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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.

Da die Neu-Seeländer sahen, daß von allen ihren schönen Sachen1774.
Novem-
ber.

nichts mehr anzubringen war; so verliessen sie uns am vierten November durch-
gehends bis auf eine einzige armselige Familie die, seit den letzten beyden Ta-
gen, des stürmischen Wetters halber, nicht einmahl für sich, geschweige denn
für uns, hatte Fische fangen können. Wir trafen sie heut in der sogenannten
blinden Bucht, bey einer Mahlzeit unschmackhafter Farrenkrautwurzeln, womit
sie, aus Mangel beßrer Nahrung, ihren Hunger zu stillen suchten. In jeder
Hütte war ein Feuer angezündet welches, natürlicher Weise, die ganze Wohnung
mit Rauch und Dampf anfüllte. Die Leute mochten die Unbehaglichkeit einer solchen
Atmosphäre freylich nicht ganz empfinden, weil sie gemeiniglich platt auf der Erde
lagen; mir aber kam der Aufenthalt in diesen Hütten ganz unerträglich vor,
wenn gleich andre Europäer kein Bedenken trugen, um der Liebkosungen einiger
scheuslichen Weibsbilder wegen, hineinzugehen. Vielleicht wird man glauben,
daß nur der rohe Matrose diesem thierischen Instinkt nicht habe wiederstehen
können; allein, das tyrannische Element worauf Officier und Matrose in
gleichem Maaße herum geschleudert werden, scheint in diesem Betracht auch
allen Unterschied zwischen beyden aufzuheben, und wenn man es einmahl
so weit kommen läßt, daß jede aufsteigende, noch so wilde, Begierde freyen Lauf
nehmen darf, so wird freylich am Ende ein Sinn auf Kosten aller
übrigen befriedigt seyn wollen. Die Nationen die wir unmittelbar zuvor auf
den Neuen-Hebridischen Inseln und auf Neu-Caledonien besucht, hatten
sich sehr klüglich für allen unanständigen Vertraulichkeiten gehütet; eben deshalb
wandten sich die Herren nun mit desto größerer Zudringlichkeit an die ekelhaften
Schönen in den unreinlichen, räuchrigen Hütten auf Neu-Seeland!

Am fünften erfolgte endlich wieder ein schöner Tag; der Capitain
machte sich selbigen zu Nutze und fuhr mit uns nach dem Ende der Bucht hin,
welches zum Besten der Schiffahrt aufgenommen werden sollte. Nachdem wir
eine gute Strecke fortgerudert waren, erblickte man in der Ferne etliche Fischer-
Canots, deren Mannschaft aber, so bald sie unsrer gewahr wurden, aufhörte zu
fischen und eiligst wegruderte. Da wir von diesen Indianern zu
vernehmen wünschten, ob es am südlichen Ende des Sundes eine
Durchfahrt nach der offenen See hin gäbe? so mußten unsre Matrosen

Forster's Reise u. die W. zweyter Th. A a a
in den Jahren 1772 bis 1775.

Da die Neu-Seelaͤnder ſahen, daß von allen ihren ſchoͤnen Sachen1774.
Novem-
ber.

nichts mehr anzubringen war; ſo verlieſſen ſie uns am vierten November durch-
gehends bis auf eine einzige armſelige Familie die, ſeit den letzten beyden Ta-
gen, des ſtuͤrmiſchen Wetters halber, nicht einmahl fuͤr ſich, geſchweige denn
fuͤr uns, hatte Fiſche fangen koͤnnen. Wir trafen ſie heut in der ſogenannten
blinden Bucht, bey einer Mahlzeit unſchmackhafter Farrenkrautwurzeln, womit
ſie, aus Mangel beßrer Nahrung, ihren Hunger zu ſtillen ſuchten. In jeder
Huͤtte war ein Feuer angezuͤndet welches, natuͤrlicher Weiſe, die ganze Wohnung
mit Rauch und Dampf anfuͤllte. Die Leute mochten die Unbehaglichkeit einer ſolchen
Atmosphaͤre freylich nicht ganz empfinden, weil ſie gemeiniglich platt auf der Erde
lagen; mir aber kam der Aufenthalt in dieſen Huͤtten ganz unertraͤglich vor,
wenn gleich andre Europaͤer kein Bedenken trugen, um der Liebkoſungen einiger
ſcheuslichen Weibsbilder wegen, hineinzugehen. Vielleicht wird man glauben,
daß nur der rohe Matroſe dieſem thieriſchen Inſtinkt nicht habe wiederſtehen
koͤnnen; allein, das tyranniſche Element worauf Officier und Matroſe in
gleichem Maaße herum geſchleudert werden, ſcheint in dieſem Betracht auch
allen Unterſchied zwiſchen beyden aufzuheben, und wenn man es einmahl
ſo weit kommen laͤßt, daß jede aufſteigende, noch ſo wilde, Begierde freyen Lauf
nehmen darf, ſo wird freylich am Ende ein Sinn auf Koſten aller
uͤbrigen befriedigt ſeyn wollen. Die Nationen die wir unmittelbar zuvor auf
den Neuen-Hebridiſchen Inſeln und auf Neu-Caledonien beſucht, hatten
ſich ſehr kluͤglich fuͤr allen unanſtaͤndigen Vertraulichkeiten gehuͤtet; eben deshalb
wandten ſich die Herren nun mit deſto groͤßerer Zudringlichkeit an die ekelhaften
Schoͤnen in den unreinlichen, raͤuchrigen Huͤtten auf Neu-Seeland!

