Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Augustnen Spatziergang desto weiter auszudehnen, und kam auf solche Art in dem Thale, welches an der Südseite der hohen Ebene liegt, um ein gut Stück tiefer ins Land, als ich zuvor je gewesen. Ueberall mit dichter Waldung umringt, ward ich selten etwas von der Gegend gewahr, wenn nicht hie und da eine Lücke zwi- schen den Bäumen mir einige Aussicht verschaffte. Dann aber hatte ich ein desto reizenderes Schauspiel. Ich übersah einen Theil der am Abhange des Hügels befindlichen Pflanzungen, wo die Einwohner in voller Arbeit waren. Sie fällten oder beschnitten Bäume, bestellten ihr Land, statt eines Spa- tens mit einem dürren Ast, und setzten Yams oder andre Wurzeln. An einem Orte hörte ich sogar einen Indianer bey seiner Arbeit singen, und erkannte bald, an der Melodie, daß es eins von den Liedern war, die sie uns bey ihren Wohn- hütten mehrmalen vorgesungen hatten. Diese Gegend war zum Entzücken schön, und selbst Tahiti konnte sich nicht leicht einer schönern Landschaft rühmen. Dort ist das ebene Land nirgends über zwo englische Meilen breit, und meh- rentheils mit ungeheuren Felsen-Massen begränzt, deren schroffe Gipfel gleich- sam herabzustürzen drohen, hier aber hatte ich eine ungleich größere Strecke Landes, voll sanft abhängender Hügel und geräumigen Thäler, vor mir, die alle angebaut werden konnten. Auch die Plantagen hemmten die Aussicht nirgends, weil mehrentheils nichts als Pisangs, Yams, Arum und Zuckerrohr darinn gezogen werden, welches lauter niedrige Gewächse sind. *) Nur hin und wie- der streckt ein einzelner Baum den dickbelaubten Wipfel in die Höhe, davon einer immer malerischer geformt ist als der andre. Hinterwärts war der Ge- sichtskreis durch eine Anhöhe eingeschlossen, auf deren Rücken überall Gruppen von Bäumen standen, und aus diesen ragte die stattliche Krone der Cocos- Palme, in großer Menge, hervor. Wer es je selbst erfahren hat, welch einen ganz eigenthümlichen Eindruck *) Die Pisangbäume machen hievon keine Ausnahme; der Stamm wird gemeiniglich nicht
über 6, und nur selten 10 Fuß hoch, so daß man, von einer kleinen Anhöhe, leicht über ganze Wälder solcher Bäume wegsehen kann. Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Auguſtnen Spatziergang deſto weiter auszudehnen, und kam auf ſolche Art in dem Thale, welches an der Suͤdſeite der hohen Ebene liegt, um ein gut Stuͤck tiefer ins Land, als ich zuvor je geweſen. Ueberall mit dichter Waldung umringt, ward ich ſelten etwas von der Gegend gewahr, wenn nicht hie und da eine Luͤcke zwi- ſchen den Baͤumen mir einige Ausſicht verſchaffte. Dann aber hatte ich ein deſto reizenderes Schauſpiel. Ich uͤberſah einen Theil der am Abhange des Huͤgels befindlichen Pflanzungen, wo die Einwohner in voller Arbeit waren. Sie faͤllten oder beſchnitten Baͤume, beſtellten ihr Land, ſtatt eines Spa- tens mit einem duͤrren Aſt, und ſetzten Yams oder andre Wurzeln. An einem Orte hoͤrte ich ſogar einen Indianer bey ſeiner Arbeit ſingen, und erkannte bald, an der Melodie, daß es eins von den Liedern war, die ſie uns bey ihren Wohn- huͤtten mehrmalen vorgeſungen hatten. Dieſe Gegend war zum Entzuͤcken ſchoͤn, und ſelbſt Tahiti konnte ſich nicht leicht einer ſchoͤnern Landſchaft ruͤhmen. Dort