Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.April.Die Spanier, welche diese Inseln zuerst entdeckten, fanden die Bewohner dersel- ben gutherzig, leutselig und friedfertig, eine kleine Schlägerey auf Magdalena ausgenommen, die aber vermuthlich aus einem Mißverständniß oder von der ge- wöhnlichen Heftigkeit der Matrosen herrühren mochte. Auch wir wurden bey unsrer Ankunft mit allen Zeichen der Freundschaft von ihnen aufgenommen. Sie über- reichten uns Pfeffer-Wurzeln und Zweige vom Tamannuh (calophyllum inophyllum Linn.) als Merkmale des Friedens; verkauften uns ihre Lebens- mittel; und fuhren, ob wir gleich einen der ihrigen ums Leben brachten, den- noch unausgesetzt fort, sich freundschaftlich zu betragen, gestatteten uns auch, ohngehindert, nach unserm eigenen Wohlgefalllen, im Lande herum zu streifen. Dies Betragen, ihre Gebräuche, ihre schöne Leibes-Gestalt, Kleidung, Lebens- mittel, Schifffahrt und Sprache, alles beweiset, daß sie gleichen Ursprung mit den Tahitiern haben und wenn sie in einigen Umständen von denselben abweichen; so rührt solches blos von der verschiedenen Beschaffenheit des Landes auf beyden Inseln her. Den Bewohnern der Marquesas entgehet dadurch aller- dings ein großer Vortheil, daß es auf ihren Inseln keine so weitläuftige Ebenen giebt als zu Tahiti, und den übrigen Societäts-Eylanden. Sie haben gleichsam nicht mehr Land als zu Hervorbringung der nothwendigsten Lebensmittel gehört, mithin fallen hier schon die beträchtlichen Maulbeerpflanzungen weg, die man zu Tahiti so häufig antrifft. Wenn es ihnen aber auch nicht an dem dazu erfor- derlichen Grund und Boden fehlte, so würden sie doch, zur Wartung solcher Plantagen, nicht Zeit genug erübrigen können, weil der Feldbau hier ungleich mühsamer und langwieriger ist als dort. Der Ueberfluß an Lebensmit- teln und an mancherley Kleidungszeuge, der in Tahiti herrscht, und für die Einwohner eine Hauptquelle des Wohlstandes, so wie einen Haupt-Anlaß zur Ueppigkeit ausmacht, der ist freylich auf den Marquesas-Inseln nicht an- zutreffen. Indessen haben die Einwohner dieser letzteren doch keinen Mangel an den nothwendigsten Bedürfnissen und, zu Ersetzung dessen, was jene vor ih- nen voraus haben, herrscht unter diesen mehr natürliche Gleichheit; sie haben mit nichts zu kämpfen, was ihre Glückseligkeit stören, oder ihnen hinderlich seyn könnte, der Stimme der Natur zu folgen. Sie sind gesund, munter und von [s]chöner Leibesgestalt. Wenn also die Tahitier, einer Seits mehrere Bequem- Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.April.Die Spanier, welche dieſe Inſeln zuerſt entdeckten, fanden die Bewohner derſel- ben gutherzig, leutſelig und friedfertig, eine kleine Schlaͤgerey auf Magdalena ausgenommen, die aber vermuthlich aus einem Mißverſtaͤndniß oder von der ge- woͤhnlichen Heftigkeit der Matroſen herruͤhren mochte. Auch wir wurden bey unſrer Ankunft mit allen Zeichen der Freundſchaft von ihnen aufgenommen. Sie uͤber- reichten uns Pfeffer-Wurzeln und Zweige vom Tamannuh (calophyllum inophyllum Linn.) als Merkmale des Friedens; verkauften uns ihre Lebens- mittel; und fuhren, ob wir gleich einen der ihrigen ums Leben brachten, den- noch unausgeſetzt fort, ſich freundſchaftlich zu betragen, geſtatteten uns auch, ohngehindert, nach unſerm eigenen Wohlgefalllen, im Lande herum zu ſtreifen. Dies Betragen, ihre Gebraͤuche, ihre ſchoͤne Leibes-Geſtalt, Kleidung, Lebens- mittel, Schifffahrt und Sprache, alles beweiſet, daß ſie gleichen Urſprung mit den Tahitiern haben und wenn ſie in einigen Umſtaͤnden von denſelben abweichen; ſo ruͤhrt ſolches blos von der verſchiedenen Beſchaffenheit des Landes auf beyden Inſeln her. Den Bewohnern der Marqueſas entgehet dadurch aller- dings ein großer Vortheil, daß es auf ihren Inſeln keine ſo