Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.zufällig einmal, wenn mir die Dichtung ganz von ohngefähr in die Hände fällt und ich sie wieder vergessen habe. Mir ist es allezeit ängstlich, Werke meiner Bekannten von ihnen selbst vortragen zu hören. Ich behalte kein freies Urtheil dabei. Mir ist bange, sie entweder zu überschätzen, oder nicht hoch genug zu stellen. Darüber geht mir der Totaleindruck verloren. Es ist so schwer, Menschen, die man essen und trinken, Gewöhnliches im Tageslauf denken und thun sieht, plötzlich auf einer höhern Stufe zu erblicken, sie dreist zu der ganzen Welt reden zu hören, man kann sich nicht einbilden, daß dies nicht zuviel gewagt sei, man vermischt die einzelnen Stunden der Erhebung mit ihrem übrigen Leben, und glaubt sie früherhin oder jetzt mißkannt zu haben; so wird das Urtheil trübe, und es kommt zu keinem gesunden Gedanken. Antonie, welche während dem unruhig auf und ab gegangen war, fragte jetzt den Arzt, ob man nicht in alten Büchern das Leben jener wunderthätigen Frauen, deren er zuvor Erwähnung gethan, aufgezeichnet fände? und ob sie solche Schriften wohl zu lesen bekommen könne? sie erinnere sich aus ihrer Kindheit, ein Lied von einer Zauberkönigin gehört zu haben, es schwebe ihr aber nur ganz dunkel vor, sei ihr auch nichts Besonderes zufällig einmal, wenn mir die Dichtung ganz von ohngefähr in die Hände fällt und ich sie wieder vergessen habe. Mir ist es allezeit ängstlich, Werke meiner Bekannten von ihnen selbst vortragen zu hören. Ich behalte kein freies Urtheil dabei. Mir ist bange, sie entweder zu überschätzen, oder nicht hoch genug zu stellen. Darüber geht mir der Totaleindruck verloren. Es ist so schwer, Menschen, die man essen und trinken, Gewöhnliches im Tageslauf denken und thun sieht, plötzlich auf einer höhern Stufe zu erblicken, sie dreist zu der ganzen Welt reden zu hören, man kann sich nicht einbilden, daß dies nicht zuviel gewagt sei, man vermischt die einzelnen Stunden der Erhebung mit ihrem übrigen Leben, und glaubt sie früherhin oder jetzt mißkannt zu haben; so wird das Urtheil trübe, und es kommt zu keinem gesunden Gedanken. Antonie, welche während dem unruhig auf und ab gegangen war, fragte jetzt den Arzt, ob man nicht in alten Büchern das Leben jener wunderthätigen Frauen, deren er zuvor Erwähnung gethan, aufgezeichnet fände? und ob sie solche Schriften wohl zu lesen bekommen könne? sie erinnere sich aus ihrer Kindheit, ein Lied von einer Zauberkönigin gehört zu haben, es schwebe ihr aber nur ganz dunkel vor, sei ihr auch nichts Besonderes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0186" n="179"/> zufällig einmal, wenn mir die Dichtung ganz von ohngefähr in die Hände fällt und ich sie wieder vergessen habe. Mir ist es allezeit ängstlich, Werke meiner Bekannten von ihnen selbst vortragen zu hören. Ich behalte kein freies Urtheil dabei. Mir ist bange, sie entweder zu überschätzen, oder nicht hoch genug zu stellen. Darüber geht mir der Totaleindruck verloren. Es ist so schwer, Menschen, die man essen und trinken, Gewöhnliches im Tageslauf denken und thun sieht, plötzlich auf einer höhern Stufe zu erblicken, sie dreist zu der ganzen Welt reden zu hören, man kann sich nicht einbilden, daß dies nicht zuviel gewagt sei, man vermischt die einzelnen Stunden der Erhebung mit ihrem übrigen Leben, und glaubt sie früherhin oder jetzt mißkannt zu haben; so wird das Urtheil trübe, und es kommt zu keinem gesunden Gedanken.</p> <p>Antonie, welche während dem unruhig auf und ab gegangen war, fragte jetzt den Arzt, ob man nicht in alten Büchern das Leben jener wunderthätigen Frauen, deren er zuvor Erwähnung gethan, aufgezeichnet fände? und ob sie solche Schriften wohl zu lesen bekommen könne? sie erinnere sich aus ihrer Kindheit, ein Lied von einer Zauberkönigin gehört zu haben, es schwebe ihr aber nur ganz dunkel vor, sei ihr auch nichts Besonderes </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0186]
zufällig einmal, wenn mir die Dichtung ganz von ohngefähr in die Hände fällt und ich sie wieder vergessen habe. Mir ist es allezeit ängstlich, Werke meiner Bekannten von ihnen selbst vortragen zu hören. Ich behalte kein freies Urtheil dabei. Mir ist bange, sie entweder zu überschätzen, oder nicht hoch genug zu stellen. Darüber geht mir der Totaleindruck verloren. Es ist so schwer, Menschen, die man essen und trinken, Gewöhnliches im Tageslauf denken und thun sieht, plötzlich auf einer höhern Stufe zu erblicken, sie dreist zu der ganzen Welt reden zu hören, man kann sich nicht einbilden, daß dies nicht zuviel gewagt sei, man vermischt die einzelnen Stunden der Erhebung mit ihrem übrigen Leben, und glaubt sie früherhin oder jetzt mißkannt zu haben; so wird das Urtheil trübe, und es kommt zu keinem gesunden Gedanken.
Antonie, welche während dem unruhig auf und ab gegangen war, fragte jetzt den Arzt, ob man nicht in alten Büchern das Leben jener wunderthätigen Frauen, deren er zuvor Erwähnung gethan, aufgezeichnet fände? und ob sie solche Schriften wohl zu lesen bekommen könne? sie erinnere sich aus ihrer Kindheit, ein Lied von einer Zauberkönigin gehört zu haben, es schwebe ihr aber nur ganz dunkel vor, sei ihr auch nichts Besonderes
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