Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774August.gut, denn aller Anfrage ohnerachtet wollten sie uns von ihren Waffen nicht das mindeste überlassen. Ein cylindrisches zwey Zoll langes Stückgen Alaba- ster, welches als ein Zierrath in der Nase getragen wird, war alles, was wir eintauschen konnten. Ehe der Eigenthümer es ablieferte, wusch ers in der See; ob dies aber aus Reinlichkeit, oder aus irgend einem andern Bewegungs- grund geschahe? kann ich nicht entscheiden. Die ganze Zeit über, die wir am Lande zubrachten, machten die Einwohner nicht im geringsten Mine, uns angrei- fen zu wollen, oder in der Arbeit stöhren; die kleinere Parthey schien vielmehr ganz gut gegen uns gesinnt zu seyn, so daß wir bald auf einen freundschaftlichen Fus mit ihnen umgehen zu können hoften. Die große Anzahl von Eingebohr- nen, die aus allen Gegenden der Insel hier beysammen waren, gab uns zu Un- tersuchung ihrer Bildung, Kleidung und Waffen, die beste Gelegenheit. Im Ganzen genommen, sind sie von mittlerer Statur, doch giebts auch manche von mehr als gewöhnlicher Größe darunter. Sie haben wohlgebildete, aber meh- rentheils schlanke Gliedmaaßen, wiewohl es auch an einzeln recht starken Kerln nicht fehlt. So schön gebaute Leute, als man unter den Bewohnern der So- cietäts- und freundschaftlichen Inseln und den Marquesas ziemlich häufig antrifft, giebt es in Tanna nur sehr wenige. Dagegen ist mir, in dieser letz- tern Insel, nicht ein einziger dicker, oder fetter Mann vorgekommen; sie sind alle von berühriger Complexion und lebhaftem Temperament, ihre Gesichtszüge stark, die Nase breit, die Augen fast durchgehends groß und mehrentheils sanft. Sie haben ein männliches, offnes, gutherziges Ansehen; doch findet man frey- lich, hier so gut als unter jedem andern Volk, einzelne Physionomien, die nicht viel Gutes vermuthen lassen. Die Farbe ihres Haars ist schwarz, bey manchem auch braun oder gelblich an den Spitzen. Es wächst sehr dick, strau- bigt und ist mehrentheils kraus, hat auch zuweilen etwas wollartiges an sich. Der Bart ist ebenfalls stark, schwarz und gekräuselt; die Leibes-Farbe dunkel- braun und zum Theil schwärzligt, so daß man beym ersten Anblick glauben mög- te, sie hätten sich mit Ruß beschmutzt: Die Haut an sich, ist, wie bey den Ne- gern, sehr sanft anzufühlen. Sie gehen fast ganz nackend; tragen aber, nach dem allgemeinen Hang des menschlichen Geschlechts, mancherley Zierrathe. Das Seltsamste ist ihre Frisur. Diese bestehet nemlich aus lauter kleinen Zöpfen, die von
Forſter’s Reiſe um die Welt 1774Auguſt.gut, denn aller Anfrage ohnerachtet wollten ſie uns von ihren Waffen nicht das mindeſte uͤberlaſſen. Ein cylindriſches zwey Zoll langes Stuͤckgen Alaba- ſter, welches als ein Zierrath in der Naſe getragen wird, war alles, was wir eintauſchen konnten. Ehe der Eigenthuͤmer es ablieferte, wuſch ers in der See; ob dies aber aus Reinlichkeit, oder aus irgend einem andern Bewegungs- grund geſchahe? kann ich nicht entſcheiden. Die ganze Zeit uͤber, die wir am Lande zubrachten, machten die Einwohner nicht im geringſten Mine, uns angrei- fen zu wollen, oder in der Arbeit ſtoͤhren; die kleinere Parthey ſchien vielmehr ganz gut gegen uns geſinnt zu ſeyn, ſo daß wir bald auf einen freundſchaftlichen Fus mit ihnen umgehen zu koͤnnen hoften. Die große Anzahl von Eingebohr- nen, die aus allen Gegenden der Inſel hier beyſammen waren, gab uns zu Un- terſuchung ihrer Bildung, Kleidung und Waffen, die beſte Gelegenheit. Im Ganzen genommen, ſind ſie von mittlerer Statur, doch giebts auch manche von mehr als gewoͤhnlicher Groͤße darunter. Sie haben wohlgebildete, aber meh- rentheils ſchlanke Gliedmaaßen, wiewohl es auch an einzeln recht ſtarken Kerln nicht fehlt. So ſchoͤn gebaute Leute, als man unter den Bewohnern der So- cietaͤts- und freundſchaftlichen Inſeln