1774. August.man denken sollte, es müßte bey dem gänzlichen Mangel an Schatten, schon deshalb allein, jedes Grashälmchen verdorren und absterben.
Unter diesen Betrachtungen kamen wir an die unterste von den rauchen- den Oefnungen der Solfatara, hielten uns aber nicht lange dabey auf, weil sich etwas weiter aufwärts schon einige Indianer zeigten. Wir erkannten sie bald für eben dieselben, die uns gestern so gut aufgenommen hatten und sahen, daß sie auch jetzt wieder einige von den ihrigen abschickten, vermuthlich um Erfrischungen holen zu lassen. Herr Hodges setzte sich hin und zeichnete un- terschiedene Aussichten, indeß wir botanisiren giengen, und die Hitze der Sol- fatara mit einem Fahrenheitischen Thermometer untersuchten. Dieses hatte um halb neun Uhr als wir vom Schiff abfuhren, auf 78° gestanden, und war, indem es den Berg heraufgetragen wurde, durch die Wärme der Hand bis auf 87° gestiegen, nachdem es aber, fünf Minuten lang, etwa 60 Fuß weit von der Solfatara in freyer Luft an einem Baume gehangen hatte, bis auf 80° zurück gefallen. In der Zwischenzeit gruben wir ein Loch in die Thon-Erde, und hiengen das Thermometer, an einem queerüber liegenden Stocke, hinein. In Zeit von dreyßig Secunden war es bis auf 170° gestie- gen, und blieb während der vier Minuten, welche wir es darinnen ließen, un verändert also stehen. Sobald es aber wiederum herausgenommen ward, fiel es gleich bis auf 160°, und nach Verlauf weniger Minuten allmählig bis auf 80°. Nach dieser Angabe kann man sich vorstellen, wie ausserordentlich heiß der Dampf, oder vielmehr Dunst, seyn müsse, welcher aus dem Schwefel- behälter aufsteigt. Als uns die Indianer zum Behuf dieses Versuchs die Erde aufgraben sahen, baten sie uns, davon abzulassen, weil sonst die Flamme her- ausschlagen, und ein Assuhr entstehen möchte, (welcher Name in ihrer Spra- che dem Volcan beygelegt wird.) Sie mußten dieses auch in allem Ernst be- fürchten, denn so oft wir von neuem in der Erde scharrten, wurden sie jederzeit sehr unruhig. Endlich giengen wir den Berg weiter hinauf und fanden, an mehreren Orten, solche dampfende Stellen als die zuvor beschriebenen. Die ab- geschickten Indianer waren unterdessen zurückgekommen, und brachten Zucker- rohr nebst Cocos-Nüssen, womit sie uns, wie am vorigen Morgen, bewirthe- ten. Auf diese Erfrischung setzten wir unsern Weg nach einen benachbar-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Auguſt.man denken ſollte, es muͤßte bey dem gaͤnzlichen Mangel an Schatten, ſchon deshalb allein, jedes Grashaͤlmchen verdorren und abſterben.
Unter dieſen Betrachtungen kamen wir an die unterſte von den rauchen- den Oefnungen der Solfatara, hielten uns aber nicht lange dabey auf, weil ſich etwas weiter aufwaͤrts ſchon einige Indianer zeigten. Wir erkannten ſie bald fuͤr eben dieſelben, die uns geſtern ſo gut aufgenommen hatten und ſahen, daß ſie auch jetzt wieder einige von den ihrigen abſchickten, vermuthlich um Erfriſchungen holen zu laſſen. Herr Hodges ſetzte ſich hin und zeichnete un- terſchiedene Ausſichten, indeß wir botaniſiren giengen, und die Hitze der Sol- fatara mit einem Fahrenheitiſchen Thermometer unterſuchten. Dieſes hatte um halb neun Uhr als wir vom Schiff abfuhren, auf 78° geſtanden, und war, indem es den Berg heraufgetragen wurde, durch die Waͤrme der Hand bis auf 87° geſtiegen, nachdem es aber, fuͤnf Minuten lang, etwa 60 Fuß weit von der Solfatara in freyer Luft an einem Baume gehangen hatte, bis auf 80° zuruͤck gefallen. In der Zwiſchenzeit gruben wir ein Loch in die Thon-Erde, und hiengen das Thermometer, an einem queeruͤber liegenden Stocke, hinein. In Zeit von dreyßig Secunden war es bis auf 170° geſtie- gen, und blieb