iſt das ebene Land nirgends uͤber zwo engliſche Meilen breit, und meh- rentheils mit ungeheuren Felſen-Maſſen begraͤnzt, deren ſchroffe Gipfel gleich- ſam herabzuſtuͤrzen drohen, hier aber hatte ich eine ungleich groͤßere Strecke Landes, voll ſanft abhaͤngender Huͤgel und geraͤumigen Thaͤler, vor mir, die alle angebaut werden konnten. Auch die Plantagen hemmten die Ausſicht nirgends, weil mehrentheils nichts als Piſangs, Yams, Arum und Zuckerrohr darinn gezogen werden, welches lauter niedrige Gewaͤchſe ſind. *) Nur hin und wie- der ſtreckt ein einzelner Baum den dickbelaubten Wipfel in die Hoͤhe, davon einer immer maleriſcher geformt iſt als der andre. Hinterwaͤrts war der Ge- ſichtskreis durch eine Anhoͤhe eingeſchloſſen, auf deren Ruͤcken uͤberall Gruppen von Baͤumen ſtanden, und aus dieſen ragte die ſtattliche Krone der Cocos- Palme, in großer Menge, hervor. Wer es je ſelbſt erfahren hat, welch einen ganz eigenthuͤmlichen Eindruck *) Die Piſangbaͤume machen hievon keine Ausnahme; der Stamm wird gemeiniglich nicht
uͤber 6, und nur ſelten 10 Fuß hoch, ſo daß man, von einer kleinen Anhoͤhe, leicht uͤber ganze Waͤlder ſolcher Baͤume wegſehen kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0288" n="274"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> Auguſt</note>nen Spatziergang deſto weiter auszudehnen, und kam auf ſolche Art in dem Thale,<lb/> welches an der Suͤdſeite der hohen Ebene liegt, um ein gut Stuͤck tiefer ins<lb/> Land, als ich zuvor je geweſen. Ueberall mit dichter Waldung umringt, ward<lb/> ich ſelten etwas von der Gegend gewahr, wenn nicht hie und da eine Luͤcke zwi-<lb/> ſchen den Baͤumen mir einige Ausſicht verſchaffte. Dann aber hatte ich ein<lb/> deſto reizenderes Schauſpiel. Ich uͤberſah einen Theil der am Abhange des<lb/> Huͤgels befindlichen Pflanzungen, wo die Einwohner in voller Arbeit waren.<lb/> Sie faͤllten oder beſchnitten Baͤume, beſtellten ihr Land, ſtatt eines Spa-<lb/> tens mit einem duͤrren Aſt, und ſetzten Yams oder andre Wurzeln. An einem<lb/> Orte hoͤrte ich ſogar einen Indianer bey ſeiner Arbeit ſingen, und erkannte bald,<lb/> an der Melodie, daß es eins von den Liedern war, die ſie uns bey ihren Wohn-<lb/> huͤtten mehrmalen vorgeſungen hatten. Dieſe Gegend war zum Entzuͤcken ſchoͤn,<lb/> und ſelbſt <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi> konnte ſich nicht leicht einer ſchoͤnern Landſchaft ruͤhmen.<lb/> Dort iſt das ebene Land nirgends uͤber zwo engliſche Meilen breit, und meh-<lb/> rentheils mit ungeheuren Felſen-Maſſen begraͤnzt, deren ſchroffe Gipfel gleich-<lb/> ſam herabzuſtuͤrzen drohen, hier aber hatte ich eine ungleich groͤßere Strecke<lb/> Landes, voll ſanft abhaͤngender Huͤgel und geraͤumigen Thaͤler, vor mir, die alle<lb/> angebaut werden konnten. Auch die Plantagen hemmten die Ausſicht nirgends,<lb/> weil mehrentheils nichts als Piſangs, Yams, Arum und Zuckerrohr darinn<lb/> gezogen werden, welches lauter niedrige Gewaͤchſe ſind. <note place="foot" n="*)">Die Piſangbaͤume machen hievon keine Ausnahme; der Stamm wird gemeiniglich nicht<lb/> uͤber 6, und nur ſelten 10 Fuß hoch, ſo daß man, von einer kleinen Anhoͤhe, leicht uͤber<lb/> ganze Waͤlder ſolcher Baͤume wegſehen kann.