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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Einleitung.
schaft in drey, nicht wie sonst auf Kriegsschiffen gebräuchlich ist, in zwo Wachen.
Dadurch wurden die Leute den Veränderungen des Wetters minder ausgesetzt,
und hatten Zeit, ihre Kleider, wenn sie naß wurden, zu trocknen. Es wurden
auch auf öffentliche Kosten, während unserm Aufenthalt in kalten Gegenden,
warme Kleidungsstücke ausgetheilt, die der Mannschaft treflich zu statten kamen.

Erfahrne Aerzte, Seeleute und Menschenfreunde, hatten diese Hülfsmit-
tel vorgeschlagen; der Wundarzt, mein Vater und einige andere Personen im
Schiff, hatten den fleißigen Gebrauch derselben unaufhörlich angerathen; auch zeig-
ten sich die vortreflichen Wirkungen davon bald so deutlich, daß man sie in der
Folge für ganz unentbehrlich ansahe. Alle diese Ursachen und eigne Erfahrung,
bewogen Capitain Cook sie bey jeder Gelegenheit anzuwenden. Unter
göttlicher Führung blieben wir auf diese Art, ohnerachtet aller Beschwerlich-
keiten einer harten, ungewohnten Lebensart, und öfterer Abwechselung des Clima's
bey guter Gsundheit. Der Präsident der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften
in London, Sir John Pringle, spricht davon ausführlich als ein erfahrner
Arzt in seiner am 30sten November 1776 vor der Societät gehaltenen Rede,
bey Verschenkung der Copleyschen Denkmünze an Capitain Cook. Die Lob-
sprüche, die er unserm geschickten und berühmten Seemanne giebt, muß man
dem Styl des Redners und den Umständen zu Gute halten. Freylich läßt sich
nicht leicht begreifen, wie man einen Mann deswegen rühmen könne, daß er
die dargebothnen Hülfsmittel gebraucht, vermöge welcher er allein seinen End-
zweck, die Vollendung seiner Reise, erreichen konnte? Allein, dies mußte in Rücksicht
auf die Gesetze der Königlichen Gesellschaft geschehen; als vermöge welcher die Me-
daille nur dem Mitgliede zuerkannt wird, der die beste Abhandlung einreicht. Also
belohnte man nicht den berühmten Entdecker, den Welt- Umseegler, der den gültig-
sten Anspruch auf Belohnungen hatte, sondern den Mann, der das negative Ver-
dienst besaß, die dargebotnen Mittel, worauf seine Erhaltung, sein Ruhm, sein Glück
beruhte, ergriffen zu haben! Bis auf den Grad handelt man mit Chinesischer
Formalität in Engelland, diesem Lande der gesunden Vernunft und freyen Den-
kungsart! Doch, was sage ich? Ist's nicht genug, daß der stolze, reiche Britte,
der Herr, der Räuber und Plünderer beyder Indien, zuweilen das Verdienst be-

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Einleitung.
ſchaft in drey, nicht wie ſonſt auf Kriegsſchiffen gebraͤuchlich iſt, in zwo Wachen.
Dadurch wurden die Leute den Veraͤnderungen des Wetters minder ausgeſetzt,
und hatten Zeit, ihre Kleider, wenn ſie naß wurden, zu trocknen. Es wurden
auch auf oͤffentliche Koſten, waͤhrend unſerm Aufenthalt in kalten Gegenden,
warme Kleidungsſtuͤcke ausgetheilt, die der Mannſchaft treflich zu ſtatten kamen.

