Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.in den Jahren 1772 bis 1775. dieser Absicht warfen wir das Senkbley an verschiedenen Stellen, fanden aber,1774.August. eine Meile weit vom Strande, mit 130 und 140 Faden nirgends Grund. Bald darauf ward es völlig Nacht, so daß man das Ufer nur beym Schimmer der hin und wieder aufflammenden Feuer erkennen konnte. Wir waren also in einer ziemlich unsichern Lage und schon im Begriff die Böte auszusetzen, um das Schiff boogsiren zu lassen, als ein Lüftchen aufstieg, mit dessen Hülfe wir mitten in die Bay segelten. Daselbst erwarteten wir das Tageslicht, und fuhren hernach fort, bey schwachem Winde, südwärts in die Bay hinein zu steuern; dies währete aber nicht lange, denn gegen Mittag hatten wir schon wieder Windstille. Nach Tische mußten zwey Böte tiefer in die Bay rudern, um sich, im Innersten derselben, nach einem Haven oder Fluß umzusehen, wovon, der Entfernung wegen, vom Schiff aus, nichts zu erkennen war. Während dieser Zeit kamen drey Ca- nots, mit dreyeckigten Segeln, vom Ufer und näherten sich ziemlich schnell. In jedem saßen vier bis fünf Mann, die ganz nackt und mit den Mallicollesern von einerley Farbe, von Statur aber größer, auch von stärkeren Gliedmas- sen waren. Das Haar schien wolligt, und der Bart gekräuselt zu seyn. Auf dem Scheitel trugen sie einen Federbusch; andre hatten eine weiße Muschel vor die Stirn gebunden, und noch andre ein Blatt der Sago-Palme, wie eine Mütze, um den Kopf gewickelt. Ihre Armbänder bestanden aus Muschelwerk und wa- ren denen, die in Mallicollo Mode sind, völlig ähnlich. Um den Leib trugen sie einen schmalen Gürtel, davon hinten und vorn ein langes Stück Mattenwerk, ohngefähr 5 Zoll breit, bis an die Knie herab hieng. Die Canots waren, gleich denen von Mallicollo, schlecht gearbeitet und mit Auslegern versehen, auch lagen einige Speere mit zwey bis drey Spitzen darinn, die unstreitig zum Fisch- fang dienten; außer diesen hatten die Leute gar keine Waffen. Sobald sie uns nahe genug dünkten, riefen wir ihnen zu, und ließen Medaillen, Nägel, Tahitisches Zeug und rothen Boy herab, welches sie ungesäumt in Empfang nah- men. Von allen diesen Kleinigkeiten machten ihnen die Nägel die mehreste Freude; sie müssen also dieses Metall bereits kennen. Vielleicht ist seit Quiros Zeiten etwas Eisenwerk allhier zurückgeblieben und, durch seine Dauerhaftigkeit, bey den Emwohnern beliebt geworden. An demselben Strick, mit welchem wir ihnen unsre Geschenke herunter ließen, schickten sie uns einen Zweig des Pfeffer- O o 3
in den Jahren 1772 bis 1775. dieſer Abſicht warfen wir das Senkbley an verſchiedenen Stellen, fanden aber,1774.Auguſt. eine Meile weit vom Strande, mit 130 und 140 Faden nirgends Grund. Bald darauf ward es voͤllig Nacht, ſo daß man das Ufer nur beym Schimmer der hin und wieder aufflammenden Feuer erkennen konnte. Wir waren alſo in einer ziemlich unſichern Lage und ſchon im Begriff die Boͤte auszuſetzen, um das Schiff boogſiren zu laſſen, als ein Luͤftchen aufſtieg, mit deſſen Huͤlfe wir mitten in die Bay ſegelten. Daſelbſt erwarteten wir das Tageslicht, und fuhren hernach fort, bey ſchwachem Winde, ſuͤdwaͤrts in die Bay hinein zu ſteuern; dies waͤhrete aber nicht lange, denn gegen Mittag hatten wir ſchon wieder Windſtille. Nach Tiſche mußten zwey Boͤte tiefer in die Bay rudern, um ſich, im Innerſten derſelben, nach einem Haven oder Fluß umzuſehen, wovon, der Entfernung wegen, vom Schiff aus, nichts zu erkennen war. Waͤhrend dieſer Zeit kamen drey Ca- nots, mit dreyeckigten Segeln, vom Ufer und naͤherten ſich ziemlich ſchnell. In jedem ſaßen vier bis fuͤnf Mann, die ganz nackt und mit den Mallicolleſern von einerley Farbe, von Statur aber groͤßer, auch von ſtaͤrkeren Gliedmaſ- ſen waren. Das Haar ſchien wolligt, und der Bart gekraͤuſelt zu ſeyn. Auf dem Scheitel trugen