Am fuͤnften erfolgte endlich wieder ein ſchoͤner Tag; der Capitain
machte ſich ſelbigen zu Nutze und fuhr mit uns nach dem Ende der Bucht hin,
welches zum Beſten der Schiffahrt aufgenommen werden ſollte. Nachdem wir
eine gute Strecke fortgerudert waren, erblickte man in der Ferne etliche Fiſcher-
Canots, deren Mannſchaft aber, ſo bald ſie unſrer gewahr wurden, aufhoͤrte zu
fiſchen und eiligſt wegruderte. Da wir von dieſen Indianern zu
vernehmen wuͤnſchten, ob es am ſuͤdlichen Ende des Sundes eine
Durchfahrt nach der offenen See hin gaͤbe? ſo mußten unſre Matroſen

Forſter’s Reiſe u. die W. zweyter Th. A a a
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[369/0387] in den Jahren 1772 bis 1775. Da die Neu-Seelaͤnder ſahen, daß von allen ihren ſchoͤnen Sachen nichts mehr anzubringen war; ſo verlieſſen ſie uns am vierten November durch- gehends bis auf eine einzige armſelige Familie die, ſeit den letzten beyden Ta- gen, des ſtuͤrmiſchen Wetters halber, nicht einmahl fuͤr ſich, geſchweige denn fuͤr uns, hatte Fiſche fangen koͤnnen. Wir trafen ſie heut in der ſogenannten blinden Bucht, bey einer Mahlzeit unſchmackhafter Farrenkrautwurzeln, womit ſie, aus Mangel beßrer Nahrung, ihren Hunger zu ſtillen ſuchten. In jeder Huͤtte war ein Feuer angezuͤndet welches, natuͤrlicher Weiſe, die ganze Wohnung mit Rauch und Dampf anfuͤllte. Die Leute mochten die Unbehaglichkeit einer ſolchen Atmosphaͤre freylich nicht ganz empfinden, weil ſie gemeiniglich platt auf der Erde lagen; mir aber kam der Aufenthalt in dieſen Huͤtten ganz unertraͤglich vor, wenn gleich andre Europaͤer kein Bedenken trugen, um der Liebkoſungen einiger ſcheuslichen Weibsbilder wegen, hineinzugehen. Vielleicht wird man glauben, daß nur der rohe Matroſe dieſem thieriſchen Inſtinkt nicht habe wiederſtehen koͤnnen; allein, das tyranniſche Element worauf Officier und Matroſe in gleichem Maaße herum geſchleudert werden, ſcheint in dieſem Betracht auch allen Unterſchied zwiſchen beyden aufzuheben, und wenn man es einmahl ſo weit kommen laͤßt, daß jede aufſteigende, noch ſo wilde, Begierde freyen Lauf nehmen darf, ſo wird freylich am Ende ein Sinn auf Koſten aller uͤbrigen befriedigt ſeyn wollen. Die Nationen die wir unmittelbar zuvor auf den Neuen-Hebridiſchen Inſeln und auf Neu-Caledonien beſucht, hatten ſich ſehr kluͤglich fuͤr allen unanſtaͤndigen Vertraulichkeiten gehuͤtet; eben deshalb wandten ſich die Herren nun mit deſto groͤßerer Zudringlichkeit an die ekelhaften Schoͤnen in den unreinlichen, raͤuchrigen Huͤtten auf Neu-Seeland! 1774. Novem- ber. Am fuͤnften erfolgte endlich wieder ein ſchoͤner Tag; der Capitain machte ſich ſelbigen zu Nutze und fuhr mit uns nach dem Ende der Bucht hin, welches zum Beſten der Schiffahrt aufgenommen werden ſollte. Nachdem wir eine gute Strecke fortgerudert waren, erblickte man in der Ferne etliche Fiſcher- Canots, deren Mannſchaft aber, ſo bald ſie unſrer gewahr wurden, aufhoͤrte zu fiſchen und eiligſt wegruderte. Da wir von dieſen Indianern zu vernehmen wuͤnſchten, ob es am ſuͤdlichen Ende des Sundes eine Durchfahrt nach der offenen See hin gaͤbe? ſo mußten unſre Matroſen Forſter’s Reiſe u. die W. zweyter Th. A a a

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/387>, abgerufen am 24.11.2024.