Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.May.mer Sprachkenntniß, nicht nähere Erkundigung einziehen. In dieser Ungewißheit berief er bey seiner Rückkunft die Officiere zusammen, und überlegte die Sache mit ihnen: Da gestand denn der zweyte Lieutenant offenherzig, daß von ihrer Seite der erste Angriff geschehen sey, und daß sie selbst sich ihren Unstern zugezogen hätten. Es habe nemlich einer von ihnen, auf dem See ein Paar wilde End- ten geschossen, und einen von den Indianern gebeten, sie aus dem Was- ser zu hohlen; dieser aber, ob ers wohl vorher schon mehrmalen gethan, habe sich nicht länger als Pudel wollen gebrauchen lassen; dies habe der Officier unbilligerweise übel genommen, und den armen Kerl so lange geprügelt, bis er sich dazu bequemet. Er sey hierauf mit ganz eigenthümlicher Fertigkeit, halb schwimmend und halb gehend, durch den dicken Schlamm bis nach dem Wasser hin durchgedrungen, als er aber die wilden Endten, die weit vom Ufer entfernt ge- legen, erreicht gehabt, sey er damit nach den jenseitigen Strand zu geschwommen, vielleicht in der Ueberzeugung, daß ihm, zur Entschädigung für die erlittne Miß- handlung und angewandte Mühe, dieses Wildpret mit Recht gebühre. Unser Seemann hingegen, der keinesweges gleicher Meynung gewesen, habe sein Ge- wehr mit einer Kugel geladen und nach dem Indianer geschossen, zum Glück aber nicht getroffen. Hierauf habe er zum zweytenmal laden wollen, allein die Anwe- senden Indianer, die ihren Landsmann einer so unbedeutenden Ursach wegen in Lebensgefahr gesehen, hätten dem Schützen das Gewehr abgenommen; er habe zwar um Hülfe gerufen, sie wären aber sämmtlich eben so wie jener, umringt gewesen. Gleichwohl habe einer von ihnen Mittel gefunden sein Gewehr abzufeuern und einem Indianer eine Ladung Schroot ins Bein zu schießen, dadurch wären jedoch die übrigen nur immer mehr erbittert worden, und hätten diese neue Gewaltthätigkeit durch unbarmherzige Prügel gerächet. Maheinens Knecht, ein starker untersetzter junger Kerl, der bey diesem Vorfall mit zugegen gewesen, habe für unsre Herren ganz verzweifelt gefochten, sey aber von der Menge überwältigt worden. Durch dieses Geständniß bekam die Sache ein ganz andres Ansehen; dem ohnerachtet wollte der Capitain den Befehlshaber nochmals um seine Meynung fragen, und bat zu dem Ende, daß ihn mein Vater begleiten mögte, weil dieser von der Landes- Sprache mehr verstand, denn sonst irgend jemand am Bord. Orih eröfnete ihnen, seine Absicht sey, wir sollten auf die Häuser der Leuthe losgehen, die sich selbst
Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.May.mer Sprachkenntniß, nicht naͤhere Erkundigung einziehen. In dieſer Ungewißheit berief er bey ſeiner Ruͤckkunft die Officiere zuſammen, und uͤberlegte die Sache mit ihnen: Da geſtand denn der zweyte Lieutenant offenherzig, daß von ihrer Seite der erſte Angriff geſchehen ſey, und daß ſie ſelbſt ſich ihren Unſtern zugezogen haͤtten. Es habe nemlich einer von ihnen, auf dem See ein Paar wilde End- ten geſchoſſen, und einen von den Indianern gebeten, ſie aus dem Waſ- ſer zu hohlen; dieſer aber, ob ers wohl vorher ſchon mehrmalen gethan, habe ſich nicht laͤnger als Pudel wollen gebrauchen laſſen; dies habe der Officier unbilligerweiſe uͤbel genommen, und den armen Kerl ſo lange gepruͤgelt, bis er ſich dazu bequemet. Er ſey hierauf mit ganz eigenthuͤmlicher Fertigkeit, halb ſchwimmend und halb gehend, durch den dicken Schlamm bis nach dem Waſſer hin durchgedrungen, als er aber die wilden Endten, die weit vom Ufer entfernt ge- legen, erreicht gehabt, ſey er damit nach den jenſeitigen Strand zu geſchwommen, vielleicht in der Ueberzeugung, daß ihm, zur Entſchaͤdigung fuͤr die erlittne Miß- handlung und angewandte Muͤhe, dieſes Wildpret mit Recht gebuͤhre. Unſer Seemann hingegen, der keinesweges gleicher Meynung geweſen, habe ſein Ge- wehr mit einer Kugel geladen und nach dem