Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.May.warum man sie beybehält, mag vielleicht diese seyn, daß beständig eine gewisse Anzahl von Kriegsleuten, zur Vertheidigung des Landes da sey; (denn alle Er- rioys sind Kriegesleute;) und da man vielleicht befürchtete, daß Liebe und Fa- milien-Bande sie feige und muthlos machen würden; so hat man ihnen den ehe- losen Stand vorgeschrieben, den sie aber in der Folge vermuthlich zu lästig gefun- den haben. Nächst dieser Absicht, mag man durch Errichtung dieser Er- rioys Gesellschaft, auch wohl der gar zu schnellen Vermehrung der Befehls- haber und der Vornehmen überhaupt, haben Schranken setzen wollen. Vielleicht sah ein alter vernünftiger Gesetzgeber zu Tahiti Voraus, daß wenn jene Classe klei- ner Tyrannen allzu zahlreich würde, der gemeine Mann unter dem Joche derselben bald würde erliegen müssen. *) Zu Verhütung dieses Uebels, gab es ohne Zwei- fel kein würksameres Mittel, als jene Verordnung, daß sie unverheyrathet blei- ben sollten; dagegen mußten ihnen aber zu Versüßung dieses Zwanges freylich ge- wisse glänzende Vorzüge eingeräumet werden. Hieher rechne ich die große Achtung, die man dem gemeinen Volk für die Errioys beybrachte, und die Mit- tel, die man ihnen verschaffte, sich gütlich zu thun, tapfer zu schmausen und alle Tage in Freuden zu leben, als welches von jeher das Vorrecht der Krieger war, ehe sie zu hungerleidenden Söldnern, der alles selbst verschlin- genden Tyrannen ausarteten. Ehemals mögen sie freylich die Achtung, welche man ihnen bezeigt, durch ein unsträfliches Betragen, mehr als heut zu Tage, ver- dienet haben. Wenn sie sich aber einmal, in Betracht der Ehe, über die Grundregeln ihres Instituts hinweggesetzt hatten, so ist leichtlich zu begreifen, daß nach und nach der ursprüngliche Geist dieser Gesellschaft, auch in den übrigen Stü- cken verloren gehen, und daß Ausschweifung und Völlerey an die Stelle der ehe- maligen Keuschheit und Mäßigkeit treten mußten. Gegenwärtig sind die Errioys unter ihren übrigen Landsleuten ohnläugbar die größten Wollüstlinge; daß sie aber, zu Befriedigung der Sinnlichkeit, auf neue Erfindungen verfallen wären, bin ich nicht gewahr worden Man hat ihnen zwar die häßlichste Art von wol- lüstiger Ausschweisung Schuld geben und behaupten wollen, daß ihre Weiber *) Man erinnere sich hiebey, was schon im ersten Theile dieses Werks, pag. 278. hievon ge-
äußert worden ist. Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.May.warum man ſie beybehaͤlt, mag vielleicht dieſe ſeyn, daß beſtaͤndig eine gewiſſe Anzahl von Kriegsleuten, zur Vertheidigung des Landes da ſey; (denn alle Er- rioys ſind Kriegesleute;) und da man vielleicht befuͤrchtete, daß Liebe und Fa- milien-Bande ſie feige und muthlos machen wuͤrden; ſo hat man ihnen den ehe- loſen Stand vorgeſchrieben, den ſie aber in der Folge vermuthlich zu laͤſtig gefun- den haben. Naͤchſt dieſer Abſicht, mag man durch Errichtung dieſer Er- rioys Geſellſchaft, auch wohl der gar zu ſchnellen Vermehrung der Befehls- haber und der Vornehmen uͤberhaupt, haben Schranken ſetzen wollen. Vielleicht ſah ein alter vernuͤnftiger Geſetzgeber zu Tahiti Voraus, daß wenn jene Claſſe klei- ner Tyrannen allzu zahlreich wuͤrde, der gemeine Mann unter dem Joche derſelben bald wuͤrde erliegen muͤſſen. *) Zu Verhuͤtung dieſes Uebels, gab es ohne Zwei- fel kein wuͤrkſameres Mittel, als jene Verordnung, daß ſie unverheyrathet blei- ben ſollten; dagegen mußten ihnen aber zu Verſuͤßung dieſes Zwanges freylich ge- wiſſe glaͤnzende Vorzuͤge eingeraͤumet werden. Hieher rechne ich die große Achtung, die man dem gemeinen Volk fuͤr die Errioys beybrachte, und die Mit- tel, die man ihnen verſchaffte, ſich guͤtlich zu