Wie der Gehalt verschwindet, wird die Bewegung nach Außem Manier. Sie be- stimmt länger kein freier Jmpuls, sondern ein gegebener Takt. Was diesen unterbricht, das verletzt, was in ihm verharrt, das er- füllt und befriedigt das Gebot der Art und Weise, die nun immer herrschender hervor- tritt, und in der besondern Bedeutung der Mode einen zeitgemäßen Charakter an- nimmt. --
Von dem Augenblicke an zerfallen Sitt- lichkeit und Sitte so sehr in zwei geschiedene Vorstellungen, daß es Fälle giebt, wo der vollkommen Gesittete sehr unsittlich bleibt, und der rein Moralische gegen die hergebrachte Sitte verstößt.
Wie im einzelnen Menschen, so bei gan- zen Nationen. -- Die Geschichte zeigt uns Völker, die mit studirter Eifersucht auf die Bewahrung des Conventionellen wachen, und dennoch durch ganze Perioden ihres histori- schen Lebens, der Reinheit der Sitten in Wort und That Hohn sprechen. Wir dür- fen eben so wenig leugnen, daß in denjeni-
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Wie der Gehalt verſchwindet, wird die Bewegung nach Außem Manier. Sie be- ſtimmt laͤnger kein freier Jmpuls, ſondern ein gegebener Takt. Was dieſen unterbricht, das verletzt, was in ihm verharrt, das er- fuͤllt und befriedigt das Gebot der Art und Weiſe, die nun immer herrſchender hervor- tritt, und in der beſondern Bedeutung der Mode einen zeitgemaͤßen Charakter an- nimmt. —
Von dem Augenblicke an zerfallen Sitt- lichkeit und Sitte ſo ſehr in zwei geſchiedene Vorſtellungen, daß es Faͤlle giebt, wo der vollkommen Geſittete ſehr unſittlich bleibt, und der rein Moraliſche gegen die hergebrachte Sitte verſtoͤßt.
Wie im einzelnen Menſchen, ſo bei gan- zen Nationen. — Die Geſchichte zeigt uns Voͤlker, die mit ſtudirter Eiferſucht auf die Bewahrung des Conventionellen wachen, und dennoch durch ganze Perioden ihres hiſtori- ſchen Lebens, der Reinheit der Sitten in Wort und That Hohn ſprechen. Wir duͤr- fen eben ſo wenig leugnen, daß in denjeni-
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Wie der Gehalt verſchwindet, wird die
Bewegung nach Außem Manier. Sie be-
ſtimmt laͤnger kein freier Jmpuls, ſondern
ein gegebener Takt. Was dieſen unterbricht,
das verletzt, was in ihm verharrt, das er-
fuͤllt und befriedigt das Gebot der Art und
Weiſe, die nun immer herrſchender hervor-
tritt, und in der beſondern Bedeutung der
Mode einen zeitgemaͤßen Charakter an-
nimmt. —
Von dem Augenblicke an zerfallen Sitt-
lichkeit und Sitte ſo ſehr in zwei geſchiedene
Vorſtellungen, daß es Faͤlle giebt, wo der
vollkommen Geſittete ſehr unſittlich
bleibt, und der rein Moraliſche gegen die
hergebrachte Sitte verſtoͤßt.
Wie im einzelnen Menſchen, ſo bei gan-
zen Nationen. — Die Geſchichte zeigt uns
Voͤlker, die mit ſtudirter Eiferſucht auf die
Bewahrung des Conventionellen wachen, und
dennoch durch ganze Perioden ihres hiſtori-
ſchen Lebens, der Reinheit der Sitten in
Wort und That Hohn ſprechen. Wir duͤr-
fen eben ſo wenig leugnen, daß in denjeni-
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/197>, abgerufen am 16.07.2024.
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