Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.in den Jahren 1772 bis 1775. gegen Untergang der Sonnen, da sie in ihrem Canot nach dem District Ata-1774.April. huru abgiengen, der zum Theil Tohah eigenthümlich zugehörte. Sie nah- men ganz vertraulich von uns Abschied, und versprachen in wenig Tagen wieder ans Schiff zu kommen; wir aber mietheten für einen Nagel ein doppeltes Canot und langten vor Einbruch der Nacht am Borde an. Doctor Sparrmann und mein Vater waren nicht längst erst von ihrer botanischen Bergreise zurückge- kommen. Nuna, der lebhafte Bursch, dessen ich im ersten Theil dieser Ge- schichte schon erwähnt,*) war ihr Begleiter gewesen. Da sie (am 28sten) ihre Wanderschaft erst des Nachmittags angetreten, und, gleich zu Anfang derselben, zwey tiefe Thäler und zween steile Berge zu paßiren gehabt hatten, wo der Weg vom Regen überaus schlüpfrig geworden war; so konnten sie gedachten Tages nicht weiter, als bis auf die zwote Reihe von Bergen kommen. In dieser ein- samen Gegend gab es nur eine einzige Hütte, darinn ein Mann mit seiner Frau und dreyen Kindern wohnte. Bey dieser Familie nahmen sie das Nachtquartier. Der Mann verlängerte, zu ihrer Beherbergung, das Dach seiner Hütte vermittelst einiger Baumzweige, richtete ihnen ein Abendbrod zu, und zündete alsdenn ein Feuer an, bey welchem sie die Nacht hindurch wechselsweise wachten. Wir konnten dieses Feuer vom Schiffe aus sehen, und sie, ihrer Seits, hörten dagegen um Mit- ternacht die Schiffsglocke ganz deutlich, ohnerachtet der Ort ihres Aufenthalts, über eine halbe deutsche Meile von uns entfernt war. Die Nacht war schön und so angenehm kühl, daß sie gut genug würden geschlafen haben, wenn sie nicht ihr Wirth, der Tahea hieß, durch seinen heftigen Husten so oft gestöhrt hätte. Bey Tages Anbruch marschirten sie weiter Berg an, und Tahea gieng, mit einer großen Ladung von Cocosnüßen, vor ihnen her. Je weiter sie kamen, desto beschwerlicher ward der Weg, oft mußten sie auf einem schmalen Fußsteige schroffe Hügel paßiren, wo zu beyden Seiten die steilsten Abgründe vorhanden waren, und die von dem gestrigen Regen verursachte Schlüpfrigkeit des Bo- dens, machte ihnen den Gang doppelt mühsam und gefährlich. Auf einer ziemlich beträchtlichen Höhe des Berges fanden sie alles, sogar die steilsten Orte mit dickem Gebüsch und hoher Waldung bewachsen. Aber auch die unwegsamsten Gegenden liessen sie, aus Begierde neue Pflanzen zu entdecken, nicht undurchsucht, bis etwa *) Siehe im ersten Theil, S. 257. H 3
in den Jahren 1772 bis 1775. gegen Untergang der Sonnen, da ſie in ihrem Canot nach dem Diſtrict Ata-1774.April. huru abgiengen, der zum Theil Tohah eigenthuͤmlich zugehoͤrte. Sie nah- men ganz vertraulich von uns Abſchied, und verſprachen in wenig Tagen wieder ans Schiff zu kommen; wir aber mietheten fuͤr einen Nagel ein doppeltes Canot und langten vor Einbruch der Nacht am Borde an. Doctor Sparrmann und mein Vater waren nicht laͤngſt erſt von ihrer botaniſchen Bergreiſe zuruͤckge- kommen. Nuna, der lebhafte Burſch, deſſen ich im erſten Theil dieſer Ge- ſchichte ſchon erwaͤhnt,*) war ihr Begleiter geweſen. Da ſie (am 28ſten) ihre Wanderſchaft erſt des Nachmittags angetreten, und, gleich zu Anfang derſelben, zwey tiefe Thaͤler und zween ſteile Berge zu paßiren gehabt hatten, wo der Weg vom Regen uͤberaus ſchluͤpfrig geworden war; ſo konnten ſie gedachten Tages nicht weiter, als bis auf die zwote Reihe von Bergen kommen. In dieſer ein- ſamen Gegend gab es nur eine einzige Huͤtte, darinn ein Mann mit ſeiner Frau und dreyen Kindern wohnte. Bey dieſer Familie nahmen ſie das Nachtquartier. Der Mann verlaͤngerte, zu ihrer Beherbergung, das Dach ſeiner Huͤtte vermittelſt einiger Baumzweige, richtete ihnen ein Abendbrod zu, und zuͤndete alsdenn ein Feuer