thun, tapfer zu ſchmauſen und alle Tage in Freuden zu leben, als welches von jeher das Vorrecht der Krieger war, ehe ſie zu hungerleidenden Soͤldnern, der alles ſelbſt verſchlin- genden Tyrannen ausarteten. Ehemals moͤgen ſie freylich die Achtung, welche man ihnen bezeigt, durch ein unſtraͤfliches Betragen, mehr als heut zu Tage, ver- dienet haben. Wenn ſie ſich aber einmal, in Betracht der Ehe, uͤber die Grundregeln ihres Inſtituts hinweggeſetzt hatten, ſo iſt leichtlich zu begreifen, daß nach und nach der urſpruͤngliche Geiſt dieſer Geſellſchaft, auch in den uͤbrigen Stuͤ- cken verloren gehen, und daß Ausſchweifung und Voͤllerey an die Stelle der ehe- maligen Keuſchheit und Maͤßigkeit treten mußten. Gegenwaͤrtig ſind die Errioys unter ihren uͤbrigen Landsleuten ohnlaͤugbar die groͤßten Wolluͤſtlinge; daß ſie aber, zu Befriedigung der Sinnlichkeit, auf neue Erfindungen verfallen waͤren, bin ich nicht gewahr worden Man hat ihnen zwar die haͤßlichſte Art von wol- luͤſtiger Ausſchweiſung Schuld geben und behaupten wollen, daß ihre Weiber *) Man erinnere ſich hiebey, was ſchon im erſten Theile dieſes Werks, pag. 278. hievon ge-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
warum man ſie beybehaͤlt, mag vielleicht dieſe ſeyn, daß beſtaͤndig eine gewiſſe
Anzahl von Kriegsleuten, zur Vertheidigung des Landes da ſey; (denn alle Er-
rioys ſind Kriegesleute;) und da man vielleicht befuͤrchtete, daß Liebe und Fa-
milien-Bande ſie feige und muthlos machen wuͤrden; ſo hat man ihnen den ehe-
loſen Stand vorgeſchrieben, den ſie aber in der Folge vermuthlich zu laͤſtig gefun-
den haben. Naͤchſt dieſer Abſicht, mag man durch Errichtung dieſer Er-
rioys Geſellſchaft, auch wohl der gar zu ſchnellen Vermehrung der Befehls-
haber und der Vornehmen uͤberhaupt, haben Schranken ſetzen wollen. Vielleicht
ſah ein alter vernuͤnftiger Geſetzgeber zu Tahiti Voraus, daß wenn jene Claſſe klei-
ner Tyrannen allzu zahlreich wuͤrde, der gemeine Mann unter dem Joche derſelben
bald wuͤrde erliegen muͤſſen. *) Zu Verhuͤtung dieſes Uebels, gab es ohne Zwei-
fel kein wuͤrkſameres Mittel, als jene Verordnung, daß ſie unverheyrathet blei-
ben ſollten; dagegen mußten ihnen aber zu Verſuͤßung dieſes Zwanges freylich ge-
wiſſe glaͤnzende Vorzuͤge eingeraͤumet werden. Hieher rechne ich die große Achtung,
die man dem gemeinen Volk fuͤr die Errioys beybrachte, und die Mit-
tel, die man ihnen verſchaffte, ſich guͤtlich zu thun, tapfer zu ſchmauſen und
alle Tage in Freuden zu leben, als welches von jeher das Vorrecht der
Krieger war, ehe ſie zu hungerleidenden Soͤldnern, der alles ſelbſt verſchlin-
genden Tyrannen ausarteten. Ehemals moͤgen ſie freylich die Achtung, welche
man ihnen bezeigt, durch ein unſtraͤfliches Betragen, mehr als heut zu Tage, ver-
dienet haben. Wenn ſie ſich aber einmal, in Betracht der Ehe, uͤber die
Grundregeln ihres Inſtituts hinweggeſetzt hatten, ſo iſt leichtlich zu begreifen, daß
nach und nach der urſpruͤngliche Geiſt dieſer Geſellſchaft, auch in den uͤbrigen Stuͤ-
cken verloren gehen, und daß Ausſchweifung und Voͤllerey an die Stelle der ehe-
maligen Keuſchheit und Maͤßigkeit treten mußten. Gegenwaͤrtig ſind die Errioys
unter ihren uͤbrigen Landsleuten ohnlaͤugbar die groͤßten Wolluͤſtlinge; daß ſie aber,
zu Befriedigung der Sinnlichkeit, auf neue Erfindungen verfallen waͤren, bin
ich nicht gewahr worden Man hat ihnen zwar die haͤßlichſte Art von wol-
luͤſtiger Ausſchweiſung Schuld geben und behaupten wollen, daß ihre Weiber
1774.
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*) Man erinnere ſich hiebey, was ſchon im erſten Theile dieſes Werks, pag. 278. hievon ge-
aͤußert worden iſt.
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