Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.Dorfe einzelne Töne eines Kirchenliedes zu ihr her. Sie erinnerte sich, daß es Sonntag und die Gemeine um den frommen Greis versammelt sei. Eine Liebe, dachte sie, wehet durch diese Stimmen. O mein Gott, du bist so groß und gut, du sänftigst in einem Augenblick alle Schmerzen einer trüben, langen Woche! laß deinen Frieden auch über mich kommen. Da raschelte etwas neben ihr in den welken Blättern. Ein Reisender wollte vorübergehen. Georg! rief Luise, ihn erkennend, Georg! wie finde ich Dich hier? Der Alte stand alsobald mit einem Briefe vor ihr, und reichte ihr denselben, ohne ein Wort zu sagen. Schnell das Siegel erbrechend, las Luise Folgendes: "Liebe Luise! Ich versprach Dir bei Deinem Hiersein, bald diese Gegend zu verlassen. Ich halte schneller Wort, als ich es damals glaubte. In wenig Stunden trete ich eine lange, weite, Reise an. Mir ist wohl und wehe, nun es so weit kommt. Ach wir werden uns wohl so bald nicht wiedersehn! Lebe denn wohl, meine Luise! Lebe wohl, mein höchstes Glück auf Erden." Wie denn, Georg, sagte Luise, und er blieb zurück? Der Alte senkte weinend die Augen zur Erde. Wollte er mich doch nicht mitnehmen, stammelte er leise. Ging er denn so weit von uns? fragte Luise. Ach ja! ach ja! wimmerte Georg, Dorfe einzelne Töne eines Kirchenliedes zu ihr her. Sie erinnerte sich, daß es Sonntag und die Gemeine um den frommen Greis versammelt sei. Eine Liebe, dachte sie, wehet durch diese Stimmen. O mein Gott, du bist so groß und gut, du sänftigst in einem Augenblick alle Schmerzen einer trüben, langen Woche! laß deinen Frieden auch über mich kommen. Da raschelte etwas neben ihr in den welken Blättern. Ein Reisender wollte vorübergehen. Georg! rief Luise, ihn erkennend, Georg! wie finde ich Dich hier? Der Alte stand alsobald mit einem Briefe vor ihr, und reichte ihr denselben, ohne ein Wort zu sagen. Schnell das Siegel erbrechend, las Luise Folgendes: »Liebe Luise! Ich versprach Dir bei Deinem Hiersein, bald diese Gegend zu verlassen. Ich halte schneller Wort, als ich es damals glaubte. In wenig Stunden trete ich eine lange, weite, Reise an. Mir ist wohl und wehe, nun es so weit kommt. Ach wir werden uns wohl so bald nicht wiedersehn! Lebe denn wohl, meine Luise! Lebe wohl, mein höchstes Glück auf Erden.« Wie denn, Georg, sagte Luise, und er blieb zurück? Der Alte senkte weinend die Augen zur Erde. Wollte er mich doch nicht mitnehmen, stammelte er leise. Ging er denn so weit von uns? fragte Luise. Ach ja! ach ja! wimmerte Georg, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="55"/> Dorfe einzelne Töne eines Kirchenliedes zu ihr her. Sie erinnerte sich, daß es Sonntag und die Gemeine um den frommen Greis versammelt sei. Eine Liebe, dachte sie, wehet durch diese Stimmen. O mein Gott, du bist so groß und gut, du sänftigst in einem Augenblick alle Schmerzen einer trüben, langen Woche! laß deinen Frieden auch über mich kommen. Da raschelte etwas neben ihr in den welken Blättern. Ein Reisender wollte vorübergehen. Georg! rief Luise, ihn erkennend, Georg! wie finde ich Dich hier? Der Alte stand alsobald mit einem Briefe vor ihr, und reichte ihr denselben, ohne ein Wort zu sagen. Schnell das Siegel erbrechend, las Luise Folgendes:</p> <p>»Liebe Luise! Ich versprach Dir bei Deinem Hiersein, bald diese Gegend zu verlassen. Ich halte schneller Wort, als ich es damals glaubte. In wenig Stunden trete ich eine lange, weite, Reise an. Mir ist wohl und wehe, nun es so weit kommt. Ach wir werden uns wohl so bald nicht wiedersehn! Lebe denn wohl, meine Luise! Lebe wohl, mein höchstes Glück auf Erden.«</p> <p>Wie denn, Georg, sagte Luise, und er blieb zurück? Der Alte senkte weinend die Augen zur Erde. Wollte er mich doch nicht mitnehmen, stammelte er leise. Ging er denn so weit von uns? fragte Luise. Ach ja! ach ja! wimmerte Georg, </p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0057]
Dorfe einzelne Töne eines Kirchenliedes zu ihr her. Sie erinnerte sich, daß es Sonntag und die Gemeine um den frommen Greis versammelt sei. Eine Liebe, dachte sie, wehet durch diese Stimmen. O mein Gott, du bist so groß und gut, du sänftigst in einem Augenblick alle Schmerzen einer trüben, langen Woche! laß deinen Frieden auch über mich kommen. Da raschelte etwas neben ihr in den welken Blättern. Ein Reisender wollte vorübergehen. Georg! rief Luise, ihn erkennend, Georg! wie finde ich Dich hier? Der Alte stand alsobald mit einem Briefe vor ihr, und reichte ihr denselben, ohne ein Wort zu sagen. Schnell das Siegel erbrechend, las Luise Folgendes:
»Liebe Luise! Ich versprach Dir bei Deinem Hiersein, bald diese Gegend zu verlassen. Ich halte schneller Wort, als ich es damals glaubte. In wenig Stunden trete ich eine lange, weite, Reise an. Mir ist wohl und wehe, nun es so weit kommt. Ach wir werden uns wohl so bald nicht wiedersehn! Lebe denn wohl, meine Luise! Lebe wohl, mein höchstes Glück auf Erden.«
Wie denn, Georg, sagte Luise, und er blieb zurück? Der Alte senkte weinend die Augen zur Erde. Wollte er mich doch nicht mitnehmen, stammelte er leise. Ging er denn so weit von uns? fragte Luise. Ach ja! ach ja! wimmerte Georg,
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