und S. in ihre Mundart aufgenommen, und folglich
mehr mitlautende Buchſtaben als dieſe. Dagegen wird die hieraus entſte-
hende Haͤrte dadurch wieder gemildert, daß man hier nicht nur die ſanft fließenden
Buchſtaben L. M. N.; imgleichen die melodiſchen Selbſtlauter E. und J. haͤufig
gebraucht, ſondern auch in einem gewiſſen ſingenden Ton zu ſprechen pflegt.
Doch es iſt Zeit wieder einzulenken.

Wir verließen unſre Freunde nicht eher als bey Untergang der
Sonnen, und verſprachen ihnen, ſie am folgenden Morgen nochmals zu be-
ſuchen. Beyde Schiffe waren nun wieder mit einem guten Vorrath von

Piſangs,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0419" n="360"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/>
October.</note>Begriffen herzuru&#x0364;hren, als welche &#x017F;ich nach und nach, theils zufa&#x0364;lligerwei&#x017F;e theils<lb/>
auf Veranla&#x017F;&#x017F;ung be&#x017F;ondrer Grillen, mo&#x0364;gen vera&#x0364;ndert haben. &#x2014; &#x201C;Wir fanden hier<lb/>
wie auf <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi> einen Ko&#x0364;nig (<hi rendition="#aq">Ariki</hi>) mit vielen ihm untergebenen Prinzen oder<lb/>
Chefs, denen vermuthlich gewi&#x017F;&#x017F;e Bezirke geho&#x0364;ren, und denen das gemeine Volk,<lb/>
noch mehr als die <hi rendition="#fr">Tahitier</hi> ihrem Adel, ergeben war. Auch glaubten wir<lb/>
einen dritten Stand bemerkt zu haben, der mit den <hi rendition="#fr">Manahauna&#x0364;&#x2019;s</hi> auf den<lb/><placeName>Societa&#x0364;ts-In&#x017F;eln</placeName> u&#x0364;berein&#x017F;timmet, und vielleicht war <hi rendition="#fr"><persName>Attaha</persName></hi> ein Mann von<lb/>
die&#x017F;er Art. Ohn&#x017F;treitig i&#x017F;t alles Land hier ein Privat-Eigenthum, denn wo<lb/>
der Boden &#x017F;o a&#x0364;ußer&#x017F;t <choice><sic>&#x017F;org&#x017F;a&#x0364;ltig</sic><corr>&#x017F;orgfa&#x0364;ltig</corr></choice> bearbeitet wird, daß nicht ein Fleckchen unge-<lb/>
nutzt bleibt, da kann unmo&#x0364;glich alles gemein&#x017F;chaftlich &#x017F;eyn, &#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;re ja der<lb/>
Mu&#x0364;ßigga&#x0364;nger glu&#x0364;cklicher als der Arbeit&#x017F;ame. Oft habe ich &#x017F;echs, acht bis zehn<lb/>
Leute mit Fru&#x0364;chten und andern Lebensmitteln beladen ans Ufer kommen &#x017F;ehn;<lb/>
ein Mann, oder auch eine Frau, die neben her gieng, verkaufte dies alles, und<lb/>
ohne ihren Willen durften die andern nicht ein Stu&#x0364;ckchen gegen un&#x017F;ere Waaren<lb/>
vertau&#x017F;chen. Dergleichen Leute als die Tra&#x0364;ger, machen al&#x017F;o hier, &#x017F;o wie die<lb/><hi rendition="#fr">Tautaus</hi> in <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName>,</hi> die gering&#x017F;te Cla&#x017F;&#x017F;e von Men&#x017F;chen aus, und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en den<lb/>
andern dienen, und fu&#x0364;r &#x017F;ie arbeiten.&#x201D; &#x2014; Der ent&#x017F;cheidend&#x017F;te Beweis von der<lb/>
Verwandt&#x017F;chaft beyder Vo&#x0364;lker liegt in der Aehnlichkeit ihrer Sprachen. Die<lb/>
mehre&#x017F;ten Arten von Lebensmitteln, welche beyde In&#x017F;eln mit einander gemein ha-<lb/>
ben, die Glieder des Co&#x0364;rpers, kurz die er&#x017F;ten und gewo&#x0364;hnlich&#x017F;ten Begriffe, wur-<lb/>
den auf den <placeName><hi rendition="#fr">Societa&#x0364;ts</hi>- und auf den <hi rendition="#fr">freund&#x017F;chaftlichen In&#x017F;eln</hi></placeName> durch ein und<lb/>
eben die&#x017F;elben Worte ausgedru&#x0364;ckt. Der Dialect der auf <hi rendition="#fr"><placeName>Tongatabu</placeName></hi> geredet<lb/>
