Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.geöffneten Fenster des Nebenzimmers komme. Aufs höchste gespannt, unterschied sie bald einzelne Worte in italienischer Sprache, die flüsternd durch die Dunkelheit hinschwirrten; plötzlich hörte sie deutlich wie in Unmuth sagen: Fernando, Fernando! wohin verirrst Du Dich! Was suchst Du? was kannst Du hoffen? bist Du denn auf ewig verloren! Kalter Nachtwind fuhr hier schneidend an den Häusern vorüber. Die Stimme schwieg; bald ward auch das Fenster geschlossen. Luise hörte nichts mehr; unbeweglich auf ihrem Platze, wiederholte sie sich jene Worte, die sie mit der peinlichsten Unruhe erfüllten. Unglücklich also, dachte sie. Sie erkannte ihn ganz in dieser schmerzlichen Heftigkeit, in diesem Unmuth über sich selbst. Was drückt ihn aber so sehr? Was suchte er jetzt? Wüßte er vielleicht -? Dies seltsame Zusammentreffen! Die gleiche Richtung ihres Weges! Wenn er unerkannt in ihrer Nähe lebte! Wenn er sie immer beobachtete! Wenn er dennoch treu ergeben - - Eine Bewegung der schlafenden Auguste zog sie unwillkührlich zu ihrem Bette zurück. Halb träumend sank sie in die Kissen. Bald darauf war ihr, als sei von dem allen nichts geschehen. Sie mußte sich besinnen, ob sie wirklich am Fenster gestanden habe. Dann fiel es ihr plötzlich ein, daß es gar nicht Fernandos Stimme war, die sie hörte, daß wohl geöffneten Fenster des Nebenzimmers komme. Aufs höchste gespannt, unterschied sie bald einzelne Worte in italienischer Sprache, die flüsternd durch die Dunkelheit hinschwirrten; plötzlich hörte sie deutlich wie in Unmuth sagen: Fernando, Fernando! wohin verirrst Du Dich! Was suchst Du? was kannst Du hoffen? bist Du denn auf ewig verloren! Kalter Nachtwind fuhr hier schneidend an den Häusern vorüber. Die Stimme schwieg; bald ward auch das Fenster geschlossen. Luise hörte nichts mehr; unbeweglich auf ihrem Platze, wiederholte sie sich jene Worte, die sie mit der peinlichsten Unruhe erfüllten. Unglücklich also, dachte sie. Sie erkannte ihn ganz in dieser schmerzlichen Heftigkeit, in diesem Unmuth über sich selbst. Was drückt ihn aber so sehr? Was suchte er jetzt? Wüßte er vielleicht –? Dies seltsame Zusammentreffen! Die gleiche Richtung ihres Weges! Wenn er unerkannt in ihrer Nähe lebte! Wenn er sie immer beobachtete! Wenn er dennoch treu ergeben – – Eine Bewegung der schlafenden Auguste zog sie unwillkührlich zu ihrem Bette zurück. Halb träumend sank sie in die Kissen. Bald darauf war ihr, als sei von dem allen nichts geschehen. Sie mußte sich besinnen, ob sie wirklich am Fenster gestanden habe. Dann fiel es ihr plötzlich ein, daß es gar nicht Fernandos Stimme war, die sie hörte, daß wohl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0091" n="89"/> geöffneten Fenster des Nebenzimmers komme. Aufs höchste gespannt, unterschied sie bald einzelne Worte in italienischer Sprache, die flüsternd durch die Dunkelheit hinschwirrten; plötzlich hörte sie deutlich wie in Unmuth sagen: Fernando, Fernando! wohin verirrst Du Dich! Was suchst Du? was kannst Du hoffen? bist Du denn auf ewig verloren! Kalter Nachtwind fuhr hier schneidend an den Häusern vorüber. Die Stimme schwieg; bald ward auch das Fenster geschlossen. Luise hörte nichts mehr; unbeweglich auf ihrem Platze, wiederholte sie sich jene Worte, die sie mit der peinlichsten Unruhe erfüllten. Unglücklich also, dachte sie. Sie erkannte ihn ganz in dieser schmerzlichen Heftigkeit, in diesem Unmuth über sich selbst. Was drückt ihn aber so sehr? Was suchte er jetzt? Wüßte er vielleicht –? Dies seltsame Zusammentreffen! Die gleiche Richtung ihres Weges! Wenn er unerkannt in ihrer Nähe lebte! Wenn er sie immer beobachtete! Wenn er dennoch treu ergeben – – Eine Bewegung der schlafenden Auguste zog sie unwillkührlich zu ihrem Bette zurück. Halb träumend sank sie in die Kissen. Bald darauf war ihr, als sei von dem allen nichts geschehen. Sie mußte sich besinnen, ob sie wirklich am Fenster gestanden habe. Dann fiel es ihr plötzlich ein, daß es gar nicht Fernandos Stimme war, die sie hörte, daß wohl </p> </div> </body> </text> </TEI> [89/0091]
geöffneten Fenster des Nebenzimmers komme. Aufs höchste gespannt, unterschied sie bald einzelne Worte in italienischer Sprache, die flüsternd durch die Dunkelheit hinschwirrten; plötzlich hörte sie deutlich wie in Unmuth sagen: Fernando, Fernando! wohin verirrst Du Dich! Was suchst Du? was kannst Du hoffen? bist Du denn auf ewig verloren! Kalter Nachtwind fuhr hier schneidend an den Häusern vorüber. Die Stimme schwieg; bald ward auch das Fenster geschlossen. Luise hörte nichts mehr; unbeweglich auf ihrem Platze, wiederholte sie sich jene Worte, die sie mit der peinlichsten Unruhe erfüllten. Unglücklich also, dachte sie. Sie erkannte ihn ganz in dieser schmerzlichen Heftigkeit, in diesem Unmuth über sich selbst. Was drückt ihn aber so sehr? Was suchte er jetzt? Wüßte er vielleicht –? Dies seltsame Zusammentreffen! Die gleiche Richtung ihres Weges! Wenn er unerkannt in ihrer Nähe lebte! Wenn er sie immer beobachtete! Wenn er dennoch treu ergeben – – Eine Bewegung der schlafenden Auguste zog sie unwillkührlich zu ihrem Bette zurück. Halb träumend sank sie in die Kissen. Bald darauf war ihr, als sei von dem allen nichts geschehen. Sie mußte sich besinnen, ob sie wirklich am Fenster gestanden habe. Dann fiel es ihr plötzlich ein, daß es gar nicht Fernandos Stimme war, die sie hörte, daß wohl
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