Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.was zuerst die Bilder lockender Erinnrung unruhig hin und her wirft, bis das verlangende Auge nicht mehr darauf haften kann. Und wie dann alles so innerlich erzittert, so fliehen die Ahndungen höherer Liebe, die ein Gott uns einhaucht, die Erde öffnet ihren Schoos und zeigt uns alle Schrecken, die unsrer warten. Dazwischen hörte Luise Werners zernichtende Worte. Alles fiel ihr plötzlich zusammen. Sie erschien sich strafbarer, verlorner, als sie war; sie wußte nicht, wie sie sich selbst entfliehen sollte. Ach es war ja so wahr, so unwidersprechlich wahr; sie liebte ihn mit allen Kräften ihres empörten Herzens. Unter tausend Qualen war sie spät am Morgen eingeschlafen, als Julius vor ihr Bett trat. Sie schreckte bei dem leisen Geräusch auf. Ich wollte Dich nicht stören, sagte er, gutmüthig besorgt, aber ich bin Deinetwegen beunruhigt, liebe Luise, und muß Dich endlich fragen, was so schwer auf Deiner Seele drückt? was Dich so ausschließend beschäftigt, daß Du fast für nichts außer dem Sinn hast? Liebe, liebe Luise, verhehle mir doch nichts; glaube nur, ich habe Deine Schmerzen, ohne sie zu kennen, zerreißend gefühlt. Ach ich trage ja kein andres Leben in mir, als Dein Glück, Deine Ruhe. Sie sank weinend in seine Arme. O wäre er mein Bruder, dachte sie. Erinnerst Du Dich, fuhr er was zuerst die Bilder lockender Erinnrung unruhig hin und her wirft, bis das verlangende Auge nicht mehr darauf haften kann. Und wie dann alles so innerlich erzittert, so fliehen die Ahndungen höherer Liebe, die ein Gott uns einhaucht, die Erde öffnet ihren Schoos und zeigt uns alle Schrecken, die unsrer warten. Dazwischen hörte Luise Werners zernichtende Worte. Alles fiel ihr plötzlich zusammen. Sie erschien sich strafbarer, verlorner, als sie war; sie wußte nicht, wie sie sich selbst entfliehen sollte. Ach es war ja so wahr, so unwidersprechlich wahr; sie liebte ihn mit allen Kräften ihres empörten Herzens. Unter tausend Qualen war sie spät am Morgen eingeschlafen, als Julius vor ihr Bett trat. Sie schreckte bei dem leisen Geräusch auf. Ich wollte Dich nicht stören, sagte er, gutmüthig besorgt, aber ich bin Deinetwegen beunruhigt, liebe Luise, und muß Dich endlich fragen, was so schwer auf Deiner Seele drückt? was Dich so ausschließend beschäftigt, daß Du fast für nichts außer dem Sinn hast? Liebe, liebe Luise, verhehle mir doch nichts; glaube nur, ich habe Deine Schmerzen, ohne sie zu kennen, zerreißend gefühlt. Ach ich trage ja kein andres Leben in mir, als Dein Glück, Deine Ruhe. Sie sank weinend in seine Arme. O wäre er mein Bruder, dachte sie. Erinnerst Du Dich, fuhr er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0143" n="135"/> was zuerst die Bilder lockender Erinnrung unruhig hin und her wirft, bis das verlangende Auge nicht mehr darauf haften kann. Und wie dann alles so innerlich erzittert, so fliehen die Ahndungen höherer Liebe, die ein Gott uns einhaucht, die Erde öffnet ihren Schoos und zeigt uns alle Schrecken, die unsrer warten. Dazwischen hörte Luise Werners zernichtende Worte. Alles fiel ihr plötzlich zusammen. Sie erschien sich strafbarer, verlorner, als sie war; sie wußte nicht, wie sie sich selbst entfliehen sollte. Ach es war ja so wahr, so unwidersprechlich wahr; sie liebte ihn mit allen Kräften ihres empörten Herzens. Unter tausend Qualen war sie spät am Morgen eingeschlafen, als Julius vor ihr Bett trat. Sie schreckte bei dem leisen Geräusch auf. Ich wollte Dich nicht stören, sagte er, gutmüthig besorgt, aber ich bin Deinetwegen beunruhigt, liebe Luise, und muß Dich endlich fragen, was so schwer auf Deiner Seele drückt? was Dich so ausschließend beschäftigt, daß Du fast für nichts außer dem Sinn hast? Liebe, liebe Luise, verhehle mir doch nichts; glaube nur, ich habe Deine Schmerzen, ohne sie zu kennen, zerreißend gefühlt. Ach ich trage ja kein andres Leben in mir, als Dein Glück, Deine Ruhe. Sie sank weinend in seine Arme. O wäre er mein Bruder, dachte sie. Erinnerst Du Dich, fuhr er </p> </div> </body> </text> </TEI> [135/0143]
was zuerst die Bilder lockender Erinnrung unruhig hin und her wirft, bis das verlangende Auge nicht mehr darauf haften kann. Und wie dann alles so innerlich erzittert, so fliehen die Ahndungen höherer Liebe, die ein Gott uns einhaucht, die Erde öffnet ihren Schoos und zeigt uns alle Schrecken, die unsrer warten. Dazwischen hörte Luise Werners zernichtende Worte. Alles fiel ihr plötzlich zusammen. Sie erschien sich strafbarer, verlorner, als sie war; sie wußte nicht, wie sie sich selbst entfliehen sollte. Ach es war ja so wahr, so unwidersprechlich wahr; sie liebte ihn mit allen Kräften ihres empörten Herzens. Unter tausend Qualen war sie spät am Morgen eingeschlafen, als Julius vor ihr Bett trat. Sie schreckte bei dem leisen Geräusch auf. Ich wollte Dich nicht stören, sagte er, gutmüthig besorgt, aber ich bin Deinetwegen beunruhigt, liebe Luise, und muß Dich endlich fragen, was so schwer auf Deiner Seele drückt? was Dich so ausschließend beschäftigt, daß Du fast für nichts außer dem Sinn hast? Liebe, liebe Luise, verhehle mir doch nichts; glaube nur, ich habe Deine Schmerzen, ohne sie zu kennen, zerreißend gefühlt. Ach ich trage ja kein andres Leben in mir, als Dein Glück, Deine Ruhe. Sie sank weinend in seine Arme. O wäre er mein Bruder, dachte sie. Erinnerst Du Dich, fuhr er
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/143>, abgerufen am 16.02.2025. |