wird, war &#x017F;o &#x017F;anftto&#x0364;nend und wohlklingend nicht, als zu <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi>; denn jene<lb/>
In&#x017F;ulaner haben das F. K. und S. in ihre Mundart aufgenommen, und folglich<lb/>
mehr mitlautende Buch&#x017F;taben als die&#x017F;e. Dagegen wird die hieraus ent&#x017F;te-<lb/>
hende Ha&#x0364;rte dadurch wieder gemildert, daß man hier nicht nur die &#x017F;anft fließenden<lb/>
Buch&#x017F;taben L. M. N.; imgleichen die melodi&#x017F;chen Selb&#x017F;tlauter E. und J. ha&#x0364;ufig<lb/>
gebraucht, &#x017F;ondern auch in einem gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ingenden Ton zu &#x017F;prechen pflegt.<lb/>
Doch es i&#x017F;t Zeit wieder einzulenken.</p><lb/>
        <p>Wir verließen un&#x017F;re Freunde nicht eher als bey Untergang der<lb/>
Sonnen, und ver&#x017F;prachen ihnen, &#x017F;ie am folgenden Morgen nochmals zu be-<lb/>
&#x017F;uchen. Beyde Schiffe waren nun wieder mit einem guten Vorrath von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Pi&#x017F;angs,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0419] Forſter’s Reiſe um die Welt Begriffen herzuruͤhren, als welche ſich nach und nach, theils zufaͤlligerweiſe theils auf Veranlaſſung beſondrer Grillen, moͤgen veraͤndert haben. — “Wir fanden hier wie auf Tahiti einen Koͤnig (Ariki) mit vielen ihm untergebenen Prinzen oder Chefs, denen vermuthlich gewiſſe Bezirke gehoͤren, und denen das gemeine Volk, noch mehr als die Tahitier ihrem Adel, ergeben war. Auch glaubten wir einen dritten Stand bemerkt zu haben, der mit den Manahaunaͤ’s auf den Societaͤts-Inſeln uͤbereinſtimmet, und vielleicht war Attaha ein Mann von dieſer Art. Ohnſtreitig iſt alles Land hier ein Privat-Eigenthum, denn wo der Boden ſo aͤußerſt ſorgfaͤltig bearbeitet wird, daß nicht ein Fleckchen unge- nutzt bleibt, da kann unmoͤglich alles gemeinſchaftlich ſeyn, ſonſt waͤre ja der Muͤßiggaͤnger gluͤcklicher als der Arbeitſame. Oft habe ich ſechs, acht bis zehn Leute mit Fruͤchten und andern Lebensmitteln beladen ans Ufer kommen ſehn; ein Mann, oder auch eine Frau, die neben her gieng, verkaufte dies alles, und ohne ihren Willen durften die andern nicht ein Stuͤckchen gegen unſere Waaren vertauſchen. Dergleichen Leute als die Traͤger, machen alſo hier, ſo wie die Tautaus in Tahiti, die geringſte Claſſe von Menſchen aus, und muͤſſen den andern dienen, und fuͤr ſie arbeiten.” — Der entſcheidendſte Beweis von der Verwandtſchaft beyder Voͤlker liegt in der Aehnlichkeit ihrer Sprachen. Die mehreſten Arten von Lebensmitteln, welche beyde Inſeln mit einander gemein ha- ben, die Glieder des Coͤrpers, kurz die erſten und gewoͤhnlichſten Begriffe, wur- den auf den Societaͤts- und auf den freundſchaftlichen Inſeln durch ein und eben dieſelben Worte ausgedruͤckt. Der Dialect der auf Tongatabu geredet wird, war ſo ſanfttoͤnend und wohlklingend nicht, als zu Tahiti; denn jene Inſulaner haben das F. K. und S. in ihre Mundart aufgenommen, und folglich mehr mitlautende Buchſtaben als dieſe. Dagegen wird die hieraus entſte- hende Haͤrte dadurch wieder gemildert, daß man hier nicht nur die ſanft fließenden Buchſtaben L. M. N.; imgleichen die melodiſchen Selbſtlauter E. und J. haͤufig gebraucht, ſondern auch in einem gewiſſen ſingenden Ton zu ſprechen pflegt. Doch es iſt Zeit wieder einzulenken. 1773. October. Wir verließen unſre Freunde nicht eher als bey Untergang der Sonnen, und verſprachen ihnen, ſie am folgenden Morgen nochmals zu be- ſuchen. Beyde Schiffe waren nun wieder mit einem guten Vorrath von Piſangs,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/419
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/419>, abgerufen am 16.07.2024.