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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
August.
bekanntermaaßen (theils durch Saamen, theils durch die Wurzeln) alle
von selbst vermehren, sind nemlich immer um desto schwerer auszurotten, je
mehr Nahrung sie in dem Boden finden. Ehe aber diese nicht völlig gedämpft
sind, laufen alle durch Kunst gezogene, stets zärtlichere und schwächere Pflanzen,
Gefahr, verdrängt und erstickt zu werden. Diese beyden Umstände zu-
sammengenommen, lassen mich vermuthen, daß die Volksmenge in Tanna bey
weitem nicht so groß ist, als sie, dem Umfang der Insel nach, seyn könnte. Die
Einwohner halten sich in kleinen Dörfern beysammen, deren jedes aus etlichen
Familien bestehen mag, und ihre Gewohnheit, beständig bewaffnet zu gehn, ist
ein sicheres Zeichen, daß sie ehemals, vielleicht auch jetzt noch, theils mit be-
nachbarten Insulanern, theils untereinander selbst, Krieg führen. Die inneren
Unruhen könnten wohl daher entstanden seyn, daß sich Leute von allerley ver-
schiedenen Nationen in Tanna niedergelassen, und einander den Besitz streitig
gemacht hätten. Zu dieser Vermuthung berechtigt mich wenigstens der Um-
stand, daß wir dreyerley verschiedene Sprachen daselbst angetroffen haben, eine
nemlich die allgemein gesprochen und verstanden ward, eine andere, die mit der
auf den freundschaftlichen-Eylanden eingeführten Mundart übereinkam,
und eine dritte, deren sich vornemlich die auf der Westseite des Havens wohnende
Indianer zu bedienen pflegten. Daß diese drey Sprachen ganz und gar von ein-
ander abwichen, erkannten wir sehr deutlich an den Namen der Zahlen, die in
jeglicher verschieden lauteten. In der herrschenden oder gewöhnlichen Sprache
bemerkten wir zwey bis drey Wörter, die offenbar mit der Mallicollesischen
Mundart verwandt sind, und ohngefähr eben so viele kommen mit dem Malayi-
schen überein. Im Ganzen aber hat keine von allen dreyen mit irgend einer
sonst bekannten etwas gemein. Viele Wörter werden stark aspirirt, in andern
kommen häufig Guttural-Buchstaben vor, doch ist alles dermaaßen mit Selbst-
lautern durchwebt, daß die Aussprache leicht und der Klang angenehm wird.

Dem geringen Umfange der Inseln im Süd-Meer, und dem gänzlichen
Mangel an wilden vierfüßigen Thieren, muß man es zuschreiben, daß die ersten
Einwohner sich nicht, so wie die mehresten anderen Wilden, blos von der Jagd
nähren, auch nicht ganz allein von der Viehzucht leben konnten, sondern, fast
seit dem ersten Augenblick ihrer Niederlassung, gleich auf den Ackerbau bedacht

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Auguſt.
bekanntermaaßen (theils durch Saamen, theils durch die Wurzeln) alle
von ſelbſt vermehren, ſind nemlich immer um deſto ſchwerer auszurotten, je
mehr Nahrung ſie in dem Boden finden. Ehe aber dieſe nicht voͤllig gedaͤmpft
ſind, laufen alle durch Kunſt gezogene, ſtets zaͤrtlichere und ſchwaͤchere Pflanzen,
Gefahr, verdraͤngt und erſtickt zu werden. Dieſe beyden Umſtaͤnde zu-
ſammengenommen, laſſen mich vermuthen, daß die Volksmenge in Tanna bey
weitem nicht ſo groß iſt, als ſie, dem Umfang der Inſel nach, ſeyn koͤnnte. Die
Einwohner halten ſich in kleinen Doͤrfern beyſammen, deren jedes aus etlichen
Familien beſtehen mag, und ihre Gewohnheit, beſtaͤndig bewaffnet zu gehn, iſt
ein ſicheres Zeichen, daß ſie ehemals, vielleicht auch jetzt noch, theils mit be-
nachbarten Inſulanern, theils untereinander ſelbſt, Krieg fuͤhren. Die inneren
Unruhen koͤnnten wohl daher entſtanden ſeyn, daß ſich Leute von allerley ver-
ſchiedenen Nationen in Tanna niedergelaſſen, und einander den Beſitz ſtreitig
gemacht haͤtten. Zu dieſer Vermuthung berechtigt mich wenigſtens der Um-
ſtand, daß wir dreyerley verſchiedene Sprachen daſelbſt angetroffen haben, eine
nemlich die allgemein geſprochen und verſtanden ward, eine andere, die mit der
auf den freundſchaftlichen-Eylanden eingefuͤhrten Mundart uͤbereinkam,
und eine dritte, deren ſich vornemlich die auf der Weſtſeite des Havens wohnende
Indianer zu bedienen pflegten. Daß dieſe drey Sprachen ganz und gar von ein-
ander abwichen, erkannten wir ſehr deutlich an den Namen der Zahlen, die in
jeglicher verſchieden lauteten. In der herrſchenden oder gewoͤhnlichen Sprache
bemerkten wir zwey bis drey Woͤrter, die offenbar mit der Mallicolleſiſchen
Mundart verwandt ſind, und ohngefaͤhr eben ſo viele kommen mit dem Malayi-
ſchen uͤberein. Im Ganzen aber hat keine von allen dreyen mit irgend einer
ſonſt bekannten etwas gemein. Viele Woͤrter werden ſtark aſpirirt, in andern
kommen haͤufig Guttural-Buchſtaben vor, doch iſt alles dermaaßen mit Selbſt-
lautern durchwebt, daß die Ausſprache leicht und der Klang angenehm wird.