Indianer geſchoſſen, zum Gluͤck aber nicht getroffen. Hierauf habe er zum zweytenmal laden wollen, allein die Anwe- ſenden Indianer, die ihren Landsmann einer ſo unbedeutenden Urſach wegen in Lebensgefahr geſehen, haͤtten dem Schuͤtzen das Gewehr abgenommen; er habe zwar um Huͤlfe gerufen, ſie waͤren aber ſaͤmmtlich eben ſo wie jener, umringt geweſen. Gleichwohl habe einer von ihnen Mittel gefunden ſein Gewehr abzufeuern und einem Indianer eine Ladung Schroot ins Bein zu ſchießen, dadurch waͤren jedoch die uͤbrigen nur immer mehr erbittert worden, und haͤtten dieſe neue Gewaltthaͤtigkeit durch unbarmherzige Pruͤgel geraͤchet. Maheinens Knecht, ein ſtarker unterſetzter junger Kerl, der bey dieſem Vorfall mit zugegen geweſen, habe fuͤr unſre Herren ganz verzweifelt gefochten, ſey aber von der Menge uͤberwaͤltigt worden. Durch dieſes Geſtaͤndniß bekam die Sache ein ganz andres Anſehen; dem ohnerachtet wollte der Capitain den Befehlshaber nochmals um ſeine Meynung fragen, und bat zu dem Ende, daß ihn mein Vater begleiten moͤgte, weil dieſer von der Landes- Sprache mehr verſtand, denn ſonſt irgend jemand am Bord. Orih eroͤfnete ihnen, ſeine Abſicht ſey, wir ſollten auf die Haͤuſer der Leuthe losgehen, die ſich ſelbſt
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Forſter’s Reiſe um die Welt
mer Sprachkenntniß, nicht naͤhere Erkundigung einziehen. In dieſer Ungewißheit
berief er bey ſeiner Ruͤckkunft die Officiere zuſammen, und uͤberlegte die Sache
mit ihnen: Da geſtand denn der zweyte Lieutenant offenherzig, daß von ihrer Seite
der erſte Angriff geſchehen ſey, und daß ſie ſelbſt ſich ihren Unſtern zugezogen
haͤtten. Es habe nemlich einer von ihnen, auf dem See ein Paar wilde End-
ten geſchoſſen, und einen von den Indianern gebeten, ſie aus dem Waſ-
ſer zu hohlen; dieſer aber, ob ers wohl vorher ſchon mehrmalen gethan,
habe ſich nicht laͤnger als Pudel wollen gebrauchen laſſen; dies habe der Officier
unbilligerweiſe uͤbel genommen, und den armen Kerl ſo lange gepruͤgelt, bis er
ſich dazu bequemet. Er ſey hierauf mit ganz eigenthuͤmlicher Fertigkeit, halb
ſchwimmend und halb gehend, durch den dicken Schlamm bis nach dem Waſſer
hin durchgedrungen, als er aber die wilden Endten, die weit vom Ufer entfernt ge-
legen, erreicht gehabt, ſey er damit nach den jenſeitigen Strand zu geſchwommen,
vielleicht in der Ueberzeugung, daß ihm, zur Entſchaͤdigung fuͤr die erlittne Miß-
handlung und angewandte Muͤhe, dieſes Wildpret mit Recht gebuͤhre. Unſer
Seemann hingegen, der keinesweges gleicher Meynung geweſen, habe ſein Ge-
wehr mit einer Kugel geladen und nach dem Indianer geſchoſſen, zum Gluͤck aber
nicht getroffen. Hierauf habe er zum zweytenmal laden wollen, allein die Anwe-
ſenden Indianer, die ihren Landsmann einer ſo unbedeutenden Urſach wegen in
Lebensgefahr geſehen, haͤtten dem Schuͤtzen das Gewehr abgenommen; er habe
zwar um Huͤlfe gerufen, ſie waͤren aber ſaͤmmtlich eben ſo wie jener, umringt
geweſen. Gleichwohl habe einer von ihnen Mittel gefunden ſein Gewehr abzufeuern
und einem Indianer eine Ladung Schroot ins Bein zu ſchießen, dadurch waͤren jedoch
die uͤbrigen nur immer mehr erbittert worden, und haͤtten dieſe neue Gewaltthaͤtigkeit
durch unbarmherzige Pruͤgel geraͤchet. Maheinens Knecht, ein ſtarker unterſetzter
junger Kerl, der bey dieſem Vorfall mit zugegen geweſen, habe fuͤr unſre Herren
ganz verzweifelt gefochten, ſey aber von der Menge uͤberwaͤltigt worden. Durch
dieſes Geſtaͤndniß bekam die Sache ein ganz andres Anſehen; dem ohnerachtet wollte
der Capitain den Befehlshaber nochmals um ſeine Meynung fragen, und bat zu
dem Ende, daß ihn mein Vater begleiten moͤgte, weil dieſer von der Landes-
Sprache mehr verſtand, denn ſonſt irgend jemand am Bord. Orih eroͤfnete
ihnen, ſeine Abſicht ſey, wir ſollten auf die Haͤuſer der Leuthe losgehen, die ſich
ſelbſt
1774.
May.
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