an, bey welchem ſie die Nacht hindurch wechſelsweiſe wachten. Wir konnten dieſes Feuer vom Schiffe aus ſehen, und ſie, ihrer Seits, hoͤrten dagegen um Mit- ternacht die Schiffsglocke ganz deutlich, ohnerachtet der Ort ihres Aufenthalts, uͤber eine halbe deutſche Meile von uns entfernt war. Die Nacht war ſchoͤn und ſo angenehm kuͤhl, daß ſie gut genug wuͤrden geſchlafen haben, wenn ſie nicht ihr Wirth, der Tahea hieß, durch ſeinen heftigen Huſten ſo oft geſtoͤhrt haͤtte. Bey Tages Anbruch marſchirten ſie weiter Berg an, und Tahea gieng, mit einer großen Ladung von Cocosnuͤßen, vor ihnen her. Je weiter ſie kamen, deſto beſchwerlicher ward der Weg, oft mußten ſie auf einem ſchmalen Fußſteige ſchroffe Huͤgel paßiren, wo zu beyden Seiten die ſteilſten Abgruͤnde vorhanden waren, und die von dem geſtrigen Regen verurſachte Schluͤpfrigkeit des Bo- dens, machte ihnen den Gang doppelt muͤhſam und gefaͤhrlich. Auf einer ziemlich betraͤchtlichen Hoͤhe des Berges fanden ſie alles, ſogar die ſteilſten Orte mit dickem Gebuͤſch und hoher Waldung bewachſen. Aber auch die unwegſamſten Gegenden lieſſen ſie, aus Begierde neue Pflanzen zu entdecken, nicht undurchſucht, bis etwa *) Siehe im erſten Theil, S. 257. H 3
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gegen Untergang der Sonnen, da ſie in ihrem Canot nach dem Diſtrict Ata-
huru abgiengen, der zum Theil Tohah eigenthuͤmlich zugehoͤrte. Sie nah-
men ganz vertraulich von uns Abſchied, und verſprachen in wenig Tagen wieder
ans Schiff zu kommen; wir aber mietheten fuͤr einen Nagel ein doppeltes Canot
und langten vor Einbruch der Nacht am Borde an. Doctor Sparrmann
und mein Vater waren nicht laͤngſt erſt von ihrer botaniſchen Bergreiſe zuruͤckge-
kommen. Nuna, der lebhafte Burſch, deſſen ich im erſten Theil dieſer Ge-
ſchichte ſchon erwaͤhnt, *) war ihr Begleiter geweſen. Da ſie (am 28ſten) ihre
Wanderſchaft erſt des Nachmittags angetreten, und, gleich zu Anfang derſelben,
zwey tiefe Thaͤler und zween ſteile Berge zu paßiren gehabt hatten, wo der Weg
vom Regen uͤberaus ſchluͤpfrig geworden war; ſo konnten ſie gedachten Tages
nicht weiter, als bis auf die zwote Reihe von Bergen kommen. In dieſer ein-
ſamen Gegend gab es nur eine einzige Huͤtte, darinn ein Mann mit ſeiner Frau
und dreyen Kindern wohnte. Bey dieſer Familie nahmen ſie das Nachtquartier.
Der Mann verlaͤngerte, zu ihrer Beherbergung, das Dach ſeiner Huͤtte vermittelſt
einiger Baumzweige, richtete ihnen ein Abendbrod zu, und zuͤndete alsdenn ein
Feuer an, bey welchem ſie die Nacht hindurch wechſelsweiſe wachten. Wir konnten
dieſes Feuer vom Schiffe aus ſehen, und ſie, ihrer Seits, hoͤrten dagegen um Mit-
ternacht die Schiffsglocke ganz deutlich, ohnerachtet der Ort ihres Aufenthalts,
uͤber eine halbe deutſche Meile von uns entfernt war. Die Nacht war ſchoͤn
und ſo angenehm kuͤhl, daß ſie gut genug wuͤrden geſchlafen haben, wenn ſie
nicht ihr Wirth, der Tahea hieß, durch ſeinen heftigen Huſten ſo oft geſtoͤhrt
haͤtte. Bey Tages Anbruch marſchirten ſie weiter Berg an, und Tahea gieng,
mit einer großen Ladung von Cocosnuͤßen, vor ihnen her. Je weiter ſie kamen,
deſto beſchwerlicher ward der Weg, oft mußten ſie auf einem ſchmalen Fußſteige
ſchroffe Huͤgel paßiren, wo zu beyden Seiten die ſteilſten Abgruͤnde vorhanden
waren, und die von dem geſtrigen Regen verurſachte Schluͤpfrigkeit des Bo-
dens, machte ihnen den Gang doppelt muͤhſam und gefaͤhrlich. Auf einer ziemlich
betraͤchtlichen Hoͤhe des Berges fanden ſie alles, ſogar die ſteilſten Orte mit dickem
Gebuͤſch und hoher Waldung bewachſen. Aber auch die unwegſamſten Gegenden
lieſſen ſie, aus Begierde neue Pflanzen zu entdecken, nicht undurchſucht, bis etwa
1774.
April.
*) Siehe im erſten Theil, S. 257.
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