Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Novem- ber.vorigen Endschluß und sie mußten unverrichteter Sache abziehn. Diese Beharr- lichkeit war desto nöthiger und löblicher, da weder die gründlichsten Vorstellungen noch das eigne Beyspiel des Capitains, die starrköpfigen Matrosen überzeugen konn- te, daß der Einkauf solcher Spielwerke ihrer Gesundheit nachtheilig sey, insofern nemlich die Indianer augenblicklich aufhörten Fische zu Markte zu bringen, so bald sie sahen, daß Steine, Waffen, Zierrathen, und dergleichen mehr, besser be- zahlt wurden. Die Begier womit unsre Mannschaft solche Artikel einhandelte war auch in der That beynahe zu einem Grad von Raserey angewachsen, und sie scheuten sich nicht, dieselbe durch die niederträchtigsten Mittel zu be- friedigen. Eine Parthey die einsmahls mit dem Bootsmann ausgeschickt ward, um Besen zu machen, trug kein Bedenken einen armen Wilden in seiner Hütte zu berauben. Sie nahmen sein vorräthiges Werkzeug mit sich, und nöthigten ihn etliche Nagel dafür anzunehmen, um der Gewaltthä- tigkeit wenigstens den Anstrich eines Tauschhandels zu geben. Zum Glück wa- ren die Einheimischen dreist genug, diesen Vorfall dem Capitain zu klagen, der denn die Thäter nach Verdienst bestrafen ließ. So ists, mehr oder minder, auf allen dergleichen Reisen zugegangen und namentlich hat es die Mannschaft der Endeavour *) in diesem Stück nicht um ein Haar besser gemacht. Zu Otahiti bestahlen sie die Gemahlin des Tuborai Tamaide, und auf Neu-Seeland be- haupteten sie ganz öffentlich, daß alles Eigenthum der Wilden, von Gott und rechts- wegen, ihnen zukomme **). Doch, wie sollte auch der Charakter des Matro- sen sich ändern können, da seine Lebensart unverändert Tag für Tag dieselbe ist? Die Seele wird bey ihm gleichsam in eben der Maaße, abgehärtet und un- empfindlich als der Körper, und ihre eignen Befehlshaber klagen durchgehends über den unmenschlichen Hang, den sie von je her haben blicken lassen, die friedfer- tigen Indianer, bey der geringsten Veranlaßung umzubringen ***). -- Da *) Der Nahme des Schiffs, welches Capitain Cook, bey seiner ersten Reise um die Welt, von 1769 bis 1772 commandirte. **) S. Hawkesworths Geschichte der englischen Seereisen, 4. zweyten Band pag. 102. und pag. 362. auch kann der dritte Band S. 264 nachgeschlagen werden, wo die Offi- ciere eben dergleichen Gesinnungen äußerten. Im ersten Bande, meines Werks, S. 214. kommt ebenfalls etwas ähnliches vor. ***) Siehe Hawkesworth's Samml. etc. 2. Band, S. 361. u. mehrere Stellen.
Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Novem- ber.vorigen Endſchluß und ſie mußten unverrichteter Sache abziehn. Dieſe Beharr- lichkeit war deſto noͤthiger und loͤblicher, da weder die gruͤndlichſten Vorſtellungen noch das eigne Beyſpiel des Capitains, die ſtarrkoͤpfigen Matroſen uͤberzeugen konn- te, daß der Einkauf ſolcher Spielwerke ihrer Geſundheit nachtheilig ſey, inſofern nemlich die Indianer augenblicklich aufhoͤrten Fiſche zu Markte zu bringen, ſo bald ſie ſahen, daß Steine, Waffen, Zierrathen, und dergleichen mehr, beſſer be- zahlt wurden. Die Begier womit unſre Mannſchaft ſolche Artikel einhandelte war auch in der That beynahe zu einem Grad von Raſerey angewachſen, und ſie ſcheuten ſich nicht, dieſelbe durch die niedertraͤchtigſten Mittel zu be- friedigen. Eine Parthey die einsmahls mit dem Bootsmann ausgeſchickt ward, um Beſen zu machen, trug kein Bedenken einen armen Wilden in ſeiner Huͤtte zu berauben. Sie nahmen ſein vorraͤthiges Werkzeug mit ſich, und noͤthigten ihn etliche Nagel dafuͤr anzunehmen, um der Gewaltthaͤ- tigkeit wenigſtens den Anſtrich eines Tauſchhandels zu geben. Zum Gluͤck wa- ren die Einheimiſchen dreiſt genug, dieſen Vorfall dem Capitain zu klagen, der denn die Thaͤter nach Verdienſt beſtrafen ließ. So