Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.schweifte, und, wie in Fieberträumen, immer nur das Gefürchtete sah. Am Morgen endlich raffte sie sich aus dem Taumel empor. Mit den ersten Lichtstralen ward es klarer in ihrer Seele, die bangen Vorstellungen wichen immer weiter und weiter zurück. Der junge Tag sah ihr wie ein neues Leben frisch und freudig entgegen. Lieber Gott, sagte sie bewegt, gieb mir einen stillen Sinn, deinen Frieden rein in meiner Brust zu bewahren. So sahe sie, wohl noch etwas schwankend, aber doch mit offner empfänglicher Seele ins Freie, als man ihr folgenden Brief der Baronin überbrachte. "Erlauben Sie, meine junge Freundin, daß ich Ihre gütige Zeilen in Emiliens Nahmen beantworte. Vieles darin ist ohnehin an mich gerichtet, und ich will sogleich von dem Vorrechte Gebrauch machen, welches Sie mir, mit der liebenswürdigsten Hingebung, einräumen. Man beschuldigt jeden, dessen Wirksamkeit beschränkt ist, und vorzüglich Frauen in meinen Jahren, daß sie gern Rollen in fremden Angelegenheiten übernehmen, und sich sehr wichtig auf dem Platze erscheinen, den ihnen Alter und Erfahrung ganz natürlich anweisen. Die Eitelkeit schleicht sich wohl oft unbemerkt in unsre Herzen, und wirft einen vornehmen Schein über nichtswürdige Motive; dennoch kann ich hier wohl mit Wahrheit versichern, schweifte, und, wie in Fieberträumen, immer nur das Gefürchtete sah. Am Morgen endlich raffte sie sich aus dem Taumel empor. Mit den ersten Lichtstralen ward es klarer in ihrer Seele, die bangen Vorstellungen wichen immer weiter und weiter zurück. Der junge Tag sah ihr wie ein neues Leben frisch und freudig entgegen. Lieber Gott, sagte sie bewegt, gieb mir einen stillen Sinn, deinen Frieden rein in meiner Brust zu bewahren. So sahe sie, wohl noch etwas schwankend, aber doch mit offner empfänglicher Seele ins Freie, als man ihr folgenden Brief der Baronin überbrachte. »Erlauben Sie, meine junge Freundin, daß ich Ihre gütige Zeilen in Emiliens Nahmen beantworte. Vieles darin ist ohnehin an mich gerichtet, und ich will sogleich von dem Vorrechte Gebrauch machen, welches Sie mir, mit der liebenswürdigsten Hingebung, einräumen. Man beschuldigt jeden, dessen Wirksamkeit beschränkt ist, und vorzüglich Frauen in meinen Jahren, daß sie gern Rollen in fremden Angelegenheiten übernehmen, und sich sehr wichtig auf dem Platze erscheinen, den ihnen Alter und Erfahrung ganz natürlich anweisen. Die Eitelkeit schleicht sich wohl oft unbemerkt in unsre Herzen, und wirft einen vornehmen Schein über nichtswürdige Motive; dennoch kann ich hier wohl mit Wahrheit versichern, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0116" n="108"/> schweifte, und, wie in Fieberträumen, immer nur das Gefürchtete sah. Am Morgen endlich raffte sie sich aus dem Taumel empor. Mit den ersten Lichtstralen ward es klarer in ihrer Seele, die bangen Vorstellungen wichen immer weiter und weiter zurück. Der junge Tag sah ihr wie ein neues Leben frisch und freudig entgegen. Lieber Gott, sagte sie bewegt, gieb mir einen stillen Sinn, deinen Frieden rein in meiner Brust zu bewahren. So sahe sie, wohl noch etwas schwankend, aber doch mit offner empfänglicher Seele ins Freie, als man ihr folgenden Brief der Baronin überbrachte.</p> <p>»Erlauben Sie, meine junge Freundin, daß ich Ihre gütige Zeilen in Emiliens Nahmen beantworte. Vieles darin ist ohnehin an mich gerichtet, und ich will sogleich von dem Vorrechte Gebrauch machen, welches Sie mir, mit der liebenswürdigsten Hingebung, einräumen. Man beschuldigt jeden, dessen Wirksamkeit beschränkt ist, und vorzüglich Frauen in meinen Jahren, daß sie gern Rollen in fremden Angelegenheiten übernehmen, und sich sehr wichtig auf dem Platze erscheinen, den ihnen Alter und Erfahrung ganz natürlich anweisen. Die Eitelkeit schleicht sich wohl oft unbemerkt in unsre Herzen, und wirft einen vornehmen Schein über nichtswürdige Motive; dennoch kann ich hier wohl mit Wahrheit versichern, </p> </div> </body> </text> </TEI> [108/0116]
schweifte, und, wie in Fieberträumen, immer nur das Gefürchtete sah. Am Morgen endlich raffte sie sich aus dem Taumel empor. Mit den ersten Lichtstralen ward es klarer in ihrer Seele, die bangen Vorstellungen wichen immer weiter und weiter zurück. Der junge Tag sah ihr wie ein neues Leben frisch und freudig entgegen. Lieber Gott, sagte sie bewegt, gieb mir einen stillen Sinn, deinen Frieden rein in meiner Brust zu bewahren. So sahe sie, wohl noch etwas schwankend, aber doch mit offner empfänglicher Seele ins Freie, als man ihr folgenden Brief der Baronin überbrachte.
»Erlauben Sie, meine junge Freundin, daß ich Ihre gütige Zeilen in Emiliens Nahmen beantworte. Vieles darin ist ohnehin an mich gerichtet, und ich will sogleich von dem Vorrechte Gebrauch machen, welches Sie mir, mit der liebenswürdigsten Hingebung, einräumen. Man beschuldigt jeden, dessen Wirksamkeit beschränkt ist, und vorzüglich Frauen in meinen Jahren, daß sie gern Rollen in fremden Angelegenheiten übernehmen, und sich sehr wichtig auf dem Platze erscheinen, den ihnen Alter und Erfahrung ganz natürlich anweisen. Die Eitelkeit schleicht sich wohl oft unbemerkt in unsre Herzen, und wirft einen vornehmen Schein über nichtswürdige Motive; dennoch kann ich hier wohl mit Wahrheit versichern,
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/116>, abgerufen am 16.02.2025. |