waͤhrend der vier Minuten, welche wir es darinnen ließen, un veraͤndert alſo ſtehen. Sobald es aber wiederum herausgenommen ward, fiel es gleich bis auf 160°, und nach Verlauf weniger Minuten allmaͤhlig bis auf 80°. Nach dieſer Angabe kann man ſich vorſtellen, wie auſſerordentlich heiß der Dampf, oder vielmehr Dunſt, ſeyn muͤſſe, welcher aus dem Schwefel- behaͤlter aufſteigt. Als uns die Indianer zum Behuf dieſes Verſuchs die Erde aufgraben ſahen, baten ſie uns, davon abzulaſſen, weil ſonſt die Flamme her- ausſchlagen, und ein Aſſuhr entſtehen moͤchte, (welcher Name in ihrer Spra- che dem Volcan beygelegt wird.) Sie mußten dieſes auch in allem Ernſt be- fuͤrchten, denn ſo oft wir von neuem in der Erde ſcharrten, wurden ſie jederzeit ſehr unruhig. Endlich giengen wir den Berg weiter hinauf und fanden, an mehreren Orten, ſolche dampfende Stellen als die zuvor beſchriebenen. Die ab- geſchickten Indianer waren unterdeſſen zuruͤckgekommen, und brachten Zucker- rohr nebſt Cocos-Nuͤſſen, womit ſie uns, wie am vorigen Morgen, bewirthe- ten. Auf dieſe Erfriſchung ſetzten wir unſern Weg nach einen benachbar-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
man denken ſollte, es muͤßte bey dem gaͤnzlichen Mangel an Schatten, ſchon
deshalb allein, jedes Grashaͤlmchen verdorren und abſterben.
1774.
Auguſt.
Unter dieſen Betrachtungen kamen wir an die unterſte von den rauchen-
den Oefnungen der Solfatara, hielten uns aber nicht lange dabey auf, weil
ſich etwas weiter aufwaͤrts ſchon einige Indianer zeigten. Wir erkannten ſie
bald fuͤr eben dieſelben, die uns geſtern ſo gut aufgenommen hatten und ſahen,
daß ſie auch jetzt wieder einige von den ihrigen abſchickten, vermuthlich um
Erfriſchungen holen zu laſſen. Herr Hodges ſetzte ſich hin und zeichnete un-
terſchiedene Ausſichten, indeß wir botaniſiren giengen, und die Hitze der Sol-
fatara mit einem Fahrenheitiſchen Thermometer unterſuchten. Dieſes hatte
um halb neun Uhr als wir vom Schiff abfuhren, auf 78° geſtanden, und
war, indem es den Berg heraufgetragen wurde, durch die Waͤrme der Hand bis
auf 87° geſtiegen, nachdem es aber, fuͤnf Minuten lang, etwa 60 Fuß
weit von der Solfatara in freyer Luft an einem Baume gehangen hatte, bis
auf 80° zuruͤck gefallen. In der Zwiſchenzeit gruben wir ein Loch in die
Thon-Erde, und hiengen das Thermometer, an einem queeruͤber liegenden
Stocke, hinein. In Zeit von dreyßig Secunden war es bis auf 170° geſtie-
gen, und blieb waͤhrend der vier Minuten, welche wir es darinnen ließen, un
veraͤndert alſo ſtehen. Sobald es aber wiederum herausgenommen ward, fiel
es gleich bis auf 160°, und nach Verlauf weniger Minuten allmaͤhlig bis auf
80°. Nach dieſer Angabe kann man ſich vorſtellen, wie auſſerordentlich
heiß der Dampf, oder vielmehr Dunſt, ſeyn muͤſſe, welcher aus dem Schwefel-
behaͤlter aufſteigt. Als uns die Indianer zum Behuf dieſes Verſuchs die Erde
aufgraben ſahen, baten ſie uns, davon abzulaſſen, weil ſonſt die Flamme her-
ausſchlagen, und ein Aſſuhr entſtehen moͤchte, (welcher Name in ihrer Spra-
che dem Volcan beygelegt wird.) Sie mußten dieſes auch in allem Ernſt be-
fuͤrchten, denn ſo oft wir von neuem in der Erde ſcharrten, wurden ſie jederzeit
ſehr unruhig. Endlich giengen wir den Berg weiter hinauf und fanden, an
mehreren Orten, ſolche dampfende Stellen als die zuvor beſchriebenen. Die ab-
geſchickten Indianer waren unterdeſſen zuruͤckgekommen, und brachten Zucker-
rohr nebſt Cocos-Nuͤſſen, womit ſie uns, wie am vorigen Morgen, bewirthe-
ten. Auf dieſe Erfriſchung ſetzten wir unſern Weg nach einen benachbar-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/258>, abgerufen am 22.11.2024.
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