Ohnerachtet wir noch sehr schwach waren, wagten wir uns doch am folgen-1774. Septem- ber. den Morgen wiederum aus Land. Wir stiegen ostwärts vom Wasserplatze aus, und durchwanderten einen Theil der Ebene, allwo nirgends eine angebaute Stel- le, sondern überall nur dünnes und vertrocknetes Gras zu sehen war. Ein Fuß- Pfad leitete uns hart an die Berge, zu einem schönen Gehölze, und in diesem gab es einen Ueberfluß neuer Pflanzen, Vögel und Insecten; sonst aber sah das umliegende Land einer völligen Einöde gleich. Auf den vor und zu beyden Seiten gelegenen Bergen suchte das Auge, eben so vergeblich als auf der ganzen Ebene, durch welche wir hieher gekommen waren, auch nur die Spur von einer Hütte! Ueberhaupt muß die Zahl der Einwohner von Neu-Caledonien, im Ganzen, nur sehr gering seyn; denn auf den Bergen kann das Land nicht gebauet werden, und die Ebene ist theils nur schmal, theils an den mehresten Orten un- fruchtbar und wüst -- Wir giengen indessen immer weiter gen Osten, und gelangten endlich an etliche Häuser, die zwischen Sümpfen lagen. Einige Bewohner derselben kamen mit großer Gutherzigkeit herbey, um uns die Stel- len zu zeigen, über welche wir, ohne Gefahr zu versinken, sicher weggehen konnten. Ihre Häuser waren nicht nur mit Matten von Cocos-Blättern ge- deckt; sondern auch innerhalb zum Theil mit Rinden des Cayeputi-Baums beklei- det. Vor einigen Hütten saßen die Indianer bey einer kärglichen Mahlzeit von gar gemachten Blättern, indeß andere den Saft aus der überm Feuer gerösteten Rinde des Hibiscus tiliaceus saugten. Wir kosteten dieses Gericht, fanden es aber unschmackhaft und widrig, auch kann es nicht sonderlich nahrhaft seyn. Die guten Leute scheinen sich in gewissen Jahrszeiten aus Noth sehr elend behelfen zu müssen, und in keiner mag es kümmerlicher zugehen als im Frühlinge, wenn die Win- ter Vorräthe aufgezehrt, die neuen Früchte hingegen noch nicht zur Reise gekom- men sind. Fische werden alsdenn wohl ihre einzige Zuflucht seyn, und an die- sen kann es ihnen, bey den weitläuftigen Riefs, welche die Insel ringsum- her einschließen, nicht leicht fehlen; nur jetzt mußten sie Verzicht darauf thun, weil, seit unserm Hierseyn, das Wetter zum Fischfang zu stürmisch war. Ma- heine hatte uns ehedem mehrmalen versichert, daß, selbst die Einwohner der Societäts Inseln, die doch ungleich besser als die Neu-Caledonier versorgt sind, den Unannehmlichkeiten eines trocknen oder unfruchtbaren Jahres nicht immer
Forster's Reise u. die Welt zweyter Th. S s
in den Jahren 1772 bis 1775.
Ohnerachtet wir noch ſehr ſchwach waren, wagten wir uns doch am folgen-1774. Septem- ber. den Morgen wiederum aus Land. Wir ſtiegen oſtwaͤrts vom Waſſerplatze aus, und durchwanderten einen Theil der Ebene, allwo nirgends eine angebaute Stel- le, ſondern uͤberall nur duͤnnes und vertrocknetes Gras zu ſehen war. Ein Fuß- Pfad leitete uns hart an die Berge, zu einem ſchoͤnen Gehoͤlze, und in dieſem gab es einen Ueberfluß neuer Pflanzen, Voͤgel und Inſecten; ſonſt aber ſah das umliegende Land einer voͤlligen Einoͤde gleich. Auf den vor und zu beyden Seiten gelegenen Bergen ſuchte das Auge, eben ſo vergeblich als auf der ganzen Ebene, durch welche wir hieher gekommen waren, auch nur die Spur von einer Huͤtte! Ueberhaupt muß die Zahl der Einwohner von Neu-Caledonien, im Ganzen, nur ſehr gering ſeyn; denn auf den Bergen kann das Land nicht gebauet werden, und die Ebene iſt theils nur ſchmal, theils an den mehreſten Orten un- fruchtbar und wuͤſt — Wir giengen indeſſen immer weiter gen Oſten, und gelangten endlich an etliche Haͤuſer, die zwiſchen Suͤmpfen lagen. Einige Bewohner derſelben kamen mit großer Gutherzigkeit herbey, um uns die Stel- len zu zeigen, uͤber welche wir, ohne Gefahr zu verſinken, ſicher weggehen konnten. Ihre Haͤuſer waren nicht nur mit Matten von Cocos-Blaͤttern ge- deckt; ſondern auch innerhalb zum Theil mit Rinden des