Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.gefällt ihnen. Liebe, schöne Gräfin, wer in den Himmel will, muß auch auf der Erde zu Hause sein, sonst hätte ihn unser Herr Gott weggelassen. Und übrigens sind die Herren auch nicht so himmlisch wie es in den Büchern aussieht; sie greifen mit allen Sinnen umher wie jeder andre Erdensohn, und genießen wo es etwas Gutes giebt. Wenn so einer von Nektar schlürfen redet, denn weiß ich schon was die Glocke geschlagen hat. Die Seligkeit kenne ich auch, wo alles blau ist wie der Himmel über uns! Diese Gleichstellung des phantastischen Dichterrausches mit den gemeinen Wirkungen des Weines brachte alle zum Lachen, und niemand stritt weiter mit Carl, der im Zuge des Erzählens blieb. Sie werden, fuhr er fort, bei dem Onkel wunderliche Heilige erblicken, zu deren Sekte ich mich nun einmal nicht bekennen mag. Einer ist indeß unter ihnen, den ich ausnehme. Ein braver, excellenter Junge, ehemaliger hannöverscher Offizier, der bei der Auflösung der Armee auch um seinen Degen kam, und nun vor Angst und Kummer Dichter geworden ist. Seitdem klagt er ein bischen zu viel über sein eigen Leid; allein das gehört nun einmal zu seinem Gewerbe, sonst ist er noch eben so gut und anspruchlos wie ehemals. Auch hat die Tante eine gewisse Vorliebe für ihn, weil er von guter Familie ist, denn bei aller Verachtung andrer gefällt ihnen. Liebe, schöne Gräfin, wer in den Himmel will, muß auch auf der Erde zu Hause sein, sonst hätte ihn unser Herr Gott weggelassen. Und übrigens sind die Herren auch nicht so himmlisch wie es in den Büchern aussieht; sie greifen mit allen Sinnen umher wie jeder andre Erdensohn, und genießen wo es etwas Gutes giebt. Wenn so einer von Nektar schlürfen redet, denn weiß ich schon was die Glocke geschlagen hat. Die Seligkeit kenne ich auch, wo alles blau ist wie der Himmel über uns! Diese Gleichstellung des phantastischen Dichterrausches mit den gemeinen Wirkungen des Weines brachte alle zum Lachen, und niemand stritt weiter mit Carl, der im Zuge des Erzählens blieb. Sie werden, fuhr er fort, bei dem Onkel wunderliche Heilige erblicken, zu deren Sekte ich mich nun einmal nicht bekennen mag. Einer ist indeß unter ihnen, den ich ausnehme. Ein braver, excellenter Junge, ehemaliger hannöverscher Offizier, der bei der Auflösung der Armee auch um seinen Degen kam, und nun vor Angst und Kummer Dichter geworden ist. Seitdem klagt er ein bischen zu viel über sein eigen Leid; allein das gehört nun einmal zu seinem Gewerbe, sonst ist er noch eben so gut und anspruchlos wie ehemals. Auch hat die Tante eine gewisse Vorliebe für ihn, weil er von guter Familie ist, denn bei aller Verachtung andrer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="66"/> gefällt ihnen. Liebe, schöne Gräfin, wer in den Himmel will, muß auch auf der Erde zu Hause sein, sonst hätte ihn unser Herr Gott weggelassen. Und übrigens sind die Herren auch nicht so himmlisch wie es in den Büchern aussieht; sie greifen mit allen Sinnen umher wie jeder andre Erdensohn, und genießen wo es etwas Gutes giebt. Wenn so einer von Nektar schlürfen redet, denn weiß ich schon was die Glocke geschlagen hat. Die Seligkeit kenne ich auch, wo alles blau ist wie der Himmel über uns! Diese Gleichstellung des phantastischen Dichterrausches mit den gemeinen Wirkungen des Weines brachte alle zum Lachen, und niemand stritt weiter mit Carl, der im Zuge des Erzählens blieb. Sie werden, fuhr er fort, bei dem Onkel wunderliche Heilige erblicken, zu deren Sekte ich mich nun einmal nicht bekennen mag. Einer ist indeß unter ihnen, den ich ausnehme. Ein braver, excellenter Junge, ehemaliger hannöverscher Offizier, der bei der Auflösung der Armee auch um seinen Degen kam, und nun vor Angst und Kummer Dichter geworden ist. Seitdem klagt er ein bischen zu viel über sein eigen Leid; allein das gehört nun einmal zu seinem Gewerbe, sonst ist er noch eben so gut und anspruchlos wie ehemals. Auch hat die Tante eine gewisse Vorliebe für ihn, weil er von guter Familie ist, denn bei aller Verachtung andrer </p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0074]
gefällt ihnen. Liebe, schöne Gräfin, wer in den Himmel will, muß auch auf der Erde zu Hause sein, sonst hätte ihn unser Herr Gott weggelassen. Und übrigens sind die Herren auch nicht so himmlisch wie es in den Büchern aussieht; sie greifen mit allen Sinnen umher wie jeder andre Erdensohn, und genießen wo es etwas Gutes giebt. Wenn so einer von Nektar schlürfen redet, denn weiß ich schon was die Glocke geschlagen hat. Die Seligkeit kenne ich auch, wo alles blau ist wie der Himmel über uns! Diese Gleichstellung des phantastischen Dichterrausches mit den gemeinen Wirkungen des Weines brachte alle zum Lachen, und niemand stritt weiter mit Carl, der im Zuge des Erzählens blieb. Sie werden, fuhr er fort, bei dem Onkel wunderliche Heilige erblicken, zu deren Sekte ich mich nun einmal nicht bekennen mag. Einer ist indeß unter ihnen, den ich ausnehme. Ein braver, excellenter Junge, ehemaliger hannöverscher Offizier, der bei der Auflösung der Armee auch um seinen Degen kam, und nun vor Angst und Kummer Dichter geworden ist. Seitdem klagt er ein bischen zu viel über sein eigen Leid; allein das gehört nun einmal zu seinem Gewerbe, sonst ist er noch eben so gut und anspruchlos wie ehemals. Auch hat die Tante eine gewisse Vorliebe für ihn, weil er von guter Familie ist, denn bei aller Verachtung andrer
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/74>, abgerufen am 16.07.2024. |