Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.May.regelmäßige Schönheiten nennen, sie wissen aber doch das Herz der Männer zu gewinnen, und erwarben sich durch ungezwungne, natürliche Freundlichkeit, und durch ihr stetes Bestreben zu gefallen, die Zuneigung und Liebe unse- res Geschlechts. In der Lebensart der Tahitier herrscht durchgehends eine glück- liche Einförmigkeit. Mit Aufgang der Sonne stehen sie auf, und eilen sogleich zu Bächen und Quellen, um sich zu waschen und zu erfrischen. Alsdenn arbei- ten sie, oder gehen umher, bis die Hitze des Tages sie nöthigt in ihren Hütten, oder in dem Schatten der Bäume, auszuruhen. In diesen Erholungs-Stunden bringen sie ihren Kopfputz in Ordnung, das heißt: sie streichen sich das Haar glatt und salben es mit wohlriechendem Oel; zuweilen blasen sie auch die Flöte, sin- gen dazu, oder ergötzen sich, im Grase hingestreckt, am Gesange der Vögel. Um Mittag, oder auch wohl etwas später, ist ihre Tischzeit, und nach der Mahl- zeit gehen sie wieder an häusliche Arbeiten oder an ihren Zeitvertreib. Bey allem, was sie thun, zeigt sich gegenseitiges Wohlwollen, und eben so sieht man auch die Jugend in Liebe untereinander, und in Zärtlichkeit zu den ihrigen aufwachsen. Mun- trer Scherz ohne Bitterkeit, ungekünstelte Erzählungen, fröhlicher Tanz und ein mäs- ges Abendessen bringen die Nacht heran; und dann wird der Tag durch aberma- liges Baden im Flusse beschlossen. Zufrieden mit dieser einfachen Art zu leben, wissen diese Bewohner eines so glücklichen Clima, nichts von Kummer und Sorgen, und sind bey aller ihrer übrigen Unwissenheit glücklich zu preisen Ihr Leben fließet verborgen, Kleist. Das alles sind freylich in den Augen solcher Leute, die nur an das Vergnügen Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.May.regelmaͤßige Schoͤnheiten nennen, ſie wiſſen aber doch das Herz der Maͤnner zu gewinnen, und erwarben ſich durch ungezwungne, natuͤrliche Freundlichkeit, und durch ihr ſtetes Beſtreben zu gefallen, die Zuneigung und Liebe unſe- res Geſchlechts. In der Lebensart der Tahitier herrſcht durchgehends eine gluͤck- liche Einfoͤrmigkeit. Mit Aufgang der Sonne ſtehen ſie auf, und eilen ſogleich zu Baͤchen und Quellen, um ſich zu waſchen und zu erfriſchen. Alsdenn arbei- ten ſie, oder gehen umher, bis die Hitze des Tages ſie noͤthigt in ihren Huͤtten, oder in dem Schatten der Baͤume, auszuruhen. In dieſen Erholungs-Stunden bringen ſie ihren Kopfputz in Ordnung, das heißt: ſie ſtreichen ſich das Haar glatt und ſalben es mit wohlriechendem Oel; zuweilen blaſen ſie auch die Floͤte, ſin- gen dazu, oder ergoͤtzen ſich, im Graſe hingeſtreckt, am Geſange der Voͤgel. Um Mittag, oder auch wohl etwas ſpaͤter, iſt ihre Tiſchzeit, und nach der Mahl- zeit gehen ſie wieder an haͤusliche Arbeiten oder an ihren Zeitvertreib. Bey allem, was ſie thun, zeigt ſich gegenſeitiges Wohlwollen, und eben ſo ſieht man auch die Jugend in Liebe untereinander, und in Zaͤrtlichkeit zu den ihrigen aufwachſen. Mun- trer Scherz ohne Bitterkeit, ungekuͤnſtelte Erzaͤhlungen, froͤhlicher Tanz und ein maͤſ- ges Abendeſſen bringen die Nacht heran; und dann wird der Tag durch aberma- liges Baden im Fluſſe beſchloſſen. Zufrieden mit dieſer einfachen Art zu leben, wiſſen dieſe Bewohner eines ſo gluͤcklichen Clima, nichts von Kummer und Sorgen, und ſind bey aller ihrer uͤbrigen Unwiſſenheit gluͤcklich zu preiſen Ihr Leben fließet verborgen, Kleiſt. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
regelmaͤßige Schoͤnheiten nennen, ſie wiſſen aber doch das Herz der Maͤnner zu
gewinnen, und erwarben ſich durch ungezwungne, natuͤrliche Freundlichkeit,
und durch ihr ſtetes Beſtreben zu gefallen, die Zuneigung und Liebe unſe-
res Geſchlechts. In der Lebensart der Tahitier herrſcht durchgehends eine gluͤck-
liche Einfoͤrmigkeit. Mit Aufgang der Sonne ſtehen ſie auf, und eilen ſogleich
zu Baͤchen und Quellen, um ſich zu waſchen und zu erfriſchen. Alsdenn arbei-
ten ſie, oder gehen umher, bis die Hitze des Tages ſie noͤthigt in ihren Huͤtten,
oder in dem Schatten der Baͤume, auszuruhen. In dieſen Erholungs-Stunden
bringen ſie ihren Kopfputz in Ordnung, das heißt: ſie ſtreichen ſich das Haar
glatt und ſalben es mit wohlriechendem Oel; zuweilen blaſen ſie auch die Floͤte, ſin-
gen dazu, oder ergoͤtzen ſich, im Graſe hingeſtreckt, am Geſange der Voͤgel.
Um Mittag, oder auch wohl etwas ſpaͤter, iſt ihre Tiſchzeit, und nach der Mahl-
zeit gehen ſie wieder an haͤusliche Arbeiten oder an ihren Zeitvertreib. Bey allem,
was ſie thun, zeigt ſich gegenſeitiges Wohlwollen, und eben ſo ſieht man auch die
Jugend in Liebe untereinander, und in Zaͤrtlichkeit zu den ihrigen aufwachſen. Mun-
trer Scherz ohne Bitterkeit, ungekuͤnſtelte Erzaͤhlungen, froͤhlicher Tanz und ein maͤſ-
ges Abendeſſen bringen die Nacht heran; und dann wird der Tag durch aberma-
liges Baden im Fluſſe beſchloſſen. Zufrieden mit dieſer einfachen Art zu leben,
wiſſen dieſe Bewohner eines ſo gluͤcklichen Clima, nichts von Kummer und
Sorgen, und ſind bey aller ihrer uͤbrigen Unwiſſenheit gluͤcklich zu preiſen
1774.
May.
Ihr Leben fließet verborgen,
Wie klare Baͤche, durch Blumen dahin.
Kleiſt.
Das alles ſind freylich in den Augen ſolcher Leute, die nur an das Vergnuͤgen
der Sinnlichkeit denken, ſehr weſentliche Vortheile, und es war daher kein Wun-
der, daß ein Matroſe, der vielleicht noch weniger Ueberlegung haben mogte,
als ſeine Cameraden, nur auf die Freuden des gegenwaͤrtigen Augenblickes dachte.
Freylich, mit etwas mehr Beurtheilungskraft, wuͤrde er eingeſehen haben, daß
ein Menſch von ſeiner Art, der zu einem thaͤtigen Leben gebohren, mit tauſend
Gegenſtaͤnden bekannt, wovon die Tahitier nichts wiſſen, und gewohnt iſt, an
das Vergangne und Zukuͤnftige zu denken, daß der einer ſo ununterbrochnen Ruhe
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