Die Bewohner dieses reizenden Aufenthalts, schienen mir in keinem1774. Junius. Stück von den Einwohnern der Inseln Tongatabu und Ea-Uwhe unterschie- den zu seyn. Sie sind von mittlerer Größe, sehr wohl proportionirt, fleischig, aber keinesweges schwerfällig, und von castanienbrauner Farbe. Ihre Sprache, die Fahrzeuge, Waffen, Hausrath, Kleidung, Puncturen, die Art den Bart zu stutzen, das Einpudern des Haares; kurz, ihr ganzes Wesen und alle ihre Gebräuche stimmten mit dem, was wir hievon auf Tongatabu gesehen hatten, genau überein. Nur konnten wir, in der kurzen Zeit unsers Hier- seyns, keine Art von Subordination unter ihnen gewahr werden, wel- che hingegen zu Tongatabu sehr auffallend war, und, in den Ehren- bezeugungen für den König, fast bis zur äussersten Sclaverey gieng. Hier auf Namocka fanden wir Niemand, der ein ausdrückliches Ansehn oder Herrschaft über die andern gehabt hätte, es müßte denn der Mann gewesen seyn, den unsre Matrosen den Zollhaus-Visitator nannten, in so fern dieser alle an Bord kommende Canots durchsuchte. Die Frau, welche nach den ge- stohlnen Sachen schickte, mochte auch wohl etwas zu sagen haben. Herrn Patton's wohlthätige Beschützerin war unseres Wissens auf der ganzen In- sel die einzige Frauensperson, welche das Haar nicht gestutzt trug; und da wir durchgehends bemerkt zu haben glauben, daß es, in den Inseln der Süd- See, nur Frauenzimmern von gewissem Range als ein besonderes Vorrecht ge- stattet wird, die Haare wachsen zu lassen, *) so könnte, auch diese hier, wohl zu einer vornehmern Classe gehört haben, welches ihr äußerer Anstand ohnehin zu verrathen schien. Indessen will ich dadurch, daß wir den Unterschied der Stände hier nicht recht gewahr wurden, keinesweges zu verstehen geben, als ob diese Insulaner keine bestimmte Regierungsform unter sich hätten; im Gegentheil läßt sich vermöge der Aehnlichkeit mit ihren Nachbaren, welche durch- gehends unter einer Monarchischen Verfassung leben, ja aus dem Beyspiel al- ler bisher bekannt gewordnen Südsee-Inseln schließen, daß eine gleiche Regierungsart auch hier statt finden müsse. Ihre ungemeine Aehnlichkeit mit den Einwohnern auf Tongatabu ist beynahe Bürge dafür, daß sie gleichen Ursprung, vielleicht auch gleiche Religions-Begriffe mit jenen haben; obschon
*) Man sehe hiervon im ersten Theil dieser Geschichte Seite 248 nach.
in den Jahren 1772 bis 1775.
Die Bewohner dieſes reizenden Aufenthalts, ſchienen mir in keinem1774. Junius. Stuͤck von den Einwohnern der Inſeln Tongatabu und Ea-Uwhe unterſchie- den zu ſeyn. Sie ſind von mittlerer Groͤße, ſehr wohl proportionirt, fleiſchig, aber keinesweges ſchwerfaͤllig, und von caſtanienbrauner Farbe. Ihre Sprache, die Fahrzeuge, Waffen, Hausrath, Kleidung, Puncturen, die Art den Bart zu ſtutzen, das Einpudern des Haares; kurz, ihr ganzes Weſen und alle ihre Gebraͤuche ſtimmten mit dem, was wir hievon auf Tongatabu geſehen hatten, genau uͤberein. Nur konnten wir, in der kurzen Zeit unſers Hier- ſeyns, keine Art von Subordination unter ihnen gewahr werden, wel- che hingegen zu Tongatabu ſehr auffallend war, und, in den Ehren- bezeugungen fuͤr den Koͤnig, faſt bis zur aͤuſſerſten Sclaverey gieng. Hier auf Namocka fanden wir Niemand, der ein ausdruͤckliches Anſehn oder Herrſchaft uͤber die andern gehabt haͤtte, es muͤßte denn der Mann geweſen ſeyn, den unſre Matroſen den Zollhaus-Viſitator nannten, in ſo fern dieſer alle an Bord kommende Canots durchſuchte. Die Frau, welche nach den ge- ſtohlnen Sachen ſchickte, mochte auch wohl etwas zu ſagen haben. Herrn Patton’s wohlthaͤtige Beſchuͤtzerin war unſeres Wiſſens auf der ganzen In- ſel die einzige Frauensperſon, welche