Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.Aber wie auch Wünsche und Erwartungen welken, so daß sie wie dürre Halme höhnend auf den entschwundnen Frühling hinweisen, so regt sich dennoch tief an ihrer Wurzel die ewige Sehnsucht, die erst leise, dann immer mächtiger sich dehnend, das Innre plötzlich mit solcher Gewalt erfaßt, daß sich's, auf's neue aus sich herausgedrängt, mit schmerzlichem Verlangen in die bunte Welt stürzt und das ungekannte Gut an sich reißen möchte. Luise konnte sich tausendmal sagen, es ist vorbei, es ist alles vorbei! so ergriff sie dabei eine Angst und eine Ungeduld, die zerstörend mit der gänzlichen Trostlosigkeit und dem Druck ihrer Lage stritt. Unwillkührlich sann sie auf Rettung, maß und erwog, überflog augenblicklich die scharfgezognen Linien weiblicher Beschränktheit, träumte sich in ferne Länder, unter fremde Menschen, die ein helleres, freudigeres, Dasein an das ihre anknüpften und so eine neue Welt um sie her schufen. Nach Italien wandte sich am liebsten ihr Blick. Dort, dachte sie, wehen laue Lüfte, dort müssen die innren Schmerzen heilen und alle Sorgen vor dem ewig reinen Himmel fliehen. Aber auch hier schreckte sie Fernandos Bild wie eine Aegide zurück. Und dennoch säuselten die lauen Lüfte so schmeichelnd und lockten sie hinüber in wunderliche, verworrne Träume, in denen Wille und Verlangen seltsam kämpften. Aber wie auch Wünsche und Erwartungen welken, so daß sie wie dürre Halme höhnend auf den entschwundnen Frühling hinweisen, so regt sich dennoch tief an ihrer Wurzel die ewige Sehnsucht, die erst leise, dann immer mächtiger sich dehnend, das Innre plötzlich mit solcher Gewalt erfaßt, daß sich’s, auf’s neue aus sich herausgedrängt, mit schmerzlichem Verlangen in die bunte Welt stürzt und das ungekannte Gut an sich reißen möchte. Luise konnte sich tausendmal sagen, es ist vorbei, es ist alles vorbei! so ergriff sie dabei eine Angst und eine Ungeduld, die zerstörend mit der gänzlichen Trostlosigkeit und dem Druck ihrer Lage stritt. Unwillkührlich sann sie auf Rettung, maß und erwog, überflog augenblicklich die scharfgezognen Linien weiblicher Beschränktheit, träumte sich in ferne Länder, unter fremde Menschen, die ein helleres, freudigeres, Dasein an das ihre anknüpften und so eine neue Welt um sie her schufen. Nach Italien wandte sich am liebsten ihr Blick. Dort, dachte sie, wehen laue Lüfte, dort müssen die innren Schmerzen heilen und alle Sorgen vor dem ewig reinen Himmel fliehen. Aber auch hier schreckte sie Fernandos Bild wie eine Aegide zurück. Und dennoch säuselten die lauen Lüfte so schmeichelnd und lockten sie hinüber in wunderliche, verworrne Träume, in denen Wille und Verlangen seltsam kämpften. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0062" n="60"/> <p> Aber wie auch Wünsche und Erwartungen welken, so daß sie wie dürre Halme höhnend auf den entschwundnen Frühling hinweisen, so regt sich dennoch tief an ihrer Wurzel die ewige Sehnsucht, die erst leise, dann immer mächtiger sich dehnend, das Innre plötzlich mit solcher Gewalt erfaßt, daß sich’s, auf’s neue aus sich herausgedrängt, mit schmerzlichem Verlangen in die bunte Welt stürzt und das ungekannte Gut an sich reißen möchte. Luise konnte sich tausendmal sagen, es ist vorbei, es ist alles vorbei! so ergriff sie dabei eine Angst und eine Ungeduld, die zerstörend mit der gänzlichen Trostlosigkeit und dem Druck ihrer Lage stritt. Unwillkührlich sann sie auf Rettung, maß und erwog, überflog augenblicklich die scharfgezognen Linien weiblicher Beschränktheit, träumte sich in ferne Länder, unter fremde Menschen, die ein helleres, freudigeres, Dasein an das ihre anknüpften und so eine neue Welt um sie her schufen. Nach Italien wandte sich am liebsten ihr Blick. Dort, dachte sie, wehen laue Lüfte, dort müssen die innren Schmerzen heilen und alle Sorgen vor dem ewig reinen Himmel fliehen. Aber auch hier schreckte sie Fernandos Bild wie eine Aegide zurück. Und dennoch säuselten die lauen Lüfte so schmeichelnd und lockten sie hinüber in wunderliche, verworrne Träume, in denen Wille und Verlangen seltsam kämpften.</p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0062]
Aber wie auch Wünsche und Erwartungen welken, so daß sie wie dürre Halme höhnend auf den entschwundnen Frühling hinweisen, so regt sich dennoch tief an ihrer Wurzel die ewige Sehnsucht, die erst leise, dann immer mächtiger sich dehnend, das Innre plötzlich mit solcher Gewalt erfaßt, daß sich’s, auf’s neue aus sich herausgedrängt, mit schmerzlichem Verlangen in die bunte Welt stürzt und das ungekannte Gut an sich reißen möchte. Luise konnte sich tausendmal sagen, es ist vorbei, es ist alles vorbei! so ergriff sie dabei eine Angst und eine Ungeduld, die zerstörend mit der gänzlichen Trostlosigkeit und dem Druck ihrer Lage stritt. Unwillkührlich sann sie auf Rettung, maß und erwog, überflog augenblicklich die scharfgezognen Linien weiblicher Beschränktheit, träumte sich in ferne Länder, unter fremde Menschen, die ein helleres, freudigeres, Dasein an das ihre anknüpften und so eine neue Welt um sie her schufen. Nach Italien wandte sich am liebsten ihr Blick. Dort, dachte sie, wehen laue Lüfte, dort müssen die innren Schmerzen heilen und alle Sorgen vor dem ewig reinen Himmel fliehen. Aber auch hier schreckte sie Fernandos Bild wie eine Aegide zurück. Und dennoch säuselten die lauen Lüfte so schmeichelnd und lockten sie hinüber in wunderliche, verworrne Träume, in denen Wille und Verlangen seltsam kämpften.
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