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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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war nicht mehr der Trieb des Herzens, der
Worte und Werke opfernde That und
hingebende Selbstverleugnung heischte, das
Gebot einer Art und Weise war es, an die
man hielt, als Symbol früherer Ueberein-
stimmung des Glaubens und Empfindens.

So war die Form gerettet, wenn ihre
tiefere Bedeutung längst in den Wiedersprü-
chen der Gefühle unterging.

Die Sitten, welche in den erhöheten
und verfeinten Begriffen unmittelbar ent-
sprangen, wurden demnach immer noch be-
wahrt, als sich die Begriffe selbst schon in
sich gespaltet und verwirrt hatten. Ja,
man wachte mit immer größerer Strenge
über sie, als man die Nothwendigkeit eines
äußern Haltes, bei dem innern Zerfallen,
mehr und mehr einsahe.

So wurde der Maasstab dessen, was
das Herkömmliche festgestellt hatte, für die
Beurtheilung der Sitten angelegt, und diese,
weit mehr in die Kathegorie des Schick-
lichen als des Zartempfundenen hinge-
wiesen.

war nicht mehr der Trieb des Herzens, der
Worte und Werke opfernde That und
hingebende Selbſtverleugnung heiſchte, das
Gebot einer Art und Weiſe war es, an die
man hielt, als Symbol fruͤherer Ueberein-
ſtimmung des Glaubens und Empfindens.

So war die Form gerettet, wenn ihre
tiefere Bedeutung laͤngſt in den Wiederſpruͤ-
chen der Gefuͤhle unterging.

Die Sitten, welche in den erhoͤheten
und verfeinten Begriffen unmittelbar ent-
ſprangen, wurden demnach immer noch be-
wahrt, als ſich die Begriffe ſelbſt ſchon in
ſich geſpaltet und verwirrt hatten. Ja,
man wachte mit immer groͤßerer Strenge
uͤber ſie, als man die Nothwendigkeit eines
aͤußern Haltes, bei dem innern Zerfallen,
mehr und mehr einſahe.

So wurde der Maasſtab deſſen, was
das Herkoͤmmliche feſtgeſtellt hatte, fuͤr die
Beurtheilung der Sitten angelegt, und dieſe,
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[192/0196] war nicht mehr der Trieb des Herzens, der Worte und Werke opfernde That und hingebende Selbſtverleugnung heiſchte, das Gebot einer Art und Weiſe war es, an die man hielt, als Symbol fruͤherer Ueberein- ſtimmung des Glaubens und Empfindens. So war die Form gerettet, wenn ihre tiefere Bedeutung laͤngſt in den Wiederſpruͤ- chen der Gefuͤhle unterging. Die Sitten, welche in den erhoͤheten und verfeinten Begriffen unmittelbar ent- ſprangen, wurden demnach immer noch be- wahrt, als ſich die Begriffe ſelbſt ſchon in ſich geſpaltet und verwirrt hatten. Ja, man wachte mit immer groͤßerer Strenge uͤber ſie, als man die Nothwendigkeit eines aͤußern Haltes, bei dem innern Zerfallen, mehr und mehr einſahe. So wurde der Maasſtab deſſen, was das Herkoͤmmliche feſtgeſtellt hatte, fuͤr die Beurtheilung der Sitten angelegt, und dieſe, weit mehr in die Kathegorie des Schick- lichen als des Zartempfundenen hinge- wieſen.

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/196>, abgerufen am 21.11.2024.