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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
August.
und neue, grünende Zweige getrieben hatten. Vögel, von allerhand buntem
Gefieder, belebten diesen schattenreichen Aufenthalt, und ergötzten das Ohr, oft
unerwartet, mit harmonischen Liedern. Ueber mir der Himmel heiter, das
Säuseln des kühlen Seewindes um mich her, stand ich da, und genoß in Ruhe
des Herzens alle das Glück, was ein solcher Zusammenfluß von angenehmen
Bildern nur gewähren kann. Unvermerkt verlor ich mich in eine Reihe von
Betrachtungen über den Nutzen, den unser hiesiger Aufenthalt unter den Insu-
lanern gestiftet haben könnte, und, welch einen Zuwachs von Vergnügen ver-
schaffte mir nicht der beruhigende, damals noch ganz ahndungsfreye Gedanke,
daß wir uns hier, zur Ehre der Menschheit in einem sehr vortheilhaften Lichte
gezeigt hätten! Wir hatten nun vierzehn Tage unter einem Volke zugebracht,
das sich anfänglich äußerst mißtrauisch und ganz entschlossen bewies, auch die ge-
ringste Feindseligkeit nicht ungeahndet zu lassen. Diesen Argwohn, dieses einge-
wurzelte Mißtrauen, hatten wir durch kühles, überlegtes Verhalten, durch Mäßi-
gung, und durch das Gleichförmige aller unsrer Handlungen, zu besiegen zu ver-
treiben gewußt. Sie, die in ihrem Leben noch nie mit so harmlosen, friedfertigen,
und gleichwohl nicht feigen oder verächtlichen, Leuten umgegangen, sie, die bisher in
jedem Fremden einen heimtückischen, verrätherischen Feind zu sehen gewohnt wa-
ren, hatten jetzt von uns, und durch unser Beyspiel gelernt, ihre Nebenmen-
schen höher zu schätzen! So bald wir es einmal dahin gebracht hatten, jenen
heftigen, auf brausenden Naturtrieb, der allein die Wilden so argwöhnisch, scheu
und feindselig macht (Selbsterhaltung) zu besänftigen, so bald sahe man auch
schon in ihren rohen Seelen jenen zweyten, nicht minder starken Naturtrieb --
Geselligkeit -- aufkeimen und sich entwickeln. Kaum fanden sie, daß die Frem-
den die Früchte ihres Landes nicht als eine Beute, mit Gewalt wegnehmen
wollten, so theilten sie ihnen solche freywillig mit. Schon gestatteten sie uns
ihre schattenreiche Wohnungen zu besuchen, und ließen uns, so einträchtig als
es den Mitgliedern einer und derselben Familie geziemt, mitten unter sich sitzen.
Nach wenig Tagen begannen sie gar an unsrer Gesellschaft Vergnügen zu finden,

Erdreich, welches hier so locker ist, daß kein starker Wind dazu erfordert wird, derglei-
chen Bäume umzuwerfen.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Auguſt.
und neue, gruͤnende Zweige getrieben hatten. Voͤgel, von allerhand buntem
Gefieder, belebten dieſen ſchattenreichen Aufenthalt, und ergoͤtzten das Ohr, oft
unerwartet, mit harmoniſchen Liedern. Ueber mir der Himmel heiter, das
Saͤuſeln des kuͤhlen Seewindes um mich her, ſtand ich da, und genoß in Ruhe
des Herzens alle das Gluͤck, was ein ſolcher Zuſammenfluß von angenehmen
Bildern nur gewaͤhren kann. Unvermerkt verlor ich mich in eine Reihe von
Betrachtungen uͤber den Nutzen, den unſer hieſiger Aufenthalt unter den Inſu-
lanern geſtiftet haben koͤnnte, und, welch einen Zuwachs von Vergnuͤgen ver-
ſchaffte mir nicht der beruhigende, damals noch ganz ahndungsfreye Gedanke,
daß wir uns hier, zur Ehre der Menſchheit in einem ſehr vortheilhaften Lichte
gezeigt haͤtten! Wir hatten nun vierzehn Tage unter einem Volke zugebracht,
das ſich anfaͤnglich aͤußerſt mißtrauiſch und ganz entſchloſſen bewies, auch die ge-
ringſte Feindſeligkeit nicht ungeahndet zu laſſen. Dieſen Argwohn, dieſes einge-
wurzelte Mißtrauen, hatten wir durch kuͤhles, uͤberlegtes Verhalten, durch Maͤßi-
gung, und durch das Gleichfoͤrmige aller unſrer Handlungen, zu beſiegen zu ver-
treiben gewußt. Sie, die in ihrem Leben noch nie mit ſo harmloſen, friedfertigen,
und gleichwohl nicht feigen oder veraͤchtlichen, Leuten umgegangen, ſie, die bisher in
jedem Fremden einen heimtuͤckiſchen, verraͤtheriſchen Feind zu ſehen gewohnt wa-
ren, hatten jetzt von uns, und durch unſer Beyſpiel gelernt, ihre Nebenmen-
ſchen hoͤher zu ſchaͤtzen! So bald wir es einmal dahin gebracht hatten, jenen
heftigen, auf brauſenden Naturtrieb, der allein die Wilden ſo argwoͤhniſch, ſcheu
und feindſelig macht (Selbſterhaltung) zu beſaͤnftigen, ſo bald ſahe man auch
ſchon in ihren rohen Seelen jenen zweyten, nicht minder ſtarken Naturtrieb —
Geſelligkeit — aufkeimen und ſich entwickeln. Kaum fanden ſie, daß die Frem-
den die Fruͤchte ihres Landes nicht als eine Beute, mit Gewalt wegnehmen
wollten, ſo theilten ſie ihnen ſolche freywillig mit. Schon geſtatteten ſie uns
ihre ſchattenreiche Wohnungen zu beſuchen, und ließen uns, ſo eintraͤchtig als
es den Mitgliedern einer und derſelben Familie geziemt, mitten unter ſich ſitzen.