iſts, mehr oder minder, auf allen dergleichen Reiſen zugegangen und namentlich hat es die Mannſchaft der Endeavour *) in dieſem Stuͤck nicht um ein Haar beſſer gemacht. Zu Otahiti beſtahlen ſie die Gemahlin des Tuborai Tamaïde, und auf Neu-Seeland be- haupteten ſie ganz oͤffentlich, daß alles Eigenthum der Wilden, von Gott und rechts- wegen, ihnen zukomme **). Doch, wie ſollte auch der Charakter des Matro- ſen ſich aͤndern koͤnnen, da ſeine Lebensart unveraͤndert Tag fuͤr Tag dieſelbe iſt? Die Seele wird bey ihm gleichſam in eben der Maaße, abgehaͤrtet und un- empfindlich als der Koͤrper, und ihre eignen Befehlshaber klagen durchgehends uͤber den unmenſchlichen Hang, den ſie von je her haben blicken laſſen, die friedfer- tigen Indianer, bey der geringſten Veranlaßung umzubringen ***). — Da *) Der Nahme des Schiffs, welches Capitain Cook, bey ſeiner erſten Reiſe um die Welt, von 1769 bis 1772 commandirte. **) S. Hawkesworths Geſchichte der engliſchen Seereiſen, 4. zweyten Band pag. 102. und pag. 362. auch kann der dritte Band S. 264 nachgeſchlagen werden, wo die Offi- ciere eben dergleichen Geſinnungen aͤußerten. Im erſten Bande, meines Werks, S. 214. kommt ebenfalls etwas aͤhnliches vor. ***) Siehe Hawkesworth’s Samml. ꝛc. 2. Band, S. 361. u. mehrere Stellen.
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Forſter’s Reiſe um die Welt
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noch das eigne Beyſpiel des Capitains, die ſtarrkoͤpfigen Matroſen uͤberzeugen konn-
te, daß der Einkauf ſolcher Spielwerke ihrer Geſundheit nachtheilig ſey, inſofern
nemlich die Indianer augenblicklich aufhoͤrten Fiſche zu Markte zu bringen, ſo bald
ſie ſahen, daß Steine, Waffen, Zierrathen, und dergleichen mehr, beſſer be-
zahlt wurden. Die Begier womit unſre Mannſchaft ſolche Artikel einhandelte
war auch in der That beynahe zu einem Grad von Raſerey angewachſen,
und ſie ſcheuten ſich nicht, dieſelbe durch die niedertraͤchtigſten Mittel zu be-
friedigen. Eine Parthey die einsmahls mit dem Bootsmann ausgeſchickt
ward, um Beſen zu machen, trug kein Bedenken einen armen Wilden
in ſeiner Huͤtte zu berauben. Sie nahmen ſein vorraͤthiges Werkzeug mit
ſich, und noͤthigten ihn etliche Nagel dafuͤr anzunehmen, um der Gewaltthaͤ-
tigkeit wenigſtens den Anſtrich eines Tauſchhandels zu geben. Zum Gluͤck wa-
ren die Einheimiſchen dreiſt genug, dieſen Vorfall dem Capitain zu klagen, der
denn die Thaͤter nach Verdienſt beſtrafen ließ. So iſts, mehr oder minder,
auf allen dergleichen Reiſen zugegangen und namentlich hat es die Mannſchaft der
Endeavour *) in dieſem Stuͤck nicht um ein Haar beſſer gemacht. Zu Otahiti
beſtahlen ſie die Gemahlin des Tuborai Tamaïde, und auf Neu-Seeland be-
haupteten ſie ganz oͤffentlich, daß alles Eigenthum der Wilden, von Gott und rechts-
wegen, ihnen zukomme **). Doch, wie ſollte auch der Charakter des Matro-
ſen ſich aͤndern koͤnnen, da ſeine Lebensart unveraͤndert Tag fuͤr Tag dieſelbe iſt?
Die Seele wird bey ihm gleichſam in eben der Maaße, abgehaͤrtet und un-
empfindlich als der Koͤrper, und ihre eignen Befehlshaber klagen durchgehends
uͤber den unmenſchlichen Hang, den ſie von je her haben blicken laſſen, die friedfer-
tigen Indianer, bey der geringſten Veranlaßung umzubringen ***). —
1774.
Novem-
ber.
Da
*) Der Nahme des Schiffs, welches Capitain Cook, bey ſeiner erſten Reiſe um die Welt,
von 1769 bis 1772 commandirte.
**) S. Hawkesworths Geſchichte der engliſchen Seereiſen, 4. zweyten Band pag. 102.
und pag. 362. auch kann der dritte Band S. 264 nachgeſchlagen werden, wo die Offi-
ciere eben dergleichen Geſinnungen aͤußerten. Im erſten Bande, meines Werks, S. 214.
kommt ebenfalls etwas aͤhnliches vor.
***) Siehe Hawkesworth’s Samml. ꝛc. 2. Band, S. 361. u. mehrere Stellen.
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