Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.sie; jede Spur des Unwillens war bei meiner Ankunft verwischt. Sie betrachtete mich mit rührendem Wohlwollen und führte mich durch tausend theilnehmende Fragen so leicht und gefällig in den Kreis meiner verlassenen Freuden zurück, daß ich sie noch einmal an ihrer Seite heraufführte und mit froherm Sinn genoß. So schwatzten wir die ersten Abende bis tief in die Nacht hinein. An einem derselben, als sie gefällig auf jedes kleine Abentheuer hörte, ward noch ganz spät ein Fremder bei ihr gemeldet, der ihr zugleich ein Blatt überschickte, auf welchem ich griechische Schriftzüge wahrnahm. Sie überflog es schnell, schlug beide Hände in höchster Bewegung zusammen, indem sie wiederholt ausrief: er lebt! -- er lebt, Fernando, um Gottes Willen! Ein ältlicher Mann, von hoher, etwas gebeugter, Gestalt trat hier in das Zimmer. Er trug ein langes, graues Oberkleid, das mit einem weißlichen Gürtel zusammengehalten war; sein gebleichtes Haar hing noch voll und lockig über große tiefliegende Augen, die sich unverwandt auf mich hefteten. Es war etwas Fremdes, Auffallendes, in dieser Erscheinung, was mich unwillkührlich anzog. Die Markise schrie laut auf und riß mich zu dem Fremden, der uns Beide fest umschlang, ohne ein Wort zu sagen, als fürchte er, aus einem glücklichen Traum zu erwachen. Ich sie; jede Spur des Unwillens war bei meiner Ankunft verwischt. Sie betrachtete mich mit rührendem Wohlwollen und führte mich durch tausend theilnehmende Fragen so leicht und gefällig in den Kreis meiner verlassenen Freuden zurück, daß ich sie noch einmal an ihrer Seite heraufführte und mit froherm Sinn genoß. So schwatzten wir die ersten Abende bis tief in die Nacht hinein. An einem derselben, als sie gefällig auf jedes kleine Abentheuer hörte, ward noch ganz spät ein Fremder bei ihr gemeldet, der ihr zugleich ein Blatt überschickte, auf welchem ich griechische Schriftzüge wahrnahm. Sie überflog es schnell, schlug beide Hände in höchster Bewegung zusammen, indem sie wiederholt ausrief: er lebt! — er lebt, Fernando, um Gottes Willen! Ein ältlicher Mann, von hoher, etwas gebeugter, Gestalt trat hier in das Zimmer. Er trug ein langes, graues Oberkleid, das mit einem weißlichen Gürtel zusammengehalten war; sein gebleichtes Haar hing noch voll und lockig über große tiefliegende Augen, die sich unverwandt auf mich hefteten. Es war etwas Fremdes, Auffallendes, in dieser Erscheinung, was mich unwillkührlich anzog. Die Markise schrie laut auf und riß mich zu dem Fremden, der uns Beide fest umschlang, ohne ein Wort zu sagen, als fürchte er, aus einem glücklichen Traum zu erwachen. Ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0107" n="99"/> sie; jede Spur des Unwillens war bei meiner Ankunft verwischt. Sie betrachtete mich mit rührendem Wohlwollen und führte mich durch tausend theilnehmende Fragen so leicht und gefällig in den Kreis meiner verlassenen Freuden zurück, daß ich sie noch einmal an ihrer Seite heraufführte und mit froherm Sinn genoß. So schwatzten wir die ersten Abende bis tief in die Nacht hinein. An einem derselben, als sie gefällig auf jedes kleine Abentheuer hörte, ward noch ganz spät ein Fremder bei ihr gemeldet, der ihr zugleich ein Blatt überschickte, auf welchem ich griechische Schriftzüge wahrnahm. Sie überflog es schnell, schlug beide Hände in höchster Bewegung zusammen, indem sie wiederholt ausrief: er lebt! — er lebt, Fernando, um Gottes Willen! Ein ältlicher Mann, von hoher, etwas gebeugter, Gestalt trat hier in das Zimmer. Er trug ein langes, graues Oberkleid, das mit einem weißlichen Gürtel zusammengehalten war; sein gebleichtes Haar hing noch voll und lockig über große tiefliegende Augen, die sich unverwandt auf mich hefteten. Es war etwas Fremdes, Auffallendes, in dieser Erscheinung, was mich unwillkührlich anzog. Die Markise schrie laut auf und riß mich zu dem Fremden, der uns Beide fest umschlang, ohne ein Wort zu sagen, als fürchte er, aus einem glücklichen Traum zu erwachen. Ich </p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0107]
sie; jede Spur des Unwillens war bei meiner Ankunft verwischt. Sie betrachtete mich mit rührendem Wohlwollen und führte mich durch tausend theilnehmende Fragen so leicht und gefällig in den Kreis meiner verlassenen Freuden zurück, daß ich sie noch einmal an ihrer Seite heraufführte und mit froherm Sinn genoß. So schwatzten wir die ersten Abende bis tief in die Nacht hinein. An einem derselben, als sie gefällig auf jedes kleine Abentheuer hörte, ward noch ganz spät ein Fremder bei ihr gemeldet, der ihr zugleich ein Blatt überschickte, auf welchem ich griechische Schriftzüge wahrnahm. Sie überflog es schnell, schlug beide Hände in höchster Bewegung zusammen, indem sie wiederholt ausrief: er lebt! — er lebt, Fernando, um Gottes Willen! Ein ältlicher Mann, von hoher, etwas gebeugter, Gestalt trat hier in das Zimmer. Er trug ein langes, graues Oberkleid, das mit einem weißlichen Gürtel zusammengehalten war; sein gebleichtes Haar hing noch voll und lockig über große tiefliegende Augen, die sich unverwandt auf mich hefteten. Es war etwas Fremdes, Auffallendes, in dieser Erscheinung, was mich unwillkührlich anzog. Die Markise schrie laut auf und riß mich zu dem Fremden, der uns Beide fest umschlang, ohne ein Wort zu sagen, als fürchte er, aus einem glücklichen Traum zu erwachen. Ich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/107 |
Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/107>, abgerufen am 16.02.2025. |