Eben so geht das Talent des Erzäh- lens, was die Selbstbeschäftigung und das Alleinherrschen in der Gesellschaft, allenfalls noch in Ansehen erhielt, es geht durch die Gewohnheit, nur sich selbst verständlich seyn zu wollen, allmählig verloren. Die Dar- stellung und das Dargestellte schmelzen nicht zusammen wie ein lebendiges Ganze, das sich vor unsern Augen gestaltet, und zuträgt. Der Wunsch, die Hörer in das Gebiet des Geschehenen hineinzuziehen, die Luft, die Farbe, den Hauch des Daseins wieder zu erzeugen, und in der eigenthümlichen At- mosphäre Menschen und Verhältnisse, ihrer Natur nach walten zu lassen, der Wunsch beseelt den Erzähler, nur in sofern er sich in einem Knnstwerk zu genügen gedenkt. Mit einem Wort: er ist nicht mit in der Geschichte drin; er steht draußen, und dreht an den optischen Kasten, dessen Bilder er zur Schau ausstellt, einzig mit den Worten der Erklärung beschäftigt, diese bald über-
taube Nuͤſſe Sitte und Grazie verletzt wur- den!
Eben ſo geht das Talent des Erzaͤh- lens, was die Selbſtbeſchaͤftigung und das Alleinherrſchen in der Geſellſchaft, allenfalls noch in Anſehen erhielt, es geht durch die Gewohnheit, nur ſich ſelbſt verſtaͤndlich ſeyn zu wollen, allmaͤhlig verloren. Die Dar- ſtellung und das Dargeſtellte ſchmelzen nicht zuſammen wie ein lebendiges Ganze, das ſich vor unſern Augen geſtaltet, und zutraͤgt. Der Wunſch, die Hoͤrer in das Gebiet des Geſchehenen hineinzuziehen, die Luft, die Farbe, den Hauch des Daſeins wieder zu erzeugen, und in der eigenthuͤmlichen At- mosphaͤre Menſchen und Verhaͤltniſſe, ihrer Natur nach walten zu laſſen, der Wunſch beſeelt den Erzaͤhler, nur in ſofern er ſich in einem Knnſtwerk zu genuͤgen gedenkt. Mit einem Wort: er iſt nicht mit in der Geſchichte drin; er ſteht draußen, und dreht an den optiſchen Kaſten, deſſen Bilder er zur Schau ausſtellt, einzig mit den Worten der Erklaͤrung beſchaͤftigt, dieſe bald uͤber-
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taube Nuͤſſe Sitte und Grazie verletzt wur-
den!
Eben ſo geht das Talent des Erzaͤh-
lens, was die Selbſtbeſchaͤftigung und das
Alleinherrſchen in der Geſellſchaft, allenfalls
noch in Anſehen erhielt, es geht durch die
Gewohnheit, nur ſich ſelbſt verſtaͤndlich ſeyn
zu wollen, allmaͤhlig verloren. Die Dar-
ſtellung und das Dargeſtellte ſchmelzen nicht
zuſammen wie ein lebendiges Ganze, das
ſich vor unſern Augen geſtaltet, und zutraͤgt.
Der Wunſch, die Hoͤrer in das Gebiet des
Geſchehenen hineinzuziehen, die Luft, die
Farbe, den Hauch des Daſeins wieder zu
erzeugen, und in der eigenthuͤmlichen At-
mosphaͤre Menſchen und Verhaͤltniſſe, ihrer
Natur nach walten zu laſſen, der Wunſch
beſeelt den Erzaͤhler, nur in ſofern er ſich
in einem Knnſtwerk zu genuͤgen gedenkt.
Mit einem Wort: er iſt nicht mit in der
Geſchichte drin; er ſteht draußen, und dreht
an den optiſchen Kaſten, deſſen Bilder er
zur Schau ausſtellt, einzig mit den Worten
der Erklaͤrung beſchaͤftigt, dieſe bald uͤber-
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/45>, abgerufen am 03.05.2024.
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