Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.April.schätzbarer, und seine Zuhörer schienen durch die Bündigkeit seiner Rede überzeuge zu seyn. Nachmittags kam eben dieser Tohah mit seiner Frau an das Schiff; sie war schon bey gewissen Jahren, und dünkte uns, dem äussern Ansehen nach zu urtheilen, von eben so gutem Character als er. Ihr Fahrzeug bestand aus einem großen dop- pelten Canot, welches ein Verdeck auf dem Hintertheil und acht Ruderer hatte. Die beyden alten Leute baten Herrn Hodges und mich sie am Lande zu besu- chen, also stiegen wir in ihr Canot und fuhren gleich mit nach Parre. Unter- wegens erkundigte sich Tohah sehr umständlich nach der Beschaffenheit und Ver- fassung des Landes aus dem wir kamen. Da Herr Banks und Capitain Cook die Vornehmsten unter den Europäern waren, die er gesehen hatte; so glaubte er, jener könne wohl nichts geringers als des Königs Bruder, und dieser müsse zum wenigsten Groß-Admiral von England seyn. Was wir auf seine Fragen antworteten, hörte er mit Aufmerksamkeit und Verwundrung an: Als wir ihm aber sagten, es gäbe bey uns weder Cocos-Nüße, noch Brodfruchtbäume; so schien er England, bey allen seinen übrigen Vorzügen, doch nur für ein schlech- tes Land anzusehen. So bald wir bey seiner Wohnung angelangt waren, ließ er Fische und Früchte auftragen, und nöthigte uns zu essen. Ob wir gleich erst eben zu Mittag gespeiset hatten, so wollten wir seine Einladung doch nicht gern abschlagen; wir setzten uns also, und fanden die Speisen vortreflich. War- lich! wir hätten dies herrliche Land mit Mahomets Paradiese vergleichen mögen, wo der Appetit selbst nach dem Genuß noch ungesättigt bleibt! Die Speisen standen vor uns, und wir waren schon im Begriffzuzugreifen, als Tohah uns bat, noch einen Augenblick zu verziehen. Die Absicht davon zeigte sich bald, denn einer seiner Bedienten kam mit einem großen europäischen Küchenmesser und statt der Gabeln, mit ein Paar Bambustöcker aufgezogen. Nun schnitt Tohah selbst vor und gab jedem von uns einen Bambustock mit dem Zusatze, daß er auf englische Manier essen wolle. Anstatt also, wie andre Indianer, eine ganze Handvoll Brodfrucht auf einmal in den Mund zu stecken, schnitt er sie ganz manierlich in kleine Stücken und aß wechselsweise ein Stückchen Fisch und einen Bissen Brodfrucht, damit wir se- hen sollten, wie genau er sich unsre Art zu essen gemerkt hatte. Die gute Dame speißte nachher, der unabänderlichen Gewohnheit des Landes gemäß, in einiger Entfernung. Nach der Mahlzeit giengen wir mit ihnen spatzieren und plauderten zusammen bis Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.April.ſchaͤtzbarer, und ſeine Zuhoͤrer ſchienen durch die Buͤndigkeit ſeiner Rede uͤberzeuge zu ſeyn. Nachmittags kam eben dieſer Tohah mit ſeiner Frau an das Schiff; ſie war ſchon bey gewiſſen Jahren, und duͤnkte uns, dem aͤuſſern Anſehen nach zu urtheilen, von eben ſo gutem Character als er. Ihr Fahrzeug beſtand aus einem großen dop- pelten Canot, welches ein Verdeck auf dem Hintertheil und acht Ruderer hatte. Die beyden alten Leute baten Herrn Hodges und mich ſie am Lande zu beſu- chen, alſo ſtiegen wir in ihr Canot und fuhren gleich mit nach Parre. Unter- wegens erkundigte ſich Tohah ſehr umſtaͤndlich nach der Beſchaffenheit und Ver- faſſung des Landes aus dem wir kamen. Da Herr Banks und Capitain Cook die Vornehmſten unter den Europaͤern waren, die er geſehen hatte; ſo glaubte er, jener koͤnne wohl nichts geringers als des Koͤnigs Bruder, und dieſer muͤſſe zum wenigſten Groß-Admiral von England ſeyn. Was wir auf ſeine Fragen antworteten, hoͤrte er mit Aufmerkſamkeit und Verwundrung an: Als wir ihm aber ſagten, es gaͤbe bey uns weder Cocos-Nuͤße, noch Brodfruchtbaͤume; ſo ſchien er England, bey allen ſeinen uͤbrigen Vorzuͤgen, doch nur fuͤr ein ſchlech- tes Land anzuſehen. So bald wir bey ſeiner Wohnung angelangt