und den Marqueſas ziemlich haͤufig antrifft, giebt es in Tanna nur ſehr wenige. Dagegen iſt mir, in dieſer letz- tern Inſel, nicht ein einziger dicker, oder fetter Mann vorgekommen; ſie ſind alle von beruͤhriger Complexion und lebhaftem Temperament, ihre Geſichtszuͤge ſtark, die Naſe breit, die Augen faſt durchgehends groß und mehrentheils ſanft. Sie haben ein maͤnnliches, offnes, gutherziges Anſehen; doch findet man frey- lich, hier ſo gut als unter jedem andern Volk, einzelne Phyſionomien, die nicht viel Gutes vermuthen laſſen. Die Farbe ihres Haars iſt ſchwarz, bey manchem auch braun oder gelblich an den Spitzen. Es waͤchſt ſehr dick, ſtrau- bigt und iſt mehrentheils kraus, hat auch zuweilen etwas wollartiges an ſich. Der Bart iſt ebenfalls ſtark, ſchwarz und gekraͤuſelt; die Leibes-Farbe dunkel- braun und zum Theil ſchwaͤrzligt, ſo daß man beym erſten Anblick glauben moͤg- te, ſie haͤtten ſich mit Ruß beſchmutzt: Die Haut an ſich, iſt, wie bey den Ne- gern, ſehr ſanft anzufuͤhlen. Sie gehen faſt ganz nackend; tragen aber, nach dem allgemeinen Hang des menſchlichen Geſchlechts, mancherley Zierrathe. Das Seltſamſte iſt ihre Friſur. Dieſe beſtehet nemlich aus lauter kleinen Zoͤpfen, die von
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Forſter’s Reiſe um die Welt
gut, denn aller Anfrage ohnerachtet wollten ſie uns von ihren Waffen nicht das
mindeſte uͤberlaſſen. Ein cylindriſches zwey Zoll langes Stuͤckgen Alaba-
ſter, welches als ein Zierrath in der Naſe getragen wird, war alles, was wir
eintauſchen konnten. Ehe der Eigenthuͤmer es ablieferte, wuſch ers in der
See; ob dies aber aus Reinlichkeit, oder aus irgend einem andern Bewegungs-
grund geſchahe? kann ich nicht entſcheiden. Die ganze Zeit uͤber, die wir am
Lande zubrachten, machten die Einwohner nicht im geringſten Mine, uns angrei-
fen zu wollen, oder in der Arbeit ſtoͤhren; die kleinere Parthey ſchien vielmehr
ganz gut gegen uns geſinnt zu ſeyn, ſo daß wir bald auf einen freundſchaftlichen
Fus mit ihnen umgehen zu koͤnnen hoften. Die große Anzahl von Eingebohr-
nen, die aus allen Gegenden der Inſel hier beyſammen waren, gab uns zu Un-
terſuchung ihrer Bildung, Kleidung und Waffen, die beſte Gelegenheit. Im
Ganzen genommen, ſind ſie von mittlerer Statur, doch giebts auch manche von
mehr als gewoͤhnlicher Groͤße darunter. Sie haben wohlgebildete, aber meh-
rentheils ſchlanke Gliedmaaßen, wiewohl es auch an einzeln recht ſtarken Kerln
nicht fehlt. So ſchoͤn gebaute Leute, als man unter den Bewohnern der So-
cietaͤts- und freundſchaftlichen Inſeln und den Marqueſas ziemlich haͤufig
antrifft, giebt es in Tanna nur ſehr wenige. Dagegen iſt mir, in dieſer letz-
tern Inſel, nicht ein einziger dicker, oder fetter Mann vorgekommen; ſie ſind alle
von beruͤhriger Complexion und lebhaftem Temperament, ihre Geſichtszuͤge ſtark,
die Naſe breit, die Augen faſt durchgehends groß und mehrentheils ſanft. Sie
haben ein maͤnnliches, offnes, gutherziges Anſehen; doch findet man frey-
lich, hier ſo gut als unter jedem andern Volk, einzelne Phyſionomien, die
nicht viel Gutes vermuthen laſſen. Die Farbe ihres Haars iſt ſchwarz, bey
manchem auch braun oder gelblich an den Spitzen. Es waͤchſt ſehr dick, ſtrau-
bigt und iſt mehrentheils kraus, hat auch zuweilen etwas wollartiges an ſich.
Der Bart iſt ebenfalls ſtark, ſchwarz und gekraͤuſelt; die Leibes-Farbe dunkel-
braun und zum Theil ſchwaͤrzligt, ſo daß man beym erſten Anblick glauben moͤg-
te, ſie haͤtten ſich mit Ruß beſchmutzt: Die Haut an ſich, iſt, wie bey den Ne-
gern, ſehr ſanft anzufuͤhlen. Sie gehen faſt ganz nackend; tragen aber, nach
dem allgemeinen Hang des menſchlichen Geſchlechts, mancherley Zierrathe. Das
Seltſamſte iſt ihre Friſur. Dieſe beſtehet nemlich aus lauter kleinen Zoͤpfen, die
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