Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.solle etwas anders, etwas ganz Gewöhnliches, über jenes Ereigniß sagen, er flüchtete sich mit seinen Sorgen schon dahinter, als dieser, die Ungeduldigen höflich abwehrend, seinen Platz neben der Baronin nahm, und mit seiner gewohnten Besonnenheit sagte: Der Arzt besonders soll bescheiden in der Beurtheilung solcher Fälle sein, welche nicht in der aufgedeckten Folgereihe wirkender Motive und Ursachen liegen, da seine Wissenschaft, vielleicht mehr als jede andere, mit der geheimnißvollen, unerforschten, Natur verkehrt. Er darf so wenig einzelne Anklänge zu ausgesprochenen Worten umbilden, als sie überhören wollen. Er soll stets mit stillem, tief in das Innere zurückgehenden Sinn beobachten, aber weder die Sucht, etwas Außerordentliches aufgefunden zu haben, noch der kleinliche Kitzel, Entdeckungen Anderer verspotten zu wollen, darf ihn auf Nebenwege verlocken. Die heilige Ehrfurcht gegen das Wesen der Dinge erlaubt kein allzudreistes Hervortreten, und deshalb ist dem Arzt besonnenes Schweigen unerläßliche Pflicht. Hiermit schwieg er wirklich, und niemand gewann sogleich den Muth zu erneueter Frage. Die Baronin allein, ob er gleich ihre eigenste Meinung ganz unleugbar aussprach, wollte es dennoch hierbei nicht bewenden laßen. Es schien ihr zuviel solle etwas anders, etwas ganz Gewöhnliches, über jenes Ereigniß sagen, er flüchtete sich mit seinen Sorgen schon dahinter, als dieser, die Ungeduldigen höflich abwehrend, seinen Platz neben der Baronin nahm, und mit seiner gewohnten Besonnenheit sagte: Der Arzt besonders soll bescheiden in der Beurtheilung solcher Fälle sein, welche nicht in der aufgedeckten Folgereihe wirkender Motive und Ursachen liegen, da seine Wissenschaft, vielleicht mehr als jede andere, mit der geheimnißvollen, unerforschten, Natur verkehrt. Er darf so wenig einzelne Anklänge zu ausgesprochenen Worten umbilden, als sie überhören wollen. Er soll stets mit stillem, tief in das Innere zurückgehenden Sinn beobachten, aber weder die Sucht, etwas Außerordentliches aufgefunden zu haben, noch der kleinliche Kitzel, Entdeckungen Anderer verspotten zu wollen, darf ihn auf Nebenwege verlocken. Die heilige Ehrfurcht gegen das Wesen der Dinge erlaubt kein allzudreistes Hervortreten, und deshalb ist dem Arzt besonnenes Schweigen unerläßliche Pflicht. Hiermit schwieg er wirklich, und niemand gewann sogleich den Muth zu erneueter Frage. Die Baronin allein, ob er gleich ihre eigenste Meinung ganz unleugbar aussprach, wollte es dennoch hierbei nicht bewenden laßen. Es schien ihr zuviel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0167" n="160"/> solle etwas anders, etwas ganz Gewöhnliches, über jenes Ereigniß sagen, er flüchtete sich mit seinen Sorgen schon dahinter, als dieser, die Ungeduldigen höflich abwehrend, seinen Platz neben der Baronin nahm, und mit seiner gewohnten Besonnenheit sagte: Der Arzt besonders soll bescheiden in der Beurtheilung solcher Fälle sein, welche nicht in der <hi rendition="#g">aufgedeckten</hi> Folgereihe wirkender Motive und Ursachen liegen, da seine Wissenschaft, vielleicht mehr als jede andere, mit der geheimnißvollen, unerforschten, Natur verkehrt. Er darf so wenig einzelne Anklänge zu ausgesprochenen Worten umbilden, als sie überhören wollen. Er soll stets mit stillem, tief in das Innere zurückgehenden Sinn beobachten, aber weder die Sucht, etwas Außerordentliches aufgefunden zu haben, noch der kleinliche Kitzel, Entdeckungen Anderer verspotten zu wollen, darf ihn auf Nebenwege verlocken. Die heilige Ehrfurcht gegen das Wesen der Dinge erlaubt kein allzudreistes Hervortreten, und deshalb ist dem Arzt besonnenes Schweigen unerläßliche Pflicht.</p> <p>Hiermit schwieg er wirklich, und niemand gewann sogleich den Muth zu erneueter Frage. Die Baronin allein, ob er gleich ihre eigenste Meinung ganz unleugbar aussprach, wollte es dennoch hierbei nicht bewenden laßen. Es schien ihr zuviel </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [160/0167]
solle etwas anders, etwas ganz Gewöhnliches, über jenes Ereigniß sagen, er flüchtete sich mit seinen Sorgen schon dahinter, als dieser, die Ungeduldigen höflich abwehrend, seinen Platz neben der Baronin nahm, und mit seiner gewohnten Besonnenheit sagte: Der Arzt besonders soll bescheiden in der Beurtheilung solcher Fälle sein, welche nicht in der aufgedeckten Folgereihe wirkender Motive und Ursachen liegen, da seine Wissenschaft, vielleicht mehr als jede andere, mit der geheimnißvollen, unerforschten, Natur verkehrt. Er darf so wenig einzelne Anklänge zu ausgesprochenen Worten umbilden, als sie überhören wollen. Er soll stets mit stillem, tief in das Innere zurückgehenden Sinn beobachten, aber weder die Sucht, etwas Außerordentliches aufgefunden zu haben, noch der kleinliche Kitzel, Entdeckungen Anderer verspotten zu wollen, darf ihn auf Nebenwege verlocken. Die heilige Ehrfurcht gegen das Wesen der Dinge erlaubt kein allzudreistes Hervortreten, und deshalb ist dem Arzt besonnenes Schweigen unerläßliche Pflicht.
Hiermit schwieg er wirklich, und niemand gewann sogleich den Muth zu erneueter Frage. Die Baronin allein, ob er gleich ihre eigenste Meinung ganz unleugbar aussprach, wollte es dennoch hierbei nicht bewenden laßen. Es schien ihr zuviel
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