ſie einen Federbuſch; andre hatten eine weiße Muſchel vor die Stirn gebunden, und noch andre ein Blatt der Sago-Palme, wie eine Muͤtze, um den Kopf gewickelt. Ihre Armbaͤnder beſtanden aus Muſchelwerk und wa- ren denen, die in Mallicollo Mode ſind, voͤllig aͤhnlich. Um den Leib trugen ſie einen ſchmalen Guͤrtel, davon hinten und vorn ein langes Stuͤck Mattenwerk, ohngefaͤhr 5 Zoll breit, bis an die Knie herab hieng. Die Canots waren, gleich denen von Mallicollo, ſchlecht gearbeitet und mit Auslegern verſehen, auch lagen einige Speere mit zwey bis drey Spitzen darinn, die unſtreitig zum Fiſch- fang dienten; außer dieſen hatten die Leute gar keine Waffen. Sobald ſie uns nahe genug duͤnkten, riefen wir ihnen zu, und ließen Medaillen, Naͤgel, Tahitiſches Zeug und rothen Boy herab, welches ſie ungeſaͤumt in Empfang nah- men. Von allen dieſen Kleinigkeiten machten ihnen die Naͤgel die mehreſte Freude; ſie muͤſſen alſo dieſes Metall bereits kennen. Vielleicht iſt ſeit Quiros Zeiten etwas Eiſenwerk allhier zuruͤckgeblieben und, durch ſeine Dauerhaftigkeit, bey den Emwohnern beliebt geworden. An demſelben Strick, mit welchem wir ihnen unſre Geſchenke herunter ließen, ſchickten ſie uns einen Zweig des Pfeffer- O o 3
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in den Jahren 1772 bis 1775.
dieſer Abſicht warfen wir das Senkbley an verſchiedenen Stellen, fanden aber,
eine Meile weit vom Strande, mit 130 und 140 Faden nirgends Grund. Bald
darauf ward es voͤllig Nacht, ſo daß man das Ufer nur beym Schimmer der
hin und wieder aufflammenden Feuer erkennen konnte. Wir waren alſo in einer
ziemlich unſichern Lage und ſchon im Begriff die Boͤte auszuſetzen, um das
Schiff boogſiren zu laſſen, als ein Luͤftchen aufſtieg, mit deſſen Huͤlfe wir
mitten in die Bay ſegelten. Daſelbſt erwarteten wir das Tageslicht, und fuhren
hernach fort, bey ſchwachem Winde, ſuͤdwaͤrts in die Bay hinein zu ſteuern; dies
waͤhrete aber nicht lange, denn gegen Mittag hatten wir ſchon wieder Windſtille.
Nach Tiſche mußten zwey Boͤte tiefer in die Bay rudern, um ſich, im Innerſten
derſelben, nach einem Haven oder Fluß umzuſehen, wovon, der Entfernung wegen,
vom Schiff aus, nichts zu erkennen war. Waͤhrend dieſer Zeit kamen drey Ca-
nots, mit dreyeckigten Segeln, vom Ufer und naͤherten ſich ziemlich ſchnell. In
jedem ſaßen vier bis fuͤnf Mann, die ganz nackt und mit den Mallicolleſern
von einerley Farbe, von Statur aber groͤßer, auch von ſtaͤrkeren Gliedmaſ-
ſen waren. Das Haar ſchien wolligt, und der Bart gekraͤuſelt zu ſeyn. Auf dem
Scheitel trugen ſie einen Federbuſch; andre hatten eine weiße Muſchel vor die
Stirn gebunden, und noch andre ein Blatt der Sago-Palme, wie eine Muͤtze,
um den Kopf gewickelt. Ihre Armbaͤnder beſtanden aus Muſchelwerk und wa-
ren denen, die in Mallicollo Mode ſind, voͤllig aͤhnlich. Um den Leib trugen
ſie einen ſchmalen Guͤrtel, davon hinten und vorn ein langes Stuͤck Mattenwerk,
ohngefaͤhr 5 Zoll breit, bis an die Knie herab hieng. Die Canots waren, gleich
denen von Mallicollo, ſchlecht gearbeitet und mit Auslegern verſehen, auch
lagen einige Speere mit zwey bis drey Spitzen darinn, die unſtreitig zum Fiſch-
fang dienten; außer dieſen hatten die Leute gar keine Waffen. Sobald ſie uns
nahe genug duͤnkten, riefen wir ihnen zu, und ließen Medaillen, Naͤgel,
Tahitiſches Zeug und rothen Boy herab, welches ſie ungeſaͤumt in Empfang nah-
men. Von allen dieſen Kleinigkeiten machten ihnen die Naͤgel die mehreſte
Freude; ſie muͤſſen alſo dieſes Metall bereits kennen. Vielleicht iſt ſeit Quiros
Zeiten etwas Eiſenwerk allhier zuruͤckgeblieben und, durch ſeine Dauerhaftigkeit,
bey den Emwohnern beliebt geworden. An demſelben Strick, mit welchem wir
ihnen unſre Geſchenke herunter ließen, ſchickten ſie uns einen Zweig des Pfeffer-
1774.
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