das Haar nicht geſtutzt trug; und da wir durchgehends bemerkt zu haben glauben, daß es, in den Inſeln der Suͤd- See, nur Frauenzimmern von gewiſſem Range als ein beſonderes Vorrecht ge- ſtattet wird, die Haare wachſen zu laſſen, *) ſo koͤnnte, auch dieſe hier, wohl zu einer vornehmern Claſſe gehoͤrt haben, welches ihr aͤußerer Anſtand ohnehin zu verrathen ſchien. Indeſſen will ich dadurch, daß wir den Unterſchied der Staͤnde hier nicht recht gewahr wurden, keinesweges zu verſtehen geben, als ob dieſe Inſulaner keine beſtimmte Regierungsform unter ſich haͤtten; im Gegentheil laͤßt ſich vermoͤge der Aehnlichkeit mit ihren Nachbaren, welche durch- gehends unter einer Monarchiſchen Verfaſſung leben, ja aus dem Beyſpiel al- ler bisher bekannt gewordnen Suͤdſee-Inſeln ſchließen, daß eine gleiche Regierungsart auch hier ſtatt finden muͤſſe. Ihre ungemeine Aehnlichkeit mit den Einwohnern auf Tongatabu iſt beynahe Buͤrge dafuͤr, daß ſie gleichen Urſprung, vielleicht auch gleiche Religions-Begriffe mit jenen haben; obſchon
*) Man ſehe hiervon im erſten Theil dieſer Geſchichte Seite 248 nach.
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Die Bewohner dieſes reizenden Aufenthalts, ſchienen mir in keinem
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den zu ſeyn. Sie ſind von mittlerer Groͤße, ſehr wohl proportionirt, fleiſchig,
aber keinesweges ſchwerfaͤllig, und von caſtanienbrauner Farbe. Ihre Sprache,
die Fahrzeuge, Waffen, Hausrath, Kleidung, Puncturen, die Art den Bart
zu ſtutzen, das Einpudern des Haares; kurz, ihr ganzes Weſen und alle ihre
Gebraͤuche ſtimmten mit dem, was wir hievon auf Tongatabu geſehen
hatten, genau uͤberein. Nur konnten wir, in der kurzen Zeit unſers Hier-
ſeyns, keine Art von Subordination unter ihnen gewahr werden, wel-
che hingegen zu Tongatabu ſehr auffallend war, und, in den Ehren-
bezeugungen fuͤr den Koͤnig, faſt bis zur aͤuſſerſten Sclaverey gieng.
Hier auf Namocka fanden wir Niemand, der ein ausdruͤckliches Anſehn oder
Herrſchaft uͤber die andern gehabt haͤtte, es muͤßte denn der Mann geweſen
ſeyn, den unſre Matroſen den Zollhaus-Viſitator nannten, in ſo fern dieſer
alle an Bord kommende Canots durchſuchte. Die Frau, welche nach den ge-
ſtohlnen Sachen ſchickte, mochte auch wohl etwas zu ſagen haben. Herrn
Patton’s wohlthaͤtige Beſchuͤtzerin war unſeres Wiſſens auf der ganzen In-
ſel die einzige Frauensperſon, welche das Haar nicht geſtutzt trug; und da
wir durchgehends bemerkt zu haben glauben, daß es, in den Inſeln der Suͤd-
See, nur Frauenzimmern von gewiſſem Range als ein beſonderes Vorrecht ge-
ſtattet wird, die Haare wachſen zu laſſen, *) ſo koͤnnte, auch dieſe hier, wohl zu
einer vornehmern Claſſe gehoͤrt haben, welches ihr aͤußerer Anſtand ohnehin zu
verrathen ſchien. Indeſſen will ich dadurch, daß wir den Unterſchied der Staͤnde
hier nicht recht gewahr wurden, keinesweges zu verſtehen geben, als ob dieſe
Inſulaner keine beſtimmte Regierungsform unter ſich haͤtten; im Gegentheil
laͤßt ſich vermoͤge der Aehnlichkeit mit ihren Nachbaren, welche durch-
gehends unter einer Monarchiſchen Verfaſſung leben, ja aus dem Beyſpiel al-
ler bisher bekannt gewordnen Suͤdſee-Inſeln ſchließen, daß eine gleiche
Regierungsart auch hier ſtatt finden muͤſſe. Ihre ungemeine Aehnlichkeit
mit den Einwohnern auf Tongatabu iſt beynahe Buͤrge dafuͤr, daß ſie gleichen
Urſprung, vielleicht auch gleiche Religions-Begriffe mit jenen haben; obſchon
1774.
Junius.
*) Man ſehe hiervon im erſten Theil dieſer Geſchichte Seite 248 nach.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/163>, abgerufen am 27.11.2024.
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