fluß auf die fortlaufende Entwickelung be- hauptet, höchst einengend werden müßte; denn ungerechnet, daß Verhältnisse und Ge- staltungen von einer gewissen Höhe gezeigt, die Lebenswärme der Nähe verlieren, so ist der Productivität schon darum eine Fessel angelegt, daß man, nach Annahme obiger Grundsätze billig anstehen wird, sich jedes und alles im Felde der Litteratur gefallen zu lassen. Die unbeholfenen Versuche auf- blitzender Talente würden alsdann in der Geburt ersticken, Zeitschriften bald gar nicht mehr gelesen, Kritiken nur einzeln geliefert werden. Enthaltsamkeit hörte auf ein Act der Freiheit zu sein, Noth und Mangel zwängen zur Entsagung.
Dies alles genau erwogen, so glaube ich doch meinen Satz durchführen, und be- weisen zu können, einmal, daß der Roman nichts an Mannigfaltigkeit in seiner Gat- tung verliert, wenn er von Jdeen ausgeht ferner, daß die Wesen lebendiger Phantasie nicht puppenhaft im künstlichen Lichtschein theatralischer Verrichtungen schweben wer-
fluß auf die fortlaufende Entwickelung be- hauptet, hoͤchſt einengend werden muͤßte; denn ungerechnet, daß Verhaͤltniſſe und Ge- ſtaltungen von einer gewiſſen Hoͤhe gezeigt, die Lebenswaͤrme der Naͤhe verlieren, ſo iſt der Productivitaͤt ſchon darum eine Feſſel angelegt, daß man, nach Annahme obiger Grundſaͤtze billig anſtehen wird, ſich jedes und alles im Felde der Litteratur gefallen zu laſſen. Die unbeholfenen Verſuche auf- blitzender Talente wuͤrden alsdann in der Geburt erſticken, Zeitſchriften bald gar nicht mehr geleſen, Kritiken nur einzeln geliefert werden. Enthaltſamkeit hoͤrte auf ein Act der Freiheit zu ſein, Noth und Mangel zwaͤngen zur Entſagung.
Dies alles genau erwogen, ſo glaube ich doch meinen Satz durchfuͤhren, und be- weiſen zu koͤnnen, einmal, daß der Roman nichts an Mannigfaltigkeit in ſeiner Gat- tung verliert, wenn er von Jdeen ausgeht ferner, daß die Weſen lebendiger Phantaſie nicht puppenhaft im kuͤnſtlichen Lichtſchein theatraliſcher Verrichtungen ſchweben wer-
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fluß auf die fortlaufende Entwickelung be-
hauptet, hoͤchſt einengend werden muͤßte;
denn ungerechnet, daß Verhaͤltniſſe und Ge-
ſtaltungen von einer gewiſſen Hoͤhe gezeigt,
die Lebenswaͤrme der Naͤhe verlieren, ſo iſt
der Productivitaͤt ſchon darum eine Feſſel
angelegt, daß man, nach Annahme obiger
Grundſaͤtze billig anſtehen wird, ſich jedes
und alles im Felde der Litteratur gefallen
zu laſſen. Die unbeholfenen Verſuche auf-
blitzender Talente wuͤrden alsdann in der
Geburt erſticken, Zeitſchriften bald gar nicht
mehr geleſen, Kritiken nur einzeln geliefert
werden. Enthaltſamkeit hoͤrte auf ein Act
der Freiheit zu ſein, Noth und Mangel
zwaͤngen zur Entſagung.
Dies alles genau erwogen, ſo glaube
ich doch meinen Satz durchfuͤhren, und be-
weiſen zu koͤnnen, einmal, daß der Roman
nichts an Mannigfaltigkeit in ſeiner Gat-
tung verliert, wenn er von Jdeen ausgeht
ferner, daß die Weſen lebendiger Phantaſie
nicht puppenhaft im kuͤnſtlichen Lichtſchein
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/72>, abgerufen am 25.11.2024.
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