Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Septem- ber.so werden sie sich an den häslichen Schweinen gewiß nicht zuerst ver- griffen haben; vielmehr wird noch ein höherer Grad von Bedürfniß und Mangel erfordert worden seyn, sie zu überreden, daß, seines wiedrigens Ansehens ohnerachtet, das Schwein von eben so wolschmeckendem Fleisch sey als das Schaaf oder das Kalb. Die armen Bewohner von Neu-Caledonia hatten bisher noch kein anderes als das Fleisch von Fischen und Vögeln gekostet; ein vierfüßiges Thier mußte ihnen also allerdings etwas fremdes und erstaunen- des seyn. -- Nachdem wir den Hauptendzweck unsers Besuchs erreicht zu ha- ben glaubten, botanisirten wir zwischen den Morästen und Pflanzungen herum, und kamen an ein einzeln liegendes Haus, das mit einem Stangenzaun umge- ben war, und hinterwärts eine Reihe von hölzernen Pfeilern hatte. Jeder Pfeiler hielt ohngefähr einen Fuß ins Gevierte, 9 Fuß in der Höhe, und der Obertheil stellte einen unförmlich ausgeschnitzten Menschenkopf vor. In die- sem einsam gelegenen Hause wohnte ein einzelner alter Mann, der uns durch Zeichen zu verstehen gab, diese Pfeiler zeigten seine Grabstelle an! Vielleicht ist in der Geschichte des menschlichen Geschlechts nichts merkwürdiger, als dieses, daß man fast unter allen Völkern die Gewohnheit antrift: sich bey den Be- gräbnißstellen zugleich gewisse Denkmale zu errichten! Könnte oder wollte man den ursprünglichen Bewegursachen dieser Sitte bey so verschiednen Natio- nen nachspühren und sie gründlich erforschen (welches in der That eine sehr merkwürdige und wichtige Untersuchung seyn würde) so liesse sich vielleicht eben daraus beweisen, daß alle Völker einen allgemeinen Begriff von einem künfti- gen Zustande gehabt haben! Von diesem in seiner Art so sonderbaren Orte, kamen wir bei einer Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Septem- ber.ſo werden ſie ſich an den haͤslichen Schweinen gewiß nicht zuerſt ver- griffen haben; vielmehr wird noch ein hoͤherer Grad von Beduͤrfniß und Mangel erfordert worden ſeyn, ſie zu uͤberreden, daß, ſeines wiedrigens Anſehens ohnerachtet, das Schwein von eben ſo wolſchmeckendem Fleiſch ſey als das Schaaf oder das Kalb. Die armen Bewohner von Neu-Caledonia hatten bisher noch kein anderes als das Fleiſch von Fiſchen und Voͤgeln gekoſtet; ein vierfuͤßiges Thier mußte ihnen alſo allerdings etwas fremdes und erſtaunen- des ſeyn. — Nachdem wir den Hauptendzweck unſers Beſuchs erreicht zu ha- ben glaubten, botaniſirten wir zwiſchen den Moraͤſten und Pflanzungen herum, und kamen an ein einzeln liegendes Haus, das mit einem Stangenzaun umge- ben war, und hinterwaͤrts eine Reihe von hoͤlzernen Pfeilern hatte. Jeder Pfeiler hielt ohngefaͤhr einen Fuß ins Gevierte, 9 Fuß in der Hoͤhe, und der Obertheil ſtellte einen unfoͤrmlich ausgeſchnitzten Menſchenkopf vor. In die- ſem einſam gelegenen Hauſe wohnte ein einzelner alter Mann, der uns durch Zeichen zu verſtehen gab, dieſe Pfeiler zeigten ſeine Grabſtelle an! Vielleicht iſt in der Geſchichte des menſchlichen Geſchlechts nichts merkwuͤrdiger, als dieſes, daß man faſt unter allen Voͤlkern die Gewohnheit antrift: ſich bey den Be- graͤbnißſtellen zugleich gewiſſe Denkmale zu errichten! Koͤnnte oder wollte man den urſpruͤnglichen Bewegurſachen dieſer Sitte bey ſo verſchiednen Natio- nen nachſpuͤhren und ſie gruͤndlich erforſchen (welches in der That eine ſehr merkwuͤrdige und wichtige Unterſuchung ſeyn wuͤrde) ſo lieſſe ſich vielleicht eben daraus beweiſen, daß alle Voͤlker einen allgemeinen Begriff von einem kuͤnfti- gen Zuſtande gehabt haben! Von dieſem in ſeiner Art ſo ſonderbaren Orte, kamen wir bei einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0348" n="332"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> Septem-<lb/> ber.