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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
ständig auf ihrer Hut zu seyn, und müssen folglich oft Krieg und Streit haben.1774.
Julius.

Dazu brauchen sie aber Anführer, und diesen mögen sie, wie es die Neu-
Seeländer
machen, wenigstens zur Zeit eines Treffens gehorchen. Der einzige
Mann, den wir für einen Befehlshaber halten konnten, war der, auf dessen Geheiß
man uns etwas Wasser zubrachte; bey dieser Gelegenheit allein zeigte sichs, daß
er einiges Ansehen über seine Landsleute haben mußte, im Aeußern war er sonst
durch nichts von ihnen unterschieden. Ihre Religion ist uns gänzlich unbekannt ge-
blieben; so auch ihr häusliches oder Privatleben. Ob sie mit Krankheiten be-
haftet sind? konnten wir ebenfalls nicht ausfindig machen. Uns selbst ist nicht
ein einziger Kranke vorgekommen; doch sollen, nach Herrn von Bougainvilles
Bericht, die Einwohner einer benachbarten Insel dem Aussatz so sehr unter-
worfen seyn, daß er ihr Land desfalls Isle des Lepreux oder die Insel der Aus-
sätzigen
gennannt hat.

Den National-Character der Mallicolleser muß man mit Rücksicht auf
den Grad ihrer Cultur beurtheilen. Sie wohnen, in viele kleine Stämme und ein-
zelne Familien getheilt, zerstreuet auf der Insel umher, und mögen daher wohl
oft Streit mit einander haben; es ist also kein Wunder, wenn sie bey allen Ge-
legenheiten vorsichtig, ja selbst mißtrauisch zu Werke giengen. Doch sind sie
darum keinesweges zu Zank und losen Händeln aufgelegt, sondern bewiesen viel-
mehr durch ihr Betragen gegen uns, daß sie gern allen Streit vermeiden woll-
ten; thaten auch sehr ungehalten, wenn einer oder der andere von ihren Landsleu-
ten etwas vornahm, wodurch das gegenseitige gute Vernehmen allenfalls gestört
werden konnte. Oft reichten sie uns grüne Zweige zu, die überall für Freund-
schafts-Zeichen angesehen werden. Die Ceremonie, Wasser auf den Kopf zu gies-
sen, hat allem Ansehn nach eine ähnliche Bedeutung; zugleich bestätigt sie unsre Ver-
muthung, daß diese Nation mit der auf Neu-Guinea wohnenden Aehnlich-
keit haben müsse. Dampier fand nemlich eben diese Mode auch zu Pulo-Sa-
buda
, auf der westlichen Küste von Neu-Guinea, eingeführt. *) Im Umgange
zeigten sie viel Gelehrigkeit. Sie sind scharfsinnig, und haben so wohl Nei-
gung als Fähigkeit ihren Verstand auszubilden. Sie scheinen große Liebhaber

*) Siehe Dampiers Reisen.
A a 2

in den Jahren 1772 bis 1775.
ſtaͤndig auf ihrer Hut zu ſeyn, und muͤſſen folglich oft Krieg und Streit haben.1774.
Julius.

Dazu brauchen ſie aber Anfuͤhrer, und dieſen moͤgen ſie, wie es die Neu-
Seelaͤnder
machen, wenigſtens zur Zeit eines Treffens gehorchen. Der einzige
Mann, den wir fuͤr einen Befehlshaber halten konnten, war der, auf deſſen Geheiß
man uns etwas Waſſer zubrachte; bey dieſer Gelegenheit allein zeigte ſichs, daß
er einiges Anſehen uͤber ſeine Landsleute haben mußte, im Aeußern war er ſonſt
durch nichts von ihnen unterſchieden. Ihre Religion iſt uns gaͤnzlich unbekannt ge-
blieben; ſo auch ihr haͤusliches oder Privatleben. Ob ſie mit Krankheiten be-
haftet ſind? konnten wir ebenfalls nicht ausfindig machen. Uns ſelbſt iſt nicht
ein einziger Kranke vorgekommen; doch ſollen, nach Herrn von Bougainvilles
Bericht, die Einwohner einer benachbarten Inſel dem Ausſatz ſo ſehr unter-
worfen ſeyn, daß er ihr Land desfalls Iſle des Lépreux oder die Inſel der Aus-
ſaͤtzigen
gennannt hat.