Dem geringen Umfange der Inſeln im Suͤd-Meer, und dem gaͤnzlichen
Mangel an wilden vierfuͤßigen Thieren, muß man es zuſchreiben, daß die erſten
Einwohner ſich nicht, ſo wie die mehreſten anderen Wilden, blos von der Jagd
naͤhren, auch nicht ganz allein von der Viehzucht leben konnten, ſondern, faſt
ſeit dem erſten Augenblick ihrer Niederlaſſung, gleich auf den Ackerbau bedacht

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[284/0298] Forſter’s Reiſe um die Welt bekanntermaaßen (theils durch Saamen, theils durch die Wurzeln) alle von ſelbſt vermehren, ſind nemlich immer um deſto ſchwerer auszurotten, je mehr Nahrung ſie in dem Boden finden. Ehe aber dieſe nicht voͤllig gedaͤmpft ſind, laufen alle durch Kunſt gezogene, ſtets zaͤrtlichere und ſchwaͤchere Pflanzen, Gefahr, verdraͤngt und erſtickt zu werden. Dieſe beyden Umſtaͤnde zu- ſammengenommen, laſſen mich vermuthen, daß die Volksmenge in Tanna bey weitem nicht ſo groß iſt, als ſie, dem Umfang der Inſel nach, ſeyn koͤnnte. Die Einwohner halten ſich in kleinen Doͤrfern beyſammen, deren jedes aus etlichen Familien beſtehen mag, und ihre Gewohnheit, beſtaͤndig bewaffnet zu gehn, iſt ein ſicheres Zeichen, daß ſie ehemals, vielleicht auch jetzt noch, theils mit be- nachbarten Inſulanern, theils untereinander ſelbſt, Krieg fuͤhren. Die inneren Unruhen koͤnnten wohl daher entſtanden ſeyn, daß ſich Leute von allerley ver- ſchiedenen Nationen in Tanna niedergelaſſen, und einander den Beſitz ſtreitig gemacht haͤtten. Zu dieſer Vermuthung berechtigt mich wenigſtens der Um- ſtand, daß wir dreyerley verſchiedene Sprachen daſelbſt angetroffen haben, eine nemlich die allgemein geſprochen und verſtanden ward, eine andere, die mit der auf den freundſchaftlichen-Eylanden eingefuͤhrten Mundart uͤbereinkam, und eine dritte, deren ſich vornemlich die auf der Weſtſeite des Havens wohnende Indianer zu bedienen pflegten. Daß dieſe drey Sprachen ganz und gar von ein- ander abwichen, erkannten wir ſehr deutlich an den Namen der Zahlen, die in jeglicher verſchieden lauteten. In der herrſchenden oder gewoͤhnlichen Sprache bemerkten wir zwey bis drey Woͤrter, die offenbar mit der Mallicolleſiſchen Mundart verwandt ſind, und ohngefaͤhr eben ſo viele kommen mit dem Malayi- ſchen uͤberein. Im Ganzen aber hat keine von allen dreyen mit irgend einer ſonſt bekannten etwas gemein. Viele Woͤrter werden ſtark aſpirirt, in andern kommen haͤufig Guttural-Buchſtaben vor, doch iſt alles dermaaßen mit Selbſt- lautern durchwebt, daß die Ausſprache leicht und der Klang angenehm wird. 1774. Auguſt. Dem geringen Umfange der Inſeln im Suͤd-Meer, und dem gaͤnzlichen Mangel an wilden vierfuͤßigen Thieren, muß man es zuſchreiben, daß die erſten Einwohner ſich nicht, ſo wie die mehreſten anderen Wilden, blos von der Jagd naͤhren, auch nicht ganz allein von der Viehzucht leben konnten, ſondern, faſt ſeit dem erſten Augenblick ihrer Niederlaſſung, gleich auf den Ackerbau bedacht

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/298>, abgerufen am 24.11.2024.