</note>ſo werden ſie ſich an den haͤslichen Schweinen gewiß nicht zuerſt ver-<lb/> griffen haben; vielmehr wird noch ein hoͤherer Grad von Beduͤrfniß und<lb/> Mangel erfordert worden ſeyn, ſie zu uͤberreden, daß, ſeines wiedrigens<lb/> Anſehens ohnerachtet, das Schwein von eben ſo wolſchmeckendem Fleiſch ſey<lb/> als das Schaaf oder das Kalb. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
ſo werden ſie ſich an den haͤslichen Schweinen gewiß nicht zuerſt ver-
griffen haben; vielmehr wird noch ein hoͤherer Grad von Beduͤrfniß und
Mangel erfordert worden ſeyn, ſie zu uͤberreden, daß, ſeines wiedrigens
Anſehens ohnerachtet, das Schwein von eben ſo wolſchmeckendem Fleiſch ſey
als das Schaaf oder das Kalb. Die armen Bewohner von Neu-Caledonia
hatten bisher noch kein anderes als das Fleiſch von Fiſchen und Voͤgeln gekoſtet;
ein vierfuͤßiges Thier mußte ihnen alſo allerdings etwas fremdes und erſtaunen-
des ſeyn. — Nachdem wir den Hauptendzweck unſers Beſuchs erreicht zu ha-
ben glaubten, botaniſirten wir zwiſchen den Moraͤſten und Pflanzungen herum,
und kamen an ein einzeln liegendes Haus, das mit einem Stangenzaun umge-
ben war, und hinterwaͤrts eine Reihe von hoͤlzernen Pfeilern hatte. Jeder
Pfeiler hielt ohngefaͤhr einen Fuß ins Gevierte, 9 Fuß in der Hoͤhe, und der
Obertheil ſtellte einen unfoͤrmlich ausgeſchnitzten Menſchenkopf vor. In die-
ſem einſam gelegenen Hauſe wohnte ein einzelner alter Mann, der uns durch
Zeichen zu verſtehen gab, dieſe Pfeiler zeigten ſeine Grabſtelle an! Vielleicht iſt
in der Geſchichte des menſchlichen Geſchlechts nichts merkwuͤrdiger, als dieſes,
daß man faſt unter allen Voͤlkern die Gewohnheit antrift: ſich bey den Be-
graͤbnißſtellen zugleich gewiſſe Denkmale zu errichten! Koͤnnte oder wollte
man den urſpruͤnglichen Bewegurſachen dieſer Sitte bey ſo verſchiednen Natio-
nen nachſpuͤhren und ſie gruͤndlich erforſchen (welches in der That eine ſehr
merkwuͤrdige und wichtige Unterſuchung ſeyn wuͤrde) ſo lieſſe ſich vielleicht eben
daraus beweiſen, daß alle Voͤlker einen allgemeinen Begriff von einem kuͤnfti-
gen Zuſtande gehabt haben!
1774.
Septem-
ber.
Von dieſem in ſeiner Art ſo ſonderbaren Orte, kamen wir bei einer
Plantage vorbey, wo eine Parthey Einwohner, mehrentheils Weiber, beſchaͤf-
tigt waren, ein moraſtiges Stuͤck Landes umzugraben und zu reinigen, ver-
muthlich, um hernach Yam- und Arum-Wurzeln darauf zu pflanzen. Sie be-
dienten ſich zu dieſer Arbeit eines Inſtruments oder einer Hacke von Holz,
die einen langen, krummgebognen, ſpitzen Schnabel hatte. (Man ſehe die Figur
2. auf der XII. Kupfertafel hieneben). Eben dies Werkzeug dient ihnen auch
als ein Krieges-Gewehr, deren ich, bereits weiter oben (Seite 304) ver-
ſchiedene erwaͤhnt habe. Der hieſige Boden ſcheint ſo aͤrmlich zu ſeyn,
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