Erfahrne Aerzte, Seeleute und Menſchenfreunde, hatten dieſe Huͤlfsmit-
tel vorgeſchlagen; der Wundarzt, mein Vater und einige andere Perſonen im
Schiff, hatten den fleißigen Gebrauch derſelben unaufhoͤrlich angerathen; auch zeig-
ten ſich die vortreflichen Wirkungen davon bald ſo deutlich, daß man ſie in der
Folge fuͤr ganz unentbehrlich anſahe. Alle dieſe Urſachen und eigne Erfahrung,
bewogen Capitain Cook ſie bey jeder Gelegenheit anzuwenden. Unter
goͤttlicher Fuͤhrung blieben wir auf dieſe Art, ohnerachtet aller Beſchwerlich-
keiten einer harten, ungewohnten Lebensart, und oͤfterer Abwechſelung des Clima’s
bey guter Gſundheit. Der Praͤſident der koͤniglichen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften
in London, Sir John Pringle, ſpricht davon ausfuͤhrlich als ein erfahrner
Arzt in ſeiner am 30ſten November 1776 vor der Societaͤt gehaltenen Rede,
bey Verſchenkung der Copleyſchen Denkmuͤnze an Capitain Cook. Die Lob-
ſpruͤche, die er unſerm geſchickten und beruͤhmten Seemanne giebt, muß man
dem Styl des Redners und den Umſtaͤnden zu Gute halten. Freylich laͤßt ſich
nicht leicht begreifen, wie man einen Mann deswegen ruͤhmen koͤnne, daß er
die dargebothnen Huͤlfsmittel gebraucht, vermoͤge welcher er allein ſeinen End-
zweck, die Vollendung ſeiner Reiſe, erreichen konnte? Allein, dies mußte in Ruͤckſicht
auf die Geſetze der Koͤniglichen Geſellſchaft geſchehen; als vermoͤge welcher die Me-
daille nur dem Mitgliede zuerkannt wird, der die beſte Abhandlung einreicht. Alſo
belohnte man nicht den beruͤhmten Entdecker, den Welt- Umſeegler, der den guͤltig-
ſten Anſpruch auf Belohnungen hatte, ſondern den Mann, der das negative Ver-
dienſt beſaß, die dargebotnen Mittel, worauf ſeine Erhaltung, ſein Ruhm, ſein Gluͤck
beruhte, ergriffen zu haben! Bis auf den Grad handelt man mit Chineſiſcher
Formalitaͤt in Engelland, dieſem Lande der geſunden Vernunft und freyen Den-
kungsart! Doch, was ſage ich? Iſt’s nicht genug, daß der ſtolze, reiche Britte,
der Herr, der Raͤuber und Pluͤnderer beyder Indien, zuweilen das Verdienſt be-

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[0044] Einleitung. ſchaft in drey, nicht wie ſonſt auf Kriegsſchiffen gebraͤuchlich iſt, in zwo Wachen. Dadurch wurden die Leute den Veraͤnderungen des Wetters minder ausgeſetzt, und hatten Zeit, ihre Kleider, wenn ſie naß wurden, zu trocknen. Es wurden auch auf oͤffentliche Koſten, waͤhrend unſerm Aufenthalt in kalten Gegenden, warme Kleidungsſtuͤcke ausgetheilt, die der Mannſchaft treflich zu ſtatten kamen. Erfahrne Aerzte, Seeleute und Menſchenfreunde, hatten dieſe Huͤlfsmit- tel vorgeſchlagen; der Wundarzt, mein Vater und einige andere Perſonen im Schiff, hatten den fleißigen Gebrauch derſelben unaufhoͤrlich angerathen; auch zeig- ten ſich die vortreflichen Wirkungen davon bald ſo deutlich, daß man ſie in der Folge fuͤr ganz unentbehrlich anſahe. Alle dieſe Urſachen und eigne Erfahrung, bewogen Capitain Cook ſie bey jeder Gelegenheit anzuwenden. Unter goͤttlicher Fuͤhrung blieben wir auf dieſe Art, ohnerachtet aller Beſchwerlich- keiten einer harten, ungewohnten Lebensart, und oͤfterer Abwechſelung des Clima’s bey guter Gſundheit. Der Praͤſident der koͤniglichen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften in London, Sir John Pringle, ſpricht davon ausfuͤhrlich als ein erfahrner Arzt in ſeiner am 30ſten November 1776 vor der Societaͤt gehaltenen Rede, bey Verſchenkung der Copleyſchen Denkmuͤnze an Capitain Cook. Die Lob- ſpruͤche, die er unſerm geſchickten und beruͤhmten Seemanne giebt, muß man dem Styl des Redners und den Umſtaͤnden zu Gute halten. Freylich laͤßt ſich nicht leicht begreifen, wie man einen Mann deswegen ruͤhmen koͤnne, daß er die dargebothnen Huͤlfsmittel gebraucht, vermoͤge welcher er allein ſeinen End- zweck, die Vollendung ſeiner Reiſe, erreichen konnte? Allein, dies mußte in Ruͤckſicht auf die Geſetze der Koͤniglichen Geſellſchaft geſchehen; als vermoͤge welcher die Me- daille nur dem Mitgliede zuerkannt wird, der die beſte Abhandlung einreicht. Alſo belohnte man nicht den beruͤhmten Entdecker, den Welt- Umſeegler, der den guͤltig- ſten Anſpruch auf Belohnungen hatte, ſondern den Mann, der das negative Ver- dienſt beſaß, die dargebotnen Mittel, worauf ſeine Erhaltung, ſein Ruhm, ſein Gluͤck beruhte, ergriffen zu haben! Bis auf den Grad handelt man mit Chineſiſcher Formalitaͤt in Engelland, dieſem Lande der geſunden Vernunft und freyen Den- kungsart! Doch, was ſage ich? Iſt’s nicht genug, daß der ſtolze, reiche Britte, der Herr, der Raͤuber und Pluͤnderer beyder Indien, zuweilen das Verdienſt be- †††† 2

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/44>, abgerufen am 28.04.2024.