weitlaͤuftige Ebenen giebt als zu Tahiti, und den uͤbrigen Societaͤts-Eylanden. Sie haben gleichſam nicht mehr Land als zu Hervorbringung der nothwendigſten Lebensmittel gehoͤrt, mithin fallen hier ſchon die betraͤchtlichen Maulbeerpflanzungen weg, die man zu Tahiti ſo haͤufig antrifft. Wenn es ihnen aber auch nicht an dem dazu erfor- derlichen Grund und Boden fehlte, ſo wuͤrden ſie doch, zur Wartung ſolcher Plantagen, nicht Zeit genug eruͤbrigen koͤnnen, weil der Feldbau hier ungleich muͤhſamer und langwieriger iſt als dort. Der Ueberfluß an Lebensmit- teln und an mancherley Kleidungszeuge, der in Tahiti herrſcht, und fuͤr die Einwohner eine Hauptquelle des Wohlſtandes, ſo wie einen Haupt-Anlaß zur Ueppigkeit ausmacht, der iſt freylich auf den Marqueſas-Inſeln nicht an- zutreffen. Indeſſen haben die Einwohner dieſer letzteren doch keinen Mangel an den nothwendigſten Beduͤrfniſſen und, zu Erſetzung deſſen, was jene vor ih- nen voraus haben, herrſcht unter dieſen mehr natuͤrliche Gleichheit; ſie haben mit nichts zu kaͤmpfen, was ihre Gluͤckſeligkeit ſtoͤren, oder ihnen hinderlich ſeyn koͤnnte, der Stimme der Natur zu folgen. Sie ſind geſund, munter und von [ſ]choͤner Leibesgeſtalt. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
Die Spanier, welche dieſe Inſeln zuerſt entdeckten, fanden die Bewohner derſel-
ben gutherzig, leutſelig und friedfertig, eine kleine Schlaͤgerey auf Magdalena
ausgenommen, die aber vermuthlich aus einem Mißverſtaͤndniß oder von der ge-
woͤhnlichen Heftigkeit der Matroſen herruͤhren mochte. Auch wir wurden bey unſrer
Ankunft mit allen Zeichen der Freundſchaft von ihnen aufgenommen. Sie uͤber-
reichten uns Pfeffer-Wurzeln und Zweige vom Tamannuh (calophyllum
inophyllum Linn.) als Merkmale des Friedens; verkauften uns ihre Lebens-
mittel; und fuhren, ob wir gleich einen der ihrigen ums Leben brachten, den-
noch unausgeſetzt fort, ſich freundſchaftlich zu betragen, geſtatteten uns auch,
ohngehindert, nach unſerm eigenen Wohlgefalllen, im Lande herum zu ſtreifen.
Dies Betragen, ihre Gebraͤuche, ihre ſchoͤne Leibes-Geſtalt, Kleidung, Lebens-
mittel, Schifffahrt und Sprache, alles beweiſet, daß ſie gleichen Urſprung
mit den Tahitiern haben und wenn ſie in einigen Umſtaͤnden von denſelben
abweichen; ſo ruͤhrt ſolches blos von der verſchiedenen Beſchaffenheit des Landes
auf beyden Inſeln her. Den Bewohnern der Marqueſas entgehet dadurch aller-
dings ein großer Vortheil, daß es auf ihren Inſeln keine ſo weitlaͤuftige Ebenen
giebt als zu Tahiti, und den uͤbrigen Societaͤts-Eylanden. Sie haben gleichſam
nicht mehr Land als zu Hervorbringung der nothwendigſten Lebensmittel gehoͤrt,
mithin fallen hier ſchon die betraͤchtlichen Maulbeerpflanzungen weg, die man zu
Tahiti ſo haͤufig antrifft. Wenn es ihnen aber auch nicht an dem dazu erfor-
derlichen Grund und Boden fehlte, ſo wuͤrden ſie doch, zur Wartung ſolcher
Plantagen, nicht Zeit genug eruͤbrigen koͤnnen, weil der Feldbau hier ungleich
muͤhſamer und langwieriger iſt als dort. Der Ueberfluß an Lebensmit-
teln und an mancherley Kleidungszeuge, der in Tahiti herrſcht, und fuͤr
die Einwohner eine Hauptquelle des Wohlſtandes, ſo wie einen Haupt-Anlaß
zur Ueppigkeit ausmacht, der iſt freylich auf den Marqueſas-Inſeln nicht an-
zutreffen. Indeſſen haben die Einwohner dieſer letzteren doch keinen Mangel
an den nothwendigſten Beduͤrfniſſen und, zu Erſetzung deſſen, was jene vor ih-
nen voraus haben, herrſcht unter dieſen mehr natuͤrliche Gleichheit; ſie haben
mit nichts zu kaͤmpfen, was ihre Gluͤckſeligkeit ſtoͤren, oder ihnen hinderlich ſeyn
koͤnnte, der Stimme der Natur zu folgen. Sie ſind geſund, munter und von
ſchoͤner Leibesgeſtalt. Wenn alſo die Tahitier, einer Seits mehrere Bequem-
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