Cayeputi-Baums beklei- det. Vor einigen Huͤtten ſaßen die Indianer bey einer kaͤrglichen Mahlzeit von gar gemachten Blaͤttern, indeß andere den Saft aus der uͤberm Feuer geroͤſteten Rinde des Hibiſcus tiliaceus ſaugten. Wir koſteten dieſes Gericht, fanden es aber unſchmackhaft und widrig, auch kann es nicht ſonderlich nahrhaft ſeyn. Die guten Leute ſcheinen ſich in gewiſſen Jahrszeiten aus Noth ſehr elend behelfen zu muͤſſen, und in keiner mag es kuͤmmerlicher zugehen als im Fruͤhlinge, wenn die Win- ter Vorraͤthe aufgezehrt, die neuen Fruͤchte hingegen noch nicht zur Reiſe gekom- men ſind. Fiſche werden alsdenn wohl ihre einzige Zuflucht ſeyn, und an die- ſen kann es ihnen, bey den weitlaͤuftigen Riefs, welche die Inſel ringsum- her einſchließen, nicht leicht fehlen; nur jetzt mußten ſie Verzicht darauf thun, weil, ſeit unſerm Hierſeyn, das Wetter zum Fiſchfang zu ſtuͤrmiſch war. Ma- heine hatte uns ehedem mehrmalen verſichert, daß, ſelbſt die Einwohner der Societaͤts Inſeln, die doch ungleich beſſer als die Neu-Caledonier verſorgt ſind, den Unannehmlichkeiten eines trocknen oder unfruchtbaren Jahres nicht immer
Forſter’s Reiſe u. die Welt zweyter Th. S s
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Ohnerachtet wir noch ſehr ſchwach waren, wagten wir uns doch am folgen-
den Morgen wiederum aus Land. Wir ſtiegen oſtwaͤrts vom Waſſerplatze aus,
und durchwanderten einen Theil der Ebene, allwo nirgends eine angebaute Stel-
le, ſondern uͤberall nur duͤnnes und vertrocknetes Gras zu ſehen war. Ein Fuß-
Pfad leitete uns hart an die Berge, zu einem ſchoͤnen Gehoͤlze, und in dieſem
gab es einen Ueberfluß neuer Pflanzen, Voͤgel und Inſecten; ſonſt aber ſah
das umliegende Land einer voͤlligen Einoͤde gleich. Auf den vor und zu beyden
Seiten gelegenen Bergen ſuchte das Auge, eben ſo vergeblich als auf der ganzen
Ebene, durch welche wir hieher gekommen waren, auch nur die Spur von einer
Huͤtte! Ueberhaupt muß die Zahl der Einwohner von Neu-Caledonien, im
Ganzen, nur ſehr gering ſeyn; denn auf den Bergen kann das Land nicht gebauet
werden, und die Ebene iſt theils nur ſchmal, theils an den mehreſten Orten un-
fruchtbar und wuͤſt — Wir giengen indeſſen immer weiter gen Oſten, und
gelangten endlich an etliche Haͤuſer, die zwiſchen Suͤmpfen lagen. Einige
Bewohner derſelben kamen mit großer Gutherzigkeit herbey, um uns die Stel-
len zu zeigen, uͤber welche wir, ohne Gefahr zu verſinken, ſicher weggehen
konnten. Ihre Haͤuſer waren nicht nur mit Matten von Cocos-Blaͤttern ge-
deckt; ſondern auch innerhalb zum Theil mit Rinden des Cayeputi-Baums beklei-
det. Vor einigen Huͤtten ſaßen die Indianer bey einer kaͤrglichen Mahlzeit von
gar gemachten Blaͤttern, indeß andere den Saft aus der uͤberm Feuer geroͤſteten
Rinde des Hibiſcus tiliaceus ſaugten. Wir koſteten dieſes Gericht, fanden es
aber unſchmackhaft und widrig, auch kann es nicht ſonderlich nahrhaft ſeyn. Die
guten Leute ſcheinen ſich in gewiſſen Jahrszeiten aus Noth ſehr elend behelfen zu
muͤſſen, und in keiner mag es kuͤmmerlicher zugehen als im Fruͤhlinge, wenn die Win-
ter Vorraͤthe aufgezehrt, die neuen Fruͤchte hingegen noch nicht zur Reiſe gekom-
men ſind. Fiſche werden alsdenn wohl ihre einzige Zuflucht ſeyn, und an die-
ſen kann es ihnen, bey den weitlaͤuftigen Riefs, welche die Inſel ringsum-
her einſchließen, nicht leicht fehlen; nur jetzt mußten ſie Verzicht darauf thun,
weil, ſeit unſerm Hierſeyn, das Wetter zum Fiſchfang zu ſtuͤrmiſch war. Ma-
heine hatte uns ehedem mehrmalen verſichert, daß, ſelbſt die Einwohner der
Societaͤts Inſeln, die doch ungleich beſſer als die Neu-Caledonier verſorgt
ſind, den Unannehmlichkeiten eines trocknen oder unfruchtbaren Jahres nicht immer
1774.
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ber.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/337>, abgerufen am 25.11.2024.
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