</note> Nur hin und wie-<lb/> der ſtreckt ein einzelner Baum den dickbelaubten Wipfel in die Hoͤhe, davon<lb/> einer immer maleriſcher geformt iſt als der andre. Hinterwaͤrts war der Ge-<lb/> ſichtskreis durch eine Anhoͤhe eingeſchloſſen, auf deren Ruͤcken uͤberall Gruppen<lb/> von Baͤumen ſtanden, und aus dieſen ragte die ſtattliche Krone der Cocos-<lb/> Palme, in großer Menge, hervor.</p><lb/> <p>Wer es je ſelbſt erfahren hat, welch einen ganz eigenthuͤmlichen Eindruck<lb/> die Schoͤnheiten der Natur in einem gefuͤhlvollen Herzen hervorbringen, der, nur<lb/> der allein kann ſich eine Vorſtellung davon machen, wie in dem Augenblick, wenn<lb/> des Herzens Innerſtes ſich aufſchließt, jeder, ſonſt noch ſo unerhebliche Ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [274/0288]
Forſter’s Reiſe um die Welt
nen Spatziergang deſto weiter auszudehnen, und kam auf ſolche Art in dem Thale,
welches an der Suͤdſeite der hohen Ebene liegt, um ein gut Stuͤck tiefer ins
Land, als ich zuvor je geweſen. Ueberall mit dichter Waldung umringt, ward
ich ſelten etwas von der Gegend gewahr, wenn nicht hie und da eine Luͤcke zwi-
ſchen den Baͤumen mir einige Ausſicht verſchaffte. Dann aber hatte ich ein
deſto reizenderes Schauſpiel. Ich uͤberſah einen Theil der am Abhange des
Huͤgels befindlichen Pflanzungen, wo die Einwohner in voller Arbeit waren.
Sie faͤllten oder beſchnitten Baͤume, beſtellten ihr Land, ſtatt eines Spa-
tens mit einem duͤrren Aſt, und ſetzten Yams oder andre Wurzeln. An einem
Orte hoͤrte ich ſogar einen Indianer bey ſeiner Arbeit ſingen, und erkannte bald,
an der Melodie, daß es eins von den Liedern war, die ſie uns bey ihren Wohn-
huͤtten mehrmalen vorgeſungen hatten. Dieſe Gegend war zum Entzuͤcken ſchoͤn,
und ſelbſt Tahiti konnte ſich nicht leicht einer ſchoͤnern Landſchaft ruͤhmen.
Dort iſt das ebene Land nirgends uͤber zwo engliſche Meilen breit, und meh-
rentheils mit ungeheuren Felſen-Maſſen begraͤnzt, deren ſchroffe Gipfel gleich-
ſam herabzuſtuͤrzen drohen, hier aber hatte ich eine ungleich groͤßere Strecke
Landes, voll ſanft abhaͤngender Huͤgel und geraͤumigen Thaͤler, vor mir, die alle
angebaut werden konnten. Auch die Plantagen hemmten die Ausſicht nirgends,
weil mehrentheils nichts als Piſangs, Yams, Arum und Zuckerrohr darinn
gezogen werden, welches lauter niedrige Gewaͤchſe ſind. *) Nur hin und wie-
der ſtreckt ein einzelner Baum den dickbelaubten Wipfel in die Hoͤhe, davon
einer immer maleriſcher geformt iſt als der andre. Hinterwaͤrts war der Ge-
ſichtskreis durch eine Anhoͤhe eingeſchloſſen, auf deren Ruͤcken uͤberall Gruppen
von Baͤumen ſtanden, und aus dieſen ragte die ſtattliche Krone der Cocos-
Palme, in großer Menge, hervor.
1774.
Auguſt
Wer es je ſelbſt erfahren hat, welch einen ganz eigenthuͤmlichen Eindruck
die Schoͤnheiten der Natur in einem gefuͤhlvollen Herzen hervorbringen, der, nur
der allein kann ſich eine Vorſtellung davon machen, wie in dem Augenblick, wenn
des Herzens Innerſtes ſich aufſchließt, jeder, ſonſt noch ſo unerhebliche Ge-
*) Die Piſangbaͤume machen hievon keine Ausnahme; der Stamm wird gemeiniglich nicht
uͤber 6, und nur ſelten 10 Fuß hoch, ſo daß man, von einer kleinen Anhoͤhe, leicht uͤber
ganze Waͤlder ſolcher Baͤume wegſehen kann.
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