waren, ließ er Fiſche und Fruͤchte auftragen, und noͤthigte uns zu eſſen. Ob wir gleich erſt eben zu Mittag geſpeiſet hatten, ſo wollten wir ſeine Einladung doch nicht gern abſchlagen; wir ſetzten uns alſo, und fanden die Speiſen vortreflich. War- lich! wir haͤtten dies herrliche Land mit Mahomets Paradieſe vergleichen moͤgen, wo der Appetit ſelbſt nach dem Genuß noch ungeſaͤttigt bleibt! Die Speiſen ſtanden vor uns, und wir waren ſchon im Begriffzuzugreifen, als Tohah uns bat, noch einen Augenblick zu verziehen. Die Abſicht davon zeigte ſich bald, denn einer ſeiner Bedienten kam mit einem großen europaͤiſchen Kuͤchenmeſſer und ſtatt der Gabeln, mit ein Paar Bambuſtoͤcker aufgezogen. Nun ſchnitt Tohah ſelbſt vor und gab jedem von uns einen Bambuſtock mit dem Zuſatze, daß er auf engliſche Manier eſſen wolle. Anſtatt alſo, wie andre Indianer, eine ganze Handvoll Brodfrucht auf einmal in den Mund zu ſtecken, ſchnitt er ſie ganz manierlich in kleine Stuͤcken und aß wechſelsweiſe ein Stuͤckchen Fiſch und einen Biſſen Brodfrucht, damit wir ſe- hen ſollten, wie genau er ſich unſre Art zu eſſen gemerkt hatte. Die gute Dame ſpeißte nachher, der unabaͤnderlichen Gewohnheit des Landes gemaͤß, in einiger Entfernung. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
ſchaͤtzbarer, und ſeine Zuhoͤrer ſchienen durch die Buͤndigkeit ſeiner Rede uͤberzeuge zu
ſeyn. Nachmittags kam eben dieſer Tohah mit ſeiner Frau an das Schiff; ſie war
ſchon bey gewiſſen Jahren, und duͤnkte uns, dem aͤuſſern Anſehen nach zu urtheilen,
von eben ſo gutem Character als er. Ihr Fahrzeug beſtand aus einem großen dop-
pelten Canot, welches ein Verdeck auf dem Hintertheil und acht Ruderer hatte.
Die beyden alten Leute baten Herrn Hodges und mich ſie am Lande zu beſu-
chen, alſo ſtiegen wir in ihr Canot und fuhren gleich mit nach Parre. Unter-
wegens erkundigte ſich Tohah ſehr umſtaͤndlich nach der Beſchaffenheit und Ver-
faſſung des Landes aus dem wir kamen. Da Herr Banks und Capitain Cook
die Vornehmſten unter den Europaͤern waren, die er geſehen hatte; ſo glaubte er,
jener koͤnne wohl nichts geringers als des Koͤnigs Bruder, und dieſer muͤſſe
zum wenigſten Groß-Admiral von England ſeyn. Was wir auf ſeine Fragen
antworteten, hoͤrte er mit Aufmerkſamkeit und Verwundrung an: Als wir ihm
aber ſagten, es gaͤbe bey uns weder Cocos-Nuͤße, noch Brodfruchtbaͤume;
ſo ſchien er England, bey allen ſeinen uͤbrigen Vorzuͤgen, doch nur fuͤr ein ſchlech-
tes Land anzuſehen. So bald wir bey ſeiner Wohnung angelangt waren, ließ
er Fiſche und Fruͤchte auftragen, und noͤthigte uns zu eſſen. Ob wir gleich erſt
eben zu Mittag geſpeiſet hatten, ſo wollten wir ſeine Einladung doch nicht gern
abſchlagen; wir ſetzten uns alſo, und fanden die Speiſen vortreflich. War-
lich! wir haͤtten dies herrliche Land mit Mahomets Paradieſe vergleichen
moͤgen, wo der Appetit ſelbſt nach dem Genuß noch ungeſaͤttigt bleibt! Die
Speiſen ſtanden vor uns, und wir waren ſchon im Begriffzuzugreifen, als Tohah
uns bat, noch einen Augenblick zu verziehen. Die Abſicht davon zeigte ſich bald,
denn einer ſeiner Bedienten kam mit einem großen europaͤiſchen Kuͤchenmeſſer und
ſtatt der Gabeln, mit ein Paar Bambuſtoͤcker aufgezogen. Nun ſchnitt Tohah ſelbſt
vor und gab jedem von uns einen Bambuſtock mit dem Zuſatze, daß er auf engliſche
Manier eſſen wolle. Anſtatt alſo, wie andre Indianer, eine ganze Handvoll Brodfrucht
auf einmal in den Mund zu ſtecken, ſchnitt er ſie ganz manierlich in kleine Stuͤcken
und aß wechſelsweiſe ein Stuͤckchen Fiſch und einen Biſſen Brodfrucht, damit wir ſe-
hen ſollten, wie genau er ſich unſre Art zu eſſen gemerkt hatte. Die gute Dame ſpeißte
nachher, der unabaͤnderlichen Gewohnheit des Landes gemaͤß, in einiger Entfernung.
Nach der Mahlzeit giengen wir mit ihnen ſpatzieren und plauderten zuſammen bis
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