Nach wenig Tagen begannen ſie gar an unſrer Geſellſchaft Vergnuͤgen zu finden,

Erdreich, welches hier ſo locker iſt, daß kein ſtarker Wind dazu erfordert wird, derglei-
chen Baͤume umzuwerfen.
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[276/0290] Forſter’s Reiſe um die Welt und neue, gruͤnende Zweige getrieben hatten. Voͤgel, von allerhand buntem Gefieder, belebten dieſen ſchattenreichen Aufenthalt, und ergoͤtzten das Ohr, oft unerwartet, mit harmoniſchen Liedern. Ueber mir der Himmel heiter, das Saͤuſeln des kuͤhlen Seewindes um mich her, ſtand ich da, und genoß in Ruhe des Herzens alle das Gluͤck, was ein ſolcher Zuſammenfluß von angenehmen Bildern nur gewaͤhren kann. Unvermerkt verlor ich mich in eine Reihe von Betrachtungen uͤber den Nutzen, den unſer hieſiger Aufenthalt unter den Inſu- lanern geſtiftet haben koͤnnte, und, welch einen Zuwachs von Vergnuͤgen ver- ſchaffte mir nicht der beruhigende, damals noch ganz ahndungsfreye Gedanke, daß wir uns hier, zur Ehre der Menſchheit in einem ſehr vortheilhaften Lichte gezeigt haͤtten! Wir hatten nun vierzehn Tage unter einem Volke zugebracht, das ſich anfaͤnglich aͤußerſt mißtrauiſch und ganz entſchloſſen bewies, auch die ge- ringſte Feindſeligkeit nicht ungeahndet zu laſſen. Dieſen Argwohn, dieſes einge- wurzelte Mißtrauen, hatten wir durch kuͤhles, uͤberlegtes Verhalten, durch Maͤßi- gung, und durch das Gleichfoͤrmige aller unſrer Handlungen, zu beſiegen zu ver- treiben gewußt. Sie, die in ihrem Leben noch nie mit ſo harmloſen, friedfertigen, und gleichwohl nicht feigen oder veraͤchtlichen, Leuten umgegangen, ſie, die bisher in jedem Fremden einen heimtuͤckiſchen, verraͤtheriſchen Feind zu ſehen gewohnt wa- ren, hatten jetzt von uns, und durch unſer Beyſpiel gelernt, ihre Nebenmen- ſchen hoͤher zu ſchaͤtzen! So bald wir es einmal dahin gebracht hatten, jenen heftigen, auf brauſenden Naturtrieb, der allein die Wilden ſo argwoͤhniſch, ſcheu und feindſelig macht (Selbſterhaltung) zu beſaͤnftigen, ſo bald ſahe man auch ſchon in ihren rohen Seelen jenen zweyten, nicht minder ſtarken Naturtrieb — Geſelligkeit — aufkeimen und ſich entwickeln. Kaum fanden ſie, daß die Frem- den die Fruͤchte ihres Landes nicht als eine Beute, mit Gewalt wegnehmen wollten, ſo theilten ſie ihnen ſolche freywillig mit. Schon geſtatteten ſie uns ihre ſchattenreiche Wohnungen zu beſuchen, und ließen uns, ſo eintraͤchtig als es den Mitgliedern einer und derſelben Familie geziemt, mitten unter ſich ſitzen. Nach wenig Tagen begannen ſie gar an unſrer Geſellſchaft Vergnuͤgen zu finden, *) 1774. Auguſt. *) Erdreich, welches hier ſo locker iſt, daß kein ſtarker Wind dazu erfordert wird, derglei- chen Baͤume umzuwerfen.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/290>, abgerufen am 22.11.2024.