Den National-Character der Mallicolleſer muß man mit Ruͤckſicht auf
den Grad ihrer Cultur beurtheilen. Sie wohnen, in viele kleine Staͤmme und ein-
zelne Familien getheilt, zerſtreuet auf der Inſel umher, und moͤgen daher wohl
oft Streit mit einander haben; es iſt alſo kein Wunder, wenn ſie bey allen Ge-
legenheiten vorſichtig, ja ſelbſt mißtrauiſch zu Werke giengen. Doch ſind ſie
darum keinesweges zu Zank und loſen Haͤndeln aufgelegt, ſondern bewieſen viel-
mehr durch ihr Betragen gegen uns, daß ſie gern allen Streit vermeiden woll-
ten; thaten auch ſehr ungehalten, wenn einer oder der andere von ihren Landsleu-
ten etwas vornahm, wodurch das gegenſeitige gute Vernehmen allenfalls geſtoͤrt
werden konnte. Oft reichten ſie uns gruͤne Zweige zu, die uͤberall fuͤr Freund-
ſchafts-Zeichen angeſehen werden. Die Ceremonie, Waſſer auf den Kopf zu gieſ-
ſen, hat allem Anſehn nach eine aͤhnliche Bedeutung; zugleich beſtaͤtigt ſie unſre Ver-
muthung, daß dieſe Nation mit der auf Neu-Guinea wohnenden Aehnlich-
keit haben muͤſſe. Dampier fand nemlich eben dieſe Mode auch zu Pulo-Sa-
buda
, auf der weſtlichen Kuͤſte von Neu-Guinea, eingefuͤhrt. *) Im Umgange
zeigten ſie viel Gelehrigkeit. Sie ſind ſcharfſinnig, und haben ſo wohl Nei-
gung als Faͤhigkeit ihren Verſtand auszubilden. Sie ſcheinen große Liebhaber

*) Siehe Dampiers Reiſen.
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[187/0201] in den Jahren 1772 bis 1775. ſtaͤndig auf ihrer Hut zu ſeyn, und muͤſſen folglich oft Krieg und Streit haben. Dazu brauchen ſie aber Anfuͤhrer, und dieſen moͤgen ſie, wie es die Neu- Seelaͤnder machen, wenigſtens zur Zeit eines Treffens gehorchen. Der einzige Mann, den wir fuͤr einen Befehlshaber halten konnten, war der, auf deſſen Geheiß man uns etwas Waſſer zubrachte; bey dieſer Gelegenheit allein zeigte ſichs, daß er einiges Anſehen uͤber ſeine Landsleute haben mußte, im Aeußern war er ſonſt durch nichts von ihnen unterſchieden. Ihre Religion iſt uns gaͤnzlich unbekannt ge- blieben; ſo auch ihr haͤusliches oder Privatleben. Ob ſie mit Krankheiten be- haftet ſind? konnten wir ebenfalls nicht ausfindig machen. Uns ſelbſt iſt nicht ein einziger Kranke vorgekommen; doch ſollen, nach Herrn von Bougainvilles Bericht, die Einwohner einer benachbarten Inſel dem Ausſatz ſo ſehr unter- worfen ſeyn, daß er ihr Land desfalls Iſle des Lépreux oder die Inſel der Aus- ſaͤtzigen gennannt hat. 1774. Julius. Den National-Character der Mallicolleſer muß man mit Ruͤckſicht auf den Grad ihrer Cultur beurtheilen. Sie wohnen, in viele kleine Staͤmme und ein- zelne Familien getheilt, zerſtreuet auf der Inſel umher, und moͤgen daher wohl oft Streit mit einander haben; es iſt alſo kein Wunder, wenn ſie bey allen Ge- legenheiten vorſichtig, ja ſelbſt mißtrauiſch zu Werke giengen. Doch ſind ſie darum keinesweges zu Zank und loſen Haͤndeln aufgelegt, ſondern bewieſen viel- mehr durch ihr Betragen gegen uns, daß ſie gern allen Streit vermeiden woll- ten; thaten auch ſehr ungehalten, wenn einer oder der andere von ihren Landsleu- ten etwas vornahm, wodurch das gegenſeitige gute Vernehmen allenfalls geſtoͤrt werden konnte. Oft reichten ſie uns gruͤne Zweige zu, die uͤberall fuͤr Freund- ſchafts-Zeichen angeſehen werden. Die Ceremonie, Waſſer auf den Kopf zu gieſ- ſen, hat allem Anſehn nach eine aͤhnliche Bedeutung; zugleich beſtaͤtigt ſie unſre Ver- muthung, daß dieſe Nation mit der auf Neu-Guinea wohnenden Aehnlich- keit haben muͤſſe. Dampier fand nemlich eben dieſe Mode auch zu Pulo-Sa- buda, auf der weſtlichen Kuͤſte von Neu-Guinea, eingefuͤhrt. *) Im Umgange zeigten ſie viel Gelehrigkeit. Sie ſind ſcharfſinnig, und haben ſo wohl Nei- gung als Faͤhigkeit ihren Verſtand auszubilden. Sie ſcheinen große Liebhaber *) Siehe Dampiers Reiſen. A a 2

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/